ROSA
„Du meinst, weil du mich an die DEA verraten hast?"
***
Nachdem ich mich im Morgengrauen von Lina verabschiedet und ihr geraten habe, dass sie und José sich eine Weile zu ihren Verwandten aufs Land zurückziehen sollten, bin ich mit dem geklauten Auto des Agents in die Stadt gefahren und habe es dort stehen gelassen. Von dem Geld, dass mir Lina geliehen hat, habe ich mir ein Wegwerfhandy gekauft, sodass ich im Notfall zu erreichen bin.
Danach bin ich mit dem Bus zum Restaurant gefahren, indem ich mich mit Gutman treffe will. Ich bin absichtlich mehrmals umgestiegen, um meine Spuren zu verwischen, was mich zwar Zeit gekostet hat, aber es musste sein. Jetzt sitze ich in der hintersten Ecke, während der Ventilator leise vor sich hin summt und das Geklapper von Besteck und Geschirr aus der Küche zu mir rüber dringt.
Ich trinke meine dritte Limo aus und lehne mich nach hinten, lasse den Blick durch den kleinen Innenraum schweifen und bin froh, dass sich die Anzahl der Gäste nicht wesentlich verändert hat. In den letzten zwei Stunden sind nur wenige neu eingetroffen, die meisten sitzen so wie ich schon seit einer Weile am selben Platz und dösen leise vor sich hin. Und das, obwohl die eigentliche Siesta erst in zwei Stunden losgehen würde.
Aber ich denke nicht, dass sie etwas wichtiges verpassen, wenn sie hier sitzen und schlafen, oder sich die Zeitungen durchschauen, die seit einer Woche nicht erneuert wurden. Wieso auch? Hier passiert immer das gleiche, so ähneln sich auch die Artikel in den Zeitungen. In denen über die neuesten Todeszahlen, über die korrupte Regierung oder die wachsende Arbeitslosigkeit geschrieben wird. Alles alte Kamellen, die niemanden interessiert.
Nicht einmal der Gobernador und auf einmal kommt mir die Geburtstagsfeier auf seinem Grundstück so weit weg vor, dass ich fast überrascht bin, dass sie erst acht Tage her ist. Was alles seitdem passiert ist, ist unfassbar und fühlt sich noch immer noch real an. Im Gegenteil. Wie ein Traum, der nicht enden will. Nur, dass ich jetzt auf der Flucht bin und das die Wirklichkeit ist. Mein Boss wird sich bestimmt schon fragen, was los ist. Ich bin ja nicht mehr dazu gekommen ihm Bescheid zu geben und jetzt hat Gandia mein Handy.
Klar, ich könnte meinen Chef anrufen, ihm erzählen was los ist, aber dann würde ich riskieren, dass sie ihn bereits angezapft haben, um herauszufinden wo ich mich versteckt halte. Denkt Gandia, dass ich mich in die Staaten absetze, oder weiß er, dass ich noch im Land bin, ja sogar in der gleichen Stadt? Als plötzlich Schüsse durch den Raum hallen, zucke ich so schlimm zusammen, dass mein Herz beinahe stehen bleibt.
Ich will mich sofort unter den Tisch ducken, mich vor den lebensbedrohlichen Kugeln in Sicherheit bringen, als ich erkenne, dass diese aus dem kleinen Bildschirm über der Theke stammen. Ich richte mich wieder auf und schaue dem Bericht des lokalen Senders zu, der über eine Schießerei in einer alten Lagerhalle berichtet. Amerikanische Agenten sind getötet worden, lese ich die Überschrift des Banners und bin geschockt, denn es ist die Halle, aus der ich geflohen bin.
Wie gebannt starre ich auf den Bildschirm, der die Bilder in Endlosschleife bringt. Doch dann erscheint Miguel Gandia persönlich und gibt ein kurzes Interview. Ich will aufstehen, den Besitzer bitten, dass er die Lautstärke erhöht, doch wenn sie mein Gesicht zeigen, dann bin ich geliefert. Also drücke ich mich so sehr in den abgeschabten Sitz, dass sich mein verspannter Rücken zu Wort meldet, genau wie mein Bein. Bis jetzt hat sich die Wunde nicht entzündet, doch das kann sich jederzeit ändern. Ich halte mir die Stelle, an der mich Gandia getroffen hat und schlucke, als ich höre was er sagt.
„Es ist ein Schlag gegen die Justiz, ein brutales Gewaltverbrechen, das bestraft werden muss. Die Täter konnten fliehen, doch wir sind ihnen auf der Spur", meint er düster und schaut direkt in die Kamera. So vernichtend und Angst einflößend, dass ich zu zittern beginne und meine Hände fest an meine Brust drücken muss, um dagegen zu wirken.
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Gangs of Sinaloa - Killing Love
ChickLitCuliacan, Mexico 2018 Die 22 jährige Rosa de la Cruz fährt zurück in ihre Heimat. Der Grund: Die Beerdigung ihres Grossvaters. Der das Oberhaupt einer der Bikergangs in Sinaloa war und dessen Tod ein grosses Loch in viele Herzen gerissen hat. So auc...