Asche zu Asche. Staub zu Staub.

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ROSA

***

"Wenn du die Stirn so kraus ziehst, erinnerst du mich an deine Mutter. Du siehst ihr so verdammt ähnlich."

4 Jahre danach ...

Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich es in diesem Augenblick tun. Erde auf das Grab meines Großvaters zu schütten und mich zu bekreuzigen, während die Tränen heiß in meinen Augen brennen, gehört nicht zu den Dingen, die ich mit gerade einmal zweiundzwanzig tun wollte. 

„Te quiero, Abuelo", flüstere ich, bevor ich mich abwende und zu meinem Vater und seinen Bikerfreunden gehe. Er nimmt mich in den Arm, während er mir einen Kuss auf den Haarschopf drückt. 

„Ich hätte mehr mit ihm telefonieren müssen", schniefe ich und wische mir über die Wangen. Ich bin wegen des Studiums in die Staaten gegangen und war nur noch in den Semesterferien zuhause. Und auch dann hatte ich anderes im Kopf, als mich um meinen Großvater zu kümmern.

 
„Er wusste auch so, dass du ihn liebst", meint Papa und sieht auf mich herunter. Meine Hand ruht auf seiner Brust, als ich zu ihm hochsehe und in seine kaffeebraunen Augen schaue. Ein wehmütiges Lächeln umspielt seine Lippen. Kleine Fältchen haben sich darum gebildet und lassen ihn älter als fünfundvierzig aussehen. 

Er will stark sein, für mich, aber auch für die anderen Mitglieder der Estrella de la muerte. Gegründet wurde sie durch meinen Großvater Anfang der Fünfziger Jahre. Damals verdienten sie als Banditen und Verfechter der Gerechtigkeit ihr Geld, deshalb auch der düstere Namen. Mit den Jahren und der Führung meines Vaters haben sie sich zu Lebensrettern entwickelt. 

Mit ihrer Hilfe konnten viele Menschen ein neues Leben anfangen, weg von den Kartellen und deren Geschäften mit Drogen, Menschenhandel und Waffen. Ich bewundere meinen Vater dafür, dass er auch in diesen schweren und brutalen Zeiten nie einen Gedanken daran verschwendet, wieder auf die schiefe Bahn zu geraten. Ich drehe den Kopf und schaue in die blauen Augen von Santiago. Er ist Pepes Sohn, was man nicht von der Hand weisen kann. 

Mit seinem markanten Gesicht, dem riesigen Mundwerk und dem dämlichen Lachen ist er eine jüngere Version von ihm. Wir sind praktisch zusammen aufgewachsen. Er nickt mir zu, als Respekt für meinen Großvater. Ich wende den Blick ab und sehe den anderen Trauergästen zu, wie sie ans Grab treten, Erde oder Blumen auf seinen Sarg geben und leise ihre Gebete an den Herrn im Himmel richten. 

In der Luft liegt der Geruch von ausgedorrten Blättern und das Flirren der Hitze lässt mich froh darüber sein, von meinem Vater gehalten zu werden. Nachdem das Begräbnis zu Ende ist, fährt die ganze Gesellschaft eine Runde zu Ehren ihres Gründers. Mein Vater an der Spitze, ich neben ihm und hinter uns Hundertzwanzig Biker auf ihren Motorrädern. 

Viele sind Mitglieder der Estrellas, aber einige sind von außerhalb oder von anderen Clubs. Javier de la Cruz war ein bekannter Mann, sein Verlust reißt überall ein großes Loch hinein. Aber vor allem in mein Herz. Auch wenn er ein Krimineller war, hat er viel Gutes getan. Er war ein guter Vater und ein liebevoller Opa. 

„Diese Fahrt ist für dich", flüstere ich, gebe Gas und rase davon. Die Strecke ist kurvenreich und hat es in sich. Sie führt über Klippen zu unserem kleinen Anwesen, das er in seinen Zwanzigern gekauft hat. Es gehörte einem Mitglied des Davila Kartells, der unsere Familie bedrohen wollte. Doch Salvatore ließ das nicht zu und jagte ihn aus der Stadt. 

Wie er das gemacht hat, blieb immer sein Geheimnis. Aber ich nehme an, dass sich die ganze Gang um ihn gekümmert hat. Das Röhren der Motoren ist über einige Kilometer zu hören und signalisiert damit, dass einer von uns nicht mehr hier ist. 

Gangs of Sinaloa - Killing LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt