Vater gegen Sohn

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GUZMAN

„Nicht hier und du wirst es auch nicht in deine dämlichen Hände kriegen. Du kannst sie nicht retten, Guzman.

***

Zuhause angekommen stürme ich nach oben, erklimme Stufe um Stufe und stoße polternd die Tür zum Arbeitszimmer meines Vaters auf. Mir ist scheissegal, dass es fast halb neun Uhr abends ist und ich irgendwen aus dem Schlaf reißen könnte. 

Ich muss dieses beschissene Buch finden, das, in dem er alles wichtige aufgeschrieben hat. Es muss in seinem Safe sein. Es muss einfach. Ich hänge das Bild von der Wand, das den Safe versteckt und tippe die erstbeste Kombination ein.

„Verdammter Mist!", knurre ich, als das rote Licht aufblinkt. Ich kneife die Augen zusammen, überlege fieberhaft was er als Code benutzt und versuche es mit dem Hochzeitsdatum von Catalina und ihm. Doch auch bei dieser Eingabe geht er nicht auf.

„Fuck!", brülle ich und würde am liebsten die Faust in den zehn Zentimeter dicken Stahl rammen, doch ich belasse es dabei und nehme den Geburtstag von Catalina. Doch es leuchtet rot und nicht grün. Ich beiße mir auf die Lippe und nehme den meiner Mutter. 

Die Zahlen einzugeben fühlt sich seltsam an, vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass ich schon länger nicht mehr daran gedacht habe. Nach ihrem Tod haben wir weder ihren Geburtstag gefeiert noch etwas an ihrem Sterbedatum gemacht. Es wurde totgeschwiegen. Jahr für Jahr. Ich verdränge die schemenhaften Erinnerungen an sie und gebe einen frustriert klingenden Laut von mir.

„Was machst du da?", hallt die anklagende Stimme Catalinas durch den Raum. Ich zucke zusammen und schaue gezwungenermaßen in ihre Richtung. Sie schlingt ihren seidenen Morgenmantel enger um ihren noch zierlicheren Körper und sieht mich aus müden Augen aus heran an. Ich schlucke, weiß nicht, was ich sagen soll. 

Sie kennt die Kombination, aber sie würde mir niemals helfen ihren Mann – meinen beschissenen Vater – ans Messer zu liefern. Ich wende mich ihr zu, in der Hoffnung, dass ich sie trotzdem dazu überreden kann. Ich erinnere mich an unser Gespräch in der Küche, sie meinte, dass ich für sie wie ein richtiger Sohn bin. Und Eltern helfen ihren Kindern, wenn sie in Schwierigkeiten stecken. Und das tue ich wirklich.

„Ich muss sie retten", sage ich und erkläre ihr, was passiert ist. Catalina steht einfach nur da, hört meinem wasserfallartigen Wortschwall zu, der sich wie von selbst aus meinem Mund ergießt und unterbricht mich kein einziges Mal. Und als ich ende, mich befreit von allem, was mir auf dem Magen gelegen hat, fühle, stellt sie mir eine einzige Frage: „Liebst du sie?" 

Catalinas Stimme klingt vollkommen ruhig, als ob ich ihr gerade erzählt hätte, dass ich vorhin mit Freunden getroffen hätte und nicht, dass Rosa eine Ratte der DEA ist, dass sie in derer Gewalt ist und ich sie unbedingt retten muss. Sie stellt mir die einzige Frage, auf die ich wirklich keine Antwort weiß. Ehrlich? Oder belüge ich mich gerade selbst, nur um mich nicht damit beschäftigen zu müssen? 

Catalinas braune Augen wirken wacher, als hätte sie mein Redeschwall daran erinnert, dass es wichtigeres als Schönheitsschlaf gibt, den sie sowieso nicht braucht. Ich spüre, dass sie eine Antwort von mir erwartet, was mich unter Druck setzt. Denn ich habe wirklich keine Ahnung, was das zwischen uns ist. Ich weiß nur, dass ich sie daraus holen muss, was danach kommt, weiß ich nicht.

„Sie ist mir nicht egal. Ob das Liebe ist, weiß ich nicht. Aber ich muss sie retten, sie ist nur meinetwegen in ihrer Gewalt." 

Denn mittlerweile ist mir klar geworden, dass sie das nicht aus Rache getan hat, sondern, weil sie von der DEA erpresst wurde. Sie hatte keine andere Wahl und dafür hat mein Vater ihr Zuhause zerstört. Dafür wird er bluten, und zwar richtig!

Gangs of Sinaloa - Killing LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt