3. Kapitel

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      Diese paar Stunden waren schneller vergangen, als erwartet. Vielleicht weil mein Vater mich in Gespräche gesponnen hatte, weil ich von ein paar Männern zum Tanz aufgefordert worden war und vielleicht, weil meine Mutter mir gesagt hatte, dass sie daran arbeitete, Vater vom Gegenteil zu überzeugen. Nur ich wusste, dass den Drachen nicht mehr so viel Zeit blieb. Mum würde Tage brauchen, um ihn zu überzeugen, vielleicht sogar Jahre. Doch die Drachen hatten diese Zeit nicht.
       Kurz vor Mitternacht verabschiedete ich mich von der Gesellschaft mit der Ausrede, dass ich mich beim vielen Tanzen verausgabt hätte und müde sei. Diese Ausrede kaufte mir zum Glück jeder ab und niemand folgte mir zu meinem Zimmer. Faya hatte ich während der paar Stunden in der Menge verloren. Sie war wieder dazu übergegangen, Wein zu verteilen oder gar Met. Andere Dienerinnen hatten Häppchen verteilt. Damian hatte zu meinem Glück mit Ladys und Baroninnen getanzt, so dass ich nicht die Befürchtung hätte haben müssen, dass er mit Faya tanzte.
       Während ich die Gänge entlanghastete, achtete ich darauf, es nicht zu eilig zu haben. Dennoch waren meine Schritte schneller als sonst und ich war froh über die flachen Schuhe, die ich gewählt hatte. Ab und an begegnete ich ein paar Wachen, die aber so von meinem weiß-rosa Kleid, dessen weißer Stoff durch den funkelnden Stoff im Schein der Fackeln fast golden wirkte, fasziniert waren, dass sie meinen schnelleren Schritt gar nicht erst bemerkten.
       Ungestört kam ich an meinem Zimmer an. Den Wachen sagte ich, dass sie die Nacht über keinen mehr hineinlassen sollten, da ich sehr müde war. Sie nahmen meine Bitte an. Insgeheim lächelnd betrat ich mein Zimmer. Um später nicht zu viele Kerzen ausmachen zu müssen, zündete ich nur eine an, die mir gerade genug Licht spendete, mich in meinem Zimmer zurecht zu finden. Das Kleid flog rücksichtslos auf mein Bett.
       Dass die Knöpfe und Schnüre dabei rissen, die ich allein nicht hätte aufmachen können, störte mich nicht. Das Kleid würde ich so oder so nie wieder tragen. Das Korsett, dass mir schon den ganzen Abend die Luft abgeschnürt hatte, flog auch von meinem Körper. Es fühlte sich an, als hätte man meinen Körper aus einem Käfig gelassen und meine Lungen nahmen jeden Luftzug gierig in sich auf, während sich meine Brust wieder dehnte. Mein Bauch dankte mir die widergewonnene Freiheit.
       Während dem Ball hatte ich mich daran gewöhnt. An diesen Druck, der mich daran hinderte, mich zu entspannen. Als Prinzessin gewöhnte man sich schnell daran, besonders, wenn man diese Höllendinger öfter tragen musste, damit meine Kurven nicht so zur Geltung kamen. Das Korsett drückte mich immer so ein, dass meine breite Hüfte gar zu verschwinden schien. So wirkte es jedenfalls. Es fiel einfach weniger auf.
       Entschlossen lief ich zu meinem Kleiderschrank, fischte mein weißes Hemd heraus, dazu meiner schwarzen Hose aus Leder und meine Stiefel. Eilig zwängte ich mich in die Hose, bevor ich mein Hemd überzog. Das Leinenhemd schlackerte selbst mir an den Oberarmen. Es war viel größer und somit gemütlicher. Dennoch nahm ich den breiten Ledergürtel und band ihn mir um die Taille. Das Schwert folgte kurz darauf. Dann holte ich mir Pfeil und Bogen aus dem Schrank.
       Dazu meinen schwarzen Mantel. Mir blieb keine Zeit, mir Vorräte zu holen. Die Reise würde hoffentlich nicht so lange dauern und wenn würde ich mir unterwegs etwas jagen. Nur Wasser konnte ich mitnehmen. Denn unten, neben dem Stall gab es einen Brunnen. Im flackernden Schein der Kerze zog ich meinen Umhang über und setzte die Kapuze auf. Zwar hatte ich keine Zeit, Vorräte einzupacken, ich nahm mir aber die Zeit, um in meiner Schubblade nach dem Drachen aus Holz zu greifen und ihn in der Tasche von meiner Hose zu verstecken.
Durch meine Tür konnte ich nicht. Das wusste ich. Das Fenster musste herhalten. Leise lief ich zu meinem Fenster und öffnete es so leise wie möglich. Unten im Hof waren keine Wachen. Jedenfalls momentan nicht.
       Sie machten ihren Rundgang und mir würden nur ein paar Minuten bleiben. Hastig blies ich die Kerze aus, bevor ich über den Fensterrand und mich sanft die paar Meter auf den Balkon unter meinem Zimmer fallen ließ. So leise wie eine Katze landete ich auf meinen Füßen. Das Training machte sich bezahlt, so wie die Tatsache, dass ich mich schon öfter nachts hinausgeschlichen hatte. So leise wie möglich schlich ich mich zum Rand des Balkons an der rechten Seite und schwang mich darüber, um auf einer Steinfigur zu landen. Der Bogen und er Köcher waren über meinen Rücken geschlungen, damit sie mir nicht im Weg umgingen.
       Der warme Mantel schützte mich vor der kühlen Brise, die vom Wind durch die schneebedeckten Berge angetragen wurde. Geschickt hangelte ich mich an der Kreatur aus Stein, die ich nicht benennen konnte herab und ließ mich auf einen weiteren Balkon sinken. In dem Moment hallten die Schritte der Wachen im Innenhof wider. Ihre Rüstung klapperten bei jedem Schritt, die schweren Stiefel trafen auf dem Boden auf und der Schein ihrer Fackeln flackerte an den Wänden wider.
      Schnell ließ ich mich auf den Balkon sinken und versteckte mich hinter der Steinmauer. Mit klopfendem Herzen wartete ich ab. Das Blut rauschte in meinen Ohren. Unsere Wachen waren sehr genau und sehr strickt. Das wusste ich. Als ich sicher war, dass sie den Innenhof wieder verlassen hatten, ließ ich mich von dem Balkon auf einen Vorsprung sinken und von dort aus sprang ich dann auf den Boden. Mein Zimmer war zum Glück nicht so weit oben. Im Schutz der Nacht huschte ich zum Brunnen und füllte zwei meiner Feldflaschen auf, die ich vorhin noch geschnappt hatte, dann lief ich in den Stall.

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