9. Kapitel

2.9K 139 14
                                    

     Langsam, wirklich langsam drehte ich mich um und sah Cas an, dessen Blick so voller Wut und Verachtung war, dass mir ganz schwindlig wurde. Haltsuchend stütze ich mich an einem Holzpfeiler ab, der nach oben ragte und sich mit anderen Pfeilern zu einer Art Gerüst für ein Vordach bilden zu schien. Der Balken gab mir den Halt, den ich brauchte, um seinen harten Blick standzuhalten. »Ich... ich bin nur... einfach umhergelaufen. Und dann war ich schon hier. Tut mir leid, ich wollte nicht... also ich habe nichts angefasst oder so«, fing ich an und versuchte seinem harten Blick Standzuhalten. Einfach so. Doch...
      Sein harter Blick war so intensiv, so ernst, dass es mir schwerfiel. Noch nie hatte mich jemand so voller Hass angesehen. Noch nie. »Du kannst dir nicht einfach herausnehmen so frei hier herumzulaufen, Prinzessin. Das hier ist nicht dein Schloss!« Wie immer spuckte er meinen Titel aus und langsam hasste ich das. Ich hasste die Verachtung in seinem Blick. Die Verachtung in seinem Ton. Das war einfach nicht richtig. Schließlich hatte ich ihm nichts getan. Und doch verhielt er sich so. Er verhielt sich mir gegenüber nicht nett und das war unfair. Auf der anderen Seite konnte ich seinen Groll und sein Misstrauen verstehen. Er hielt mich für einen Verräter.
     Gut, dass war ich irgendwo auch. Ich hatte mein Königreich verraten. Meinen Vater. Meine Familie. Dennoch störte mich das nicht. Ich sollte mich schämen, doch in Wahrheit hatte ich mich immer dafür geschämt, dass sie die Drachen so sehr hassten und verabscheuten. »Jetzt mach aber mal einen Punkt, ja?! Ich wollte nur nachdenken und habe Zeit für mich gebraucht. Es war ja keine Absicht, mein Gott. Komm mal wieder runter. Wie oft muss ich dir noch sagen, dass ich nicht der Feind bin?«
    Die Wut in mir kochte auf. So unbändig, dass ich glaubte, jeden Moment explodieren zu müssen. Mir war so verdammt heiß. Das Blut rauschte mir in den Ohren und schien regelrecht zu kochen. Meine Gedanken überschlugen sich und ein Teil in mir wollte ihm so gerne eine reinhauen. Doch das hätte nicht viel gebracht. Jedenfalls nicht mir. Das wusste ich. Es hätte mir wirklich nicht viel gebracht. Cas sah mich weiter böse an. »Leute sagen viel, wenn der Tag lang ist. Du musst es erst mit Taten beweisen.«
    Nun kochte meine Wut fast ganz über, ich hielt mich nur gerade so zurück. »Ich muss also meine Unschuld beweisen, nur weil du mir nicht glaubst? Ich dachte immer, dass die Schuld erst bewiesen werden muss, jetzt muss ich auch noch meine Unschuld beweisen, obwohl ich nichts getan habe... Jetzt verstehe ich langsam, warum die anderen alle weggegangen sind.« Meine letzten Worte lösten etwas in ihm aus und bereute sie sofort.
     Cas' Körper spannte sich so krass an, dass ich das Gefühl hatte, wenn ich gegen ihn laufen würde, würde es sich so anfühlen, als würde ich gegen eine Mauer aus Stein laufen. »Du gehst jetzt besser«, knurrte er mich an. Immer noch fragte ich mich, wie er mich hier gefunden hatte, wenn er doch auf den Weg in sein Zimmer gewesen war. Dann sah ich es. Von hier aus konnte man mich in dem Gang sehen, wo unsere Zimmer waren. Na toll...
     »Ich verstehe, dass du misstrauisch bist, aber-«, setzte ich an, doch er unterbrach mich. »Nein, du verstehst das nicht, Prinzessin! Das tust du nicht. Denn du musstest nie fürchten, dass ein Verräter in den Reihen sitzen und ihr deswegen sterben könntet. Du verstehst das nicht und jetzt geh, bevor ich mich vergesse.« Die Härte in seinen Worten sollte keinen Raum für Widerspruch lassen, doch so ließ ich nicht mit mir sprechen. Niemand sollte so mit sich sprechen lassen, egal welchen Titel er hatte.
     »Ich bin nicht der Feind, Cas. Ich möchte dir und den anderen nichts Böses und ich mag es nicht, wenn man so mit mir spricht. Ich bin nicht hierhergekommen, um mich von dir so anreden zu lassen. Ich bin hierhergekommen, weil ich es wichtig fand, euch zu warnen. Du kannst nicht einfach so mit mir sprechen, Cas. So spricht man mit niemanden. Ich möchte einfach nur, dass du mir eine Chance gibst, anstatt so viele Vorurteile zu hegen.«
     Bei meinen Worten schnaubte er nur. »Wenn ich dir keine Chance geben würde, dann dürftest du gar nicht mehr hier sein.« Etwas an seiner Art brachte mich tierisch auf die Palme. Schon jetzt sehnte ich mich nach einem Krug mit Met, dass ich herunterschlucken und die Wut darin ertränken konnte. Cas war ein Typ für sich. Das wusste er selbst nur zu gut. Oh ja und wie er das wusste. »Gut, aber behandele mich bitte mit Respekt. Ich verlange nicht, dass du einen Knicks machst. Das möchte ich nicht. Ich möchte nur, dass du meinen Titel nicht so ausspuckst wie eine Beleidigung. Ich heiße Covina. Du kannst mich Covina oder Vina nennen oder einen anderen Spitznamen verwenden, aber meinen Titel lässt du bitte weg.«
     Lange starrte er mich an. Einfach so. Ohne etwas zu sagen. »Na schön, Covina. Aber falls ich merken sollte, dass du ein Spitzel für deine Leute bist, wirst du bei lebendigem Leibe verkohlt.« Ich wusste, dass seine Worte eine leere Drohung waren. Cas würde mich nie verbrennen. Das sagte mir ein Instinkt. Cas wirkte wie der harte, böse Kerl, dabei war ich mir sicher, dass er das nicht tun würde. Allerdings glaubte ich ihm, dass ich sterben würde. Cas schien die Art von der Person zu sein, dessen Familie du nicht bedrohen durftest, sonst wärst du einen guten Kopf kürzer.
     »Gut, dann werde ich nicht verbrennen müssen«, erwiderte ich. Cas legte den Kopf schief. »Das werden wir ja sehen.« Ich seufzte. »Ich kann nicht lügen, Cas. Wenn ich ein Spitzel wäre, wüsstest du das bereits.« Er zuckte mit den Schultern und sah sich eine orange Blume an. Da ich ihn nicht weiter stören wollte, machte ich mich daran zu gehen. Doch dann sagte er: »Ein Schlachtfeld ist nichts für Mädchen.« Mir war klar, dass es nicht so klingen sollte, wie ich es im ersten Moment dachte. Bei uns am Hofe sagten die Ritter das, weil sie Frauen nichts zutrauten. Sie hatten mich monatelang nicht aufnehmen wollen, weil ich ein Mädchen war. Als sie gesehen hatten, wie gut ich das konnte, hatten sie mich mitmachen lassen.
     Cas sagte es nicht, weil er der gleichen Ansicht war. Tief in mir drin wusste ich, dass er es mir ersparen wollte, gegen die zu kämpfen, die mir lieb waren, weil er selbst vermutlich gegen seinen Onkel gekämpft hatte. »Und dennoch werde ich euch helfen. Zwar graust es mir davor, jemanden zu töten, aber ich werde nicht zulassen, dass sie euch vernichten, nur weil sie denken, sie sind sonst so eine große Macht.«
     Erstaunen flackerte in seinen dunklen Augen auf, als er den Ernst in meiner Stimme erkannte. Natürlich wusste ich, dass es gefährlich werden würde. Ich war nicht so dumm zu glauben, dass mir nichts passieren konnte. Denn ich wusste, wie gut die Armee meines Vaters mit Pfeil und Bogen umging. In dem schwarzen Hagel aus Pfeilen, konnte sich leicht einer verirren und mich treffen. Oder im Zweikampf konnte sich eine scharfe  Klinge der großen Stahlschwerte in meinen Leib bohren.
     Ich wusste, dass das passieren konnte und dennoch wollte ich nicht zurückzucken. Konnte nicht zurückzucken. Es lag nicht an mir, zurückzucken. »Verrätst du mir, warum du das tust, Covina?«, fragte Cas und zum ersten Mal war seine Stimme erstaunlich sanft. Jede Härte und jede Kälte war aus ihr gewichen und hatte eine Wärme hinterlassen, die mir neu war. »Meine Mutter erzählte mir von den Drachen. Auch von den Drachen, die sich nicht verwandeln konnten. Den Urdrachen. Sie erzählte mir, wie magisch sie waren. Dann erzählte sie mir, wie mit der Magie der Urdrachen ihr entstandet. Die Drachen, die sich wandeln konnten. Schon als Kind liebte ich diese Geschichten. Ich liebte es, wie sie von euch erzählte. Wie sie mir erzählte, wie majestätisch ihr über den Himmel gleitet, frei seid und gleichzeitig mit den Menschen und den Hexen befreundet wart. Doch sie erzählte mir auch von der Gier der Menschen nach der Energie in euren Herzen. Sie erzählte mir davon, wie die Menschen Jagd auf euch machten.«
     Kurz holte ich einen Moment lang Luft, um die kalte Klaue, die sich um mein Herz schloss, zu verdrängen. Um die Übelkeit hinunterzuschlucken, die sich in mir breit machte. Dann fuhr ich fort. »Ich hasste es, dass ihr nur deswegen von uns getrennt wart. Denn ich wollte euch sehen. Und als kleines Mädchen, als ich an zu den Falanbergen ging, sah ich einen roten Drachen. Er war so traurig. Niemand wusste, dass ich dort war. Ich hatte mich weggeschlichen. Ich gab dem Drachen meinen Teddybären. Er war nur etwas größer als seine scharfe Kralle und war nur ein winziger Fleck in seiner Klaue. Doch der Drache schien... zu lächeln. Deswegen ist es mir wichtig. Weil ich denke, dass die meisten von euch so sind. Er wollt mit uns leben, anstatt euch von uns zu trennen und ich finde, dass es falsch ist, euch zu töten, nur wegen der Energie in euren Herzen.«
     Eigentlich hielt ich meine Erklärung für gut, doch da war diese eisige Kälte in Cas' Blick, als er mich jetzt ansah. Selbst die Blumen schienen ihre Köpfe einzustecken, die Blüten schienen zurückzuweichen, angesichts der Kälte und Drohung, die er ausstrahlte. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte. Ich hatte erwartet, dass er meine Erklärung verstehen würde. Dass er mich verstehen würde. Doch diese Kälte in seinen Augen machte alles zunichte, meine ganzen Hoffnungen, dass er mich je verstehen würde.
Dieser Hass in seinen Augen war unerträglich. »Was-«, setzte ich an, um herauszufinden, was ihn so wütend machte, doch er lief wortlos an mir vorbei in den Garten. Immer weiter, bis er am Rand des Gartens ankam, unter dem sich der Innenhof auftat. Seine Adern begannen zu glühen, dann leuchtete ein heller Blitz auf, ich hörte Stoff reißen und dann war er in Drachengestalt. Die bronzefarbenen Schuppen glänzten im Licht der Sonne, so hell, dass mir schwindlig wurde.
     Sein Blick traf mich für eine Sekunde, als ich hilflos nach vorne stolperte, dann hob er ab und flog davon. Mit mächtigen Flügelschlägen schoss er in den strahlendblauen Himmel empor. Immer weiter. Immer höher. Eine Schar Vögel flatterte unruhig auf, als Cas über die alten Zinnen der Brug glitt. Seufzend betrachtete ich den Drachen und versuchte mir zusammenzureimen, warum genau das alles so passiert war. Warum er auf einmal wieder so kalt und wütend gewirkt hatte. Es war mir ein Rätsel. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Das alles war komisch. So verdammt komisch.
     Seufzend drehte ich mich um und verließ den wunderschönen Dachgarten. Gedankenverloren schlich ich wieder durch die wirren Gänge. Mittlerweile war ich sicher, dass diese Gänge eine Art Labyrinth sein mussten. Nur dank meines Orientierungssinnes fand ich zurück zum Saal. Die Tür stand offen und das Stimmengewirr drang an meine Ohren. Ich hörte Fero, Wren und Howlan diskutierten.
»Ich finde es gut, dass sie bleibt. Sie scheint Ahnung zu haben und kann uns sicher helfen. Ich weiß nicht, was Cas immer für Probleme hat. Sie hat den Test mit der Mauer doch bestanden«, sagte Howlan. Die drei mussten hören, dass jemand kam und dennoch sprachen sie weiter. »Ja, Cas hat Vertrauensprobleme. Er hätte uns längst sagen sollen, dass er einen Verräter unter den Drachen vermutet oder unter Freunden, anstatt es für sich zu behalten. Ich denke auch, dass wir ihr vertrauen können. Nur Cas müssen wir noch davon überzeugen.«
     Das war Wren. Fero seufzte. »Man kann Cas bei so etwas nicht überzeugen. Denk doch nur an Sloan. Cas hat ihm lange nicht so getraut wie uns, obwohl er so wie wir dachte. Bis Sloan gegangen ist. Nur Covina kann ihn überzeugen. Mit Taten. Nur selbst dann könnte er noch Zweifel hegen. Cas ist kein leichter Mitmensch, aber für seine Art lieben wir ihn ja auch.« Kurz hielt ich inne, da ich sie nicht stören wollte. Überhaupt nicht stören.
Deswegen entschied ich mich dazu, an der offenen Tür vorbei zu huschen und weiter zu laufen. Meine Gedanken drehten und drehten sich, während ich die Gänge entlang lief. Auch hier benutzte ich meinen Orientierungssinn, um zu meinem Zimmer zurückzufinden. Das, was Cas gesagt und jetzt auch getan hatte, schwirrte mir noch immer im Kopf herum und beschäftigte mich. Was zum Teufel hatte das zu bedeuten? Warum war er so sauer geworden? Reichten meine Gründe in seinen Augen etwa nicht aus?
     Waren es schlechte Gründe? Waren es Gründe, die in seinen Augen nichts wert waren? Oder mochte er mich einfach nicht? Seufzend lief ich durch einen Gang nach dem anderen, bis ich mich in dem vertrauten Gang mit den Zimmern widerfand. Cas war ein Rätsel. Am Anfang hatte ich gedacht, es könnte leicht sein, ihn zu überzeugen. Jetzt war ich mir da nicht mehr sicher. Seufzend glitt mein Blick aus dem Fenster. Der reißende Fluss glitzerte im Licht der Sonne und gab einen schönen Anblick.
     Der kleine Wald dahinter verbarg aber die Aussicht auf das Meer, dass ich so gerne sehen würde. Schon seit meiner Kindheit liebte ich das Meer. Ich hatte es geliebt. Im Sommer war ich gerne dort hin geritten, um mir einen schönen Tag am Strand zu machen, fernab vom Hofe, wo alle diskutierten, ob eine Frau wirklich auf den Thron kommen sollte. Vor ein paar Jahren waren diese Diskussionen verstummt und sie schienen es zu akzeptieren, dennoch war ein Teil von mir nicht sicher, ob alle dieser Meinung waren.
     Diese großen Könige von früher hatten beschlossen, dass nur Söhne weiter erben konnten. Keine Frau. Doch das war Irrsinn. So viele von den anderen Kontinenten erzählten, wie gut es war, wenn mal eine Frau nach einem Mann an der Macht war. Mein Vater hatte lange gehadert. Natürlich liebte er mich, doch ich war ein Mädchen. Irgendwann hatte er sich überzeugen lassen. Vielleicht waren meine Hoffnungen, was den Krieg betraf, deswegen so hoch gewesen.
     Selbst jetzt glaubte ich noch daran, dass ich ihn überzeugen konnte. Dass ich sie alle überzeugen konnte, keine unschuldigen Wesen zu töten. Als ich daran dachte, wie Cas mich bei diesem Vorschlag ansehen würde, wurde mir mulmig zumute. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Nur für den Moment. Das Atmen fiel mir schwer. Eine kalte Hand schloss sich um mein Herz und drückte fest zu. Cas war niemand, den man leicht überzeugen konnte. Niemand, den man mit Worten überzeugen konnte.
     Doch mein Vater war jemand, den man mit Worten überzeugen konnte und an diesen Gedanken wollte ich festhalten. In meinem Zimmer angekommen legte ich mich aufs Bett, nicht ohne mir die Schuhe vorher abzustreifen. Stumm starrte ich an die Decke und versuchte noch immer zu verstehen, warum er so aufgebracht gewesen war, dass er sich in einen Drachen hatte verwandeln müssen. Stunde um Stunde verging, während die Sonne über den Himmel wanderte. Niemand kam zu mir, was vielleicht auch gut so war. Howlan hatte einmal vor meiner Tür angehalten, sich aber dann dazu entschieden, nicht hereinzukommen.
     Als die Sonne unterging und den Himmel in ein feuriges Rot tauchte, klopfte es an meiner Tür. »Es gibt gleich Abendessen«, vernahm ich Howlans Stimme von der anderen Seite der Tür. Mir fiel auf, dass ich nicht gegessen hatte. Irgendjemand hatte mir Essen auf den Tisch gestellt, was mir vorhin nicht aufgefallen war. Der Hunger war mir sichtlich vergangen. Doch jetzt, als Howlan das Essen erwähnte, dessen Geruch durch das offene Fenster meines Zimmers, von der Küche herangetragen worden war, verspürte ich doch einen Hunger.
     Eilig sprang ich auf und hastete zur Türe und zog sie auf. Er schenkte mir ein kleines Lächeln. »Wenn Cas schlecht gelaunt ist und es an dir auslässt, darfst du das nicht persönlich nehmen. Der Krieg macht ihm zu schaffen, da sein Vater ihn damals gebeten hat, dass der Tod seiner Eltern nicht umsonst war. Wenn wir jetzt sterben, war er wirklich umsonst aber Cas weiß nicht, wie er das alles verhindern soll. Er ist kein Diplomat. Er ist ein Krieger. Er kämpft bis zum bitteren Ende, ohne große Worte.«
     Mir war klar, dass Howlan versuchte mir Mut zu machen. Das tat er schon seit meiner Ankunft hier. Nur meine Hoffnung, dass Cas mir eines Tages glauben würde, war so klein und gering, wie ein einziges Sandkorn an einem ganzen Strand. »Man kann einen Krieg aber mit Worten verhindern«, erwiderte ich. Howlan lächelte leicht. »In deinen Augen, Vina. In seinen geht das nicht. Das letzte Mal, als wir versuchten sie mit Worten daran zu hindern, starben 60 Drachen. Sie zögerten keine Sekunde, obwohl wir nur reden wollten. 60 unserer Freunde, unserer Familie starben und seit dem möchte er vor dem Krieg nicht mehr reden. Entweder Krieg oder nichts.«
     Seine Worte waren wie Pfeile, die sich in mein Herz bohrten. Schrecklich. Was damals getan wurde, hörte sich so schrecklich an. Es tat mir im Herzen weh. So sehr weh. »Deswegen ist er da vorsichtig geworden. Aber genug davon. Es gibt Muscheln und noch ganz viele andere Sachen zu Essen, wir wollen es Fero doch danken, dass er heute wieder Muscheln gemacht hat«, sagte er und lief schon los. Muscheln. Das hörte sich gut an. Lächelnd folgte ich ihm und konnte es gar nicht erwarten, diese zu probieren.
     Mein Hunger geriet ins Wanken, als wir den Saal betraten und Cas an seinem Platz saß. Sein kalter Blick traf mich ein eisiger Wind und war so scharf wie eine Eisscholle. Schwer schluckte ich und sah ihn an. Er wandte den Blick von mir ab. Da er blickte ich ein Mädchen. Sie schien Wrens Schwester zu sein. Ihre Haut war genauso dunkel wie seine und die beiden unterhielten sich und lachten wie Geschwister. Nur ihre Augen... sie waren eisblau und ihre Haare so lang, dass sie unter der Tischkante verschwanden.
     Als sie mich erblickte sprang sie auf und kam auf mich zu. Ihre schwarzen Haare liefen wie ein schwarzes Meer bis zu ihrer Hüfte. Es glänzte im Licht der untergehenden roten Sonne. Bevor ich etwas sagen konnte, schloss sie mich in ihre Arme. Sie roch nach Rauch, Erde und Schnee. »Es freut mich, dich kennenzulernen, Covina«, hauchte sie und drückte mich sehr fest und sehr herzlich an sich. Überrascht erwiderte ich ihre Umarmung.
     Es war schön, bei jemanden willkommen zu sein. Doch ihre warme Umarmung konnte nicht die Kälte von Cas' Blick nehmen, der auf mir lag.

Dragon Heart ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt