30. Kapitel

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       Das Zwitschern von Vögeln weckte mich, sowie der Vertraute Geruch nach Rauch und Kiefern. Als ich blinzelnd die Augen aufschlug und sie schnell wieder zusammenkniff, da das Sonnenlicht so stark war, bemerkte ich eine Bewegung neben mir. Cas war neben mir. Das wusste ich sofort. Nachdem meine Augen sich so gut es geht an das Licht gewöhnt hatten, sah ich Cas an. Dunkle Ringe lagen unter seinen Augen, er wirkte müde und seine Haare waren zerzaust. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen war ein neuer Tag und ich lag in meinem Bett. In meinem Zimmer.
       Unverletzt. Sanft strich mein Gefährte über meine Wange. Der Schmerz in seinen Augen war so greifbar, dass ich mich binnen einer Sekunde daran erinnerte, was geschehen war. Fero war gestorben, mit vielen anderen Drachen. Blut. Ich war voller Blut gewesen. Ein Blick unter die Decke verriet mir aber, dass ich frische Kleidung trug. Mitunter anscheinend auch frische Leinen, die mein Blut stoppten. Der Schmerz in meinem Unterleib war nichts im Vergleich zu den bitteren Schmerzen in meiner Brust und nichts im Vergleich zu dem Verlust, den wir erlitten hatten.
    »Oh Gott, es tut mir so leid, Cas. So unendlich leid«, hauchte ich und richtete mich auf. Cas schenkte mir ein echtes Lächeln und drückte mich sanft an den Schultern wieder zurück in die weiche Matratze. »Überanstrenge dich nicht. Deine Energie muss sich regenerieren. Du hast sehr viel davon verbraucht und deine Regel wurde sehr stark. Ruh dich noch etwas aus.« Doch an Ruhe war nicht zu denken. In meinem Kopf schwirrten so viele Fragen. Viel zu viele davon. Sehr viele. Es war das reinste Auf und Ab. Immer weiter. Immer mehr. Bis ich das Gefühl hatte in den vielen Gedanken zu ertrinken. So schlimm war es bereits. Es wurde auch nicht besser, als Cas sanft über meine Wange strich und mich anlächelte.
      »Es muss dir Garnichts leidtun, Covina. Du hast mich aus dem Bann gerettet und die Meisten haben überlebt. Die Drachen aus Morrigan haben sich nur wegen dir uns angeschlossen. Sie haben gesehen, wie sehr du um Fero gelitten hast und sie haben wohl verstanden, dass gegenseitiges Bekämpfen nicht die Lösung ist. Du hast viele Leben gerettet, mein Drachenherz. Selbst die Feuerbringer haben überlebt. Der Leibgardist deines Vaters hat mir geholfen deine Mutter gefangen zu nehmen. Dein Vater ist bei uns in Sicherheit, aber auch in Ketten, da sie ihn noch immer kontrolliert. Wir hoffen einen Weg zu finden, das alles zu beenden, aber erst einmal musst du neue Kräfte tanken. Ich habe Frühstück für dich gemacht.«
      Cas deutete auf das Tablett, das auf dem Tisch in meinem Raum stand. Früchte über Früchte, Gemüse, Brot, Käse und Wurst lagen darauf, mit einem Krug, der voller Wasser zu sein schien. Er hatte sich sehr viel Mühe gegeben, dennoch blieb das Knurren meines Magens aus. So sehr ich auch das Knurren zurückwollte, es kam nicht. Es kam überhaupt nicht. Es blieb aus. In mir war diese furchtbare, bodenlose Nähe. Auch, dass er mich so liebevoll sein Drachenherz genannt hatte, machte es nicht besser. Tränen liefen meine Wangen hinab, ohne dass ich sie aufhalten konnte.
      Cas' Lächeln schwand und er zog mich sanft an seine Brust. Diese Leere in mir... die Trauer... diese Schwerer meiner Brust. Es fühlte sich an, als würden zenterschwere Steine auf meinen Schultern liegen und mich zu Boden drücken. Es war unerträglich. So unerträglich wie nichts auf der Welt. Es war kaum zu beschreiben. Diese Enge in meiner Brust, die mir die Luft abschnürte, der Kloß in meinem Hals, die brennenden Tränen in meinen Augen, das Beben, das meinen Körper erschütterte und mein Herz, dass so schwer zu sein schien, dass es jeden Moment eigentlich in meinen Bauch sinken sollte. Cas starke Arme umschlossen mich und versuchten mich zusammenzuhalten.
       Ich war so froh, dass es ihm gutging und gleichzeitig erinnerte es mich nur daran, was alles passiert war. Ihm ging es gut, doch einige waren gestorben. Etwas, was nicht hätte passieren sollen. Was alles passiert war, wusste ich nicht. Doch ein Teil in mir war nicht bereit zu fragen. Der andere Teil in mir wollte alles wissen. Und zwar so bald wie möglich. Trotz Kloß im Hals und trockener Kehle fragte ich: »Was ist alles passiert?« Meine Stimme war nur ein heiseres Krächzen, das selbst mich erschreckte. Es klang schrecklich.
      Cas drückte mich gleich noch einmal fester an seine Brust. »Deine Wut und Trauer haben sich als Feuer gezeigt. Dein Feuerdrache war so hell, dass er fast alle im ersten Moment geblendet hat. Dein Feuer breitete sich rasend schnell über die Ebene aus, erreichte sehr viele Ritter und Hexen. Die Drachen aus Morrigan erkannten, was sie getan hatten. Sie erkannten, dass es ein Mädchen gab, eine Prinzessin, mit dem Herzen eines Drachen, dass unglücklich war und für Drachen kämpfte. Sie erkannten, dass du besser warst als deine Mutter. Also stellten sie sich gegen die Hexen und Ritter. Damian überraschte deine Mutter und mich beim Kampf. Erst dachte deine Mutter, er würde ihr zur Hilfe kommen doch er sagte nur: „Das ist für ihren Vater." und dann versetzte er ihr einen Hieb, der sie bewusstlos machte.«
       Als ich mich verspannte, verstummte Cas kurz, dann fuhr er fort. »Viele starben, doch ein paar sind noch Gefangene. Viele wollen nur zu ihren Familien zurück, die Hexen versuchten über den Fluss zu fliehen, doch der Wasserdrache ließ sie nicht weit kommen. Dein Drache aus Feuer wurde schwächer und schwächer. Die Flammenumrisse flackerten immer mehr, bis sie verebbten und du bewusstlos wurdest. Das alles war natürlich eigentlich viel tragischer und es gab Gemetzel und Blutvergießen und verkohlte Körper aber das erspare ich dir lieber in der Erzählung. Das war nur so grob, was passiert ist.«
    Seine grobe Erzählung von dem, was passiert war, reichte mir bereits. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie viele verkohlte Leichen auf der Ebene lagen. Gestorben durch mein oder das Feuer der Drachen. »Und mein Vater ist auch ein Gefangener, weil er noch immer in ihrem Bann steht?« Meine Stimme war leise. Zaghaft. Ängstlich. Ich hatte Angst vor der Antwort. Cas nickte. »Wir wissen nicht, wie wir den Bann lösen sollen. Es gibt einen Weg aber... Tod ist nicht immer eine Lösung. Zwar würde es denn Bann lösen, aber ich weiß nicht, ob du ihren Tod willst.« Seine Worte lösten für einen Moment ein mulmiges Gefühl in mir aus.
     In meinem Magen rumorte es. Ich sollte nicht die Möglichkeit haben, über ihren Tod zu entscheiden. Niemand sollte das können und dennoch befand ich mich in dieser Lage. Ich wollte nicht, dass sie starb. Auf der anderen Seite war sie so verbissen, dass sie meinen Vater nie aus dem Bann entlassen würde. Sie würde so lange am Leben bleiben, wie sie konnte, was bedeutete, dass mein Vater vor ihr sterben würde, da er keine Energie aus dem Herzen eines Drachen in sich trug. Der Gedanke über das Leben eines Menschen zu entscheiden, machte mir im ersten Moment Angst.
       Ich gewöhnte mich einfach nicht daran. Schon gestern hatte ich es gehasst Menschen zu töten. Ich hatte es gehasst sie alle zu töten, egal wen von ihnen. Ein Blick auf meine Hände und schon sah ich das Blut, das sich dort aber eigentlich gar nicht mehr befand. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Nicht noch mehr Blut sollte an meinen Händen kleben. Schon gar nicht das meiner Mutter. »Ich möchte vorher mit ihr sprechen, bevor ich eine Entscheidung treffe.« Ich fragte nicht, ob das okay war, es war eine Feststellung. Obwohl ich insgeheim wusste, dass der Tod keine Lösung für mich war.
      Auch, wenn ich damit meinen Vater retten könnte. Es musste auch andere Wege geben, so einen Bann zu lösen. Niemand konnte mir sagen, dass es diesen Weg nicht gab. Niemand. Cas nickte und drückte mich noch einmal fester an sich. »Wie du es willst. Aber erst ruhst du dich aus und isst etwas. Das Essen kann dein Körper gut gebrauchen.« Er war so sanft zu mir. So gütig. Obwohl einer seiner besten Freunde für mich gestorben war. Erst starb sein Vater für mich, jetzt einer seiner besten Freunde. Diese Gedanken ließen mich in Tränen ausbrechen, die sich in Cas' Leinenhemd verfingen und es durchnässten.
       »Shh, Covina. Alles ist gut. Es ist vorbei«, hauchte er in dem Versuch mich zu beruhigen. Nur leider kam er damit nicht sehr weit. Jedenfalls nicht in meinen Augen. Seine Worte waren nur ein schwacher Trost. Es war vorbei. In der Tat. Für viele war das Leben einfach vorbei. Hemmungslos schluchzte ich in sein Oberteil und krallte mich fest. »Drachenherz... bitte nicht weinen«, wisperte er und strich zart über meinen Rücken. Seine sanfte Berührung schien nur nicht zu helfen. Es machte alles nur noch schlimmer. »Wegen mir hast du deinen Vater verloren und jetzt auch Fero. Wenn er mich nicht beschützt hätte, dann hättest du ihn jetzt noch«, schluchzte und ich fühlte, wie mein Herz vor Schmerz krampfte und eiskalt wurde. Diese Kälte in mir machte mir Angst. Dieser Schmerz war unerträglich und bodenlos. Ein Teil in mir wollte sofort wieder schlafen, um der Realität zu entkommen.
       Denn die Realität war dunkel und düster. Es gab kaum noch ein Licht und die Dunkelheit zog mich immer tiefer und tiefer. Selbst das letzte Licht drohte zu erlöschen. Nur dank Cas ging ich nicht ganz in der Dunkelheit unter. »Sag das nicht, Covina. Das stimmt nicht. Fero starb nicht wegen dir. Du hast ihn nicht getötet. Und vielleicht wärst du jetzt nicht da, wenn er es nicht getan hätte. Natürlich vermisse ich ihn und natürlich tut es weh aber... ich würde dich nie dafür hassen und du solltest dich auch nicht dafür hassen. Zudem haben wir das wegen meinem Vater schon geklärt. Er wusste, was er tat und er hat dir das Leben gerettet. Sein Leben war verwirkt. Er wollte ohne seine Gefährtin nicht leben und hätte es auch nicht tun können.«
       Obwohl ich es wusste, sträubte ein Teil in mir sich das zu glauben. Vielleicht, weil ich jemanden die Schuld geben wollte. Ich war dafür eine gute Person. Trotzdem wusste ein Teil in mir auch, dass wir nicht hier sitzen würden, wenn meine Mutter das alles nicht getan hätte. Sie war an all dem Schuld. Sie trug die Schuld und doch war es einfach für mich, mir die Schuld an Feros Tod zu geben. Als gäbe es nichts Einfacheres auf der Welt. Es war so einfach für mich, zu sagen, dass es meine Schuld war. Instinktiv wusste ich aber, dass es nicht allein meine Schuld war.
      »Du hast mich gerettet, Fero gerächt. Du hast mehr Leute gerettet, als gestorben sind. Mit uns zusammen. Dein Vater lebt, deine Mutter lebt, die Feuerbringer leben auch noch und Damian lebt auch noch. Was möchtest du also mehr? Wir haben den Krieg gewonnen, der Wasserdrache lebt ebenfalls noch und wir können zusammen sein. Warum versuchst du also dir die Schuld zu geben, wenn es so viele Dinge gegeben hat, die du getan hast, um uns zu retten?« Seine Worte ergaben Sinn. Sie brannten sich in meinen Kopf und blieben dort, bis ich sie glaubte. Ich hatte viele gerettet. Ich hatte dafür gesorgt, dass wir gewannen.
    Nicht allein, aber wenn ich ihnen nicht die Strategien der Ritter genannt hätte, würde es vielleicht anders aussehen. Es war überraschend, dass sie die Strategien nicht geändert hatten, aber vielleicht hatte meine Mutter einfach keine wirkliche Ahnung von Krieg. Überraschenderweise knurrte dann sogar mein Magen und ich stürzte mich über das Frühstück, dass Cas mir zubereitet hatte. Die ganze Zeit über beobachtete er mich, spielte mit meinem Haar, lächelte mir sanft zu oder strich einfach nur über meinen Kopf. Doch die Trauer in seinen Augen konnte auch das Funkeln in seinen Augen nicht vertreiben.
       Die Trauer blieb. Der Verlust nagte an ihm, doch er schien erleichtert zu sein, mich zu haben. Wir sprachen nicht viel. Das mussten wir auch nicht. Wir waren füreinander da. Wir beide mussten nicht das aussprechen, was mir dachten. Und doch lagen mir so viele Worte auf der Zunge. Es gab so viel, dass ich sagen wollte. Zum Beispiel, wie erleichtert ich war, dass ich ihn hatte retten können. Wie erleichtert ich war, dass es ihm gut ging. Wie erleichtert ich, bei ihm zu sein. Dass ich froh war, dass der Krieg vorbei war. Dass meine Angst um ihn ins Unermessliche gestiegen war. Es gab so viel, was ich Cas sagen wollte. Und doch schmiegte ich mich einfach nur an ihn, so fest ich konnte und sah ihn an. Er schenkte mir ein Lächeln und drückte einen Kuss auf meinen Kopf.
       So saßen wir in meinem Bett, bis wir uns zurücklegten und ich mich an ihn kuschelte. Stille umgab uns, während ich seinem pochenden, gleichmäßigen Herzschlag lauschte, der nur ab und an außer Kontrolle geriet. Das Gefühl, neben ihm liegen zu können war ein Privileg, dass ich gestern nicht mehr für möglich gehalten hatte. Es hätte alles anders laufen können und doch lag ich jetzt neben ihm, konnte seinem pochendem Herzen lauschen und mich in seinen Armen geborgen fühlen. Meine Träume schien erfüllt. »Ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich dich Drachenherz nenne. Ich habe gehört, dass deine Mutter dich so genannt hat und vielleicht magst du es deswegen nicht.«
      Langsam blickte ich zu ihm auf und strich über den dunklen Bartschatten, der sich mittlerweile an seinem Kiefer zeigte. Die Bartnadeln kratzten rau über meine Fingerkuppen, doch das störte mich nicht. »Es stört mich nicht, wenn du es sagst. Überhaupt nicht.« Cas lächelte und schloss die Augen. Auch ich schloss die Augen und zum ersten Mal seit ein paar Tagen kam ich wirklich zur Ruhe. So lange kannte ich Cas noch nicht, doch mittlerweile fühlte es sich wie eine halbe Ewigkeit an. Mittlerweile war ich davon überzeugt, dass die Gefühle nicht nur von dem Bund zwischen uns kamen.
       Sie waren real. Denn ich spürte, dass sie stärker waren, als vor ein paar Tagen noch. Sie waren auf natürliche Weise gewachsen, da sie von Herzen kamen. Das, was ich empfand, machte meine Gefühle stärker. Sie waren natürlich und nicht erzwungen, was ich ehrlich zugeben musste. Am Anfang hatte ich meine Zweifel, doch ich verstand jetzt, wo meine Energie erwacht war und ich das Band spürte, dass die Gefühle nicht nur von dem Bund zwischen uns kamen. Sie kamen, weil sie echt waren.
      »Aber geht es sonst allen gut?«, hakte ich nach. Cas öffnete ein Auge und nickte müde. »Ja. Es geht ihnen-« Er unterbrach sich selbst mit einem Gähnen, dann fuhr er fort: »Es geht ihnen gut. Ein paar Wunden und Verbrennungen, die aber nicht von dir kommen, aber sonst ist alles in Ordnung.« Dann schloss er sein Auge wieder und kurz darauf war er komplett still. Auch ich wurde schläfrig und ehe ich mich versah, schlief ich auch schon wohlbehütet in seinen Armen ein.

~*~

      Als ich das nächste Mal erwachte, war die Sonne schon ein ganzes Stück gewandert. Ihre warmen Sonnenstrahlen kitzelten meine Haut und die Wärme, die Cas ausstrahlte, machte es nicht besser. Es fühlte sich an, als würde ich direkt neben einer warmen Feuerstelle liegen. Dennoch wollte ich seine Arme nicht von mir lösen. Aber meine Blase drückte und mein Unterleib schmerzte. Zudem spürte ich Blut an meinem Schenkel entlanglaufen. So schnell ich konnte löste ich seine Arme von mir und war hellwach.
      Cas grummelte, wachte aber nicht auf. Eilig huschte ich in das kleine Bad, schloss die Tür hinter mir und kümmerte mich um das Problem. Eine halbe Stunde später war ich fertig und verließ das Bad. Cas saß halbwach im Bett und rieb sich über die Augen. Seine Haare waren noch zerzauster, sein Bartschatten wirkte fast noch dunkler. Sein Blick glitt zu dem Blutfleck, den ich hinterlassen hatte, doch er wirkte nicht so, als würde es ihn stören. »Ich frage mich wirklich wie du es geschafft hast mit Schmerzen im Unterleib zu kämpfen und zu siegen«, meinte Cas und sah mich an.
      Sein Blick war wach, aber noch immer gequält und traurig. Dennoch sah er munterer aus als zuvor und schenkte mir ein kleines Lächeln. Es schien ihn zu faszinieren, dass ich das mit meiner Monatsblutung geschafft hatte. Um ehrlich zu sein war ich ebenfalls überrascht, dass ich das geschafft hatte, ohne dabei umzukippen. Mit einem Schulterzucken lief ich zu dem Wasserkrug und schüttete mir Wasser in den Becher, ehe ich den kühlen Inhalt meine trockene Kehle hinunter goss. Cas sah mir dabei zu. Mit geschärten Sinnen nahm ich leise Stimmen in der Burg wahr. Viele schienen ebenfalls gerade eben zu erwachen. Es war anstrengend gewesen.
       Nicht nur für mich, sondern für uns alle. »Wurde er schon... beerdigt?«, stieß ich die Frage aus, die mich in meinem Unterbewusstsein immer geplagt hatte. Cas schüttelte sanft den Kopf. »Wir wollten auf dich warten. Außerdem waren viele zu müde. Er liegt in seinem Zimmer in der Burg. Wenn du möchtest, gehen wir hin.« Sein Angebot traf mich unvorbereitet, denn eigentlich wiederstrebte es mir, ihn in diesem Zustand zu sehen. Auf der anderen Seite könnte ich so noch einmal ordentlich verabschieden. Etwas unsicher sah ich Cas an, der langsam aufstand und auf mich zukam.
       »Wir müssen nicht. Du musst das nicht. Du hast ihn schon verteidigt und hast ihn sterben sehen. Du musst nicht an sein Totenbett, wenn du nicht möchtest, Covina. Er wäre sicher nicht böse. Auch er war nicht am Totenbett seiner Eltern, um sie so in Erinnerung zu behalten, wie sie waren. Du musst es nicht tun. Keiner hier zwingt dich zu etwas.« Sein Tonfall war so sanft. Er würde mir alles selbst überlassen. Jede Entscheidung. Er ließ mich nicht allein, aber er ließ mich jede Entscheidung selbst treffen, während er gleichzeitig stumm für mich da war.
      Das war mehr, als man sich erträumen konnte. Das war mehr, als mir lieb war. In dem Moment wurde mir klar, dass ich ihn liebte. Obwohl ich ihn nicht lange kannte. Es mochte verrückt klingen, doch ich konnte mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Er schien mich zu kennen und ich schien ihn zu kennen. Wir beide schienen uns schon sehr lange zu kennen und ich wusste, dass wir zusammenbleiben würden. Nicht, weil der Seelenbund uns zwang, sondern weil wir es gar nicht anders wollten. Erschöpft schmiegte ich mich an ihn. »Diese Entscheidungen treffe ich später...«
      Cas drückte einen Kuss auf meinen Kopf. Eine stumme Antwort, die mir sagte, als Worte es je konnten.

Dragon Heart ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt