15. Kapitel

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     Als ich mich umdrehte, stand Cas im Flügel der offenen Türen und starrte auf Conall und mich herab. Conall sprang sofort auf und sah mich an. »Es war schon mit dir zu plaudern, Vina. Ich bin froh, dass ich dir ein paar Fragen beantworten konnte. Wenn du Corvin erst einmal näher kennengelernt hast und er dich, bin ich sicher, dass er dir auch alle Fragen beantwortet.« Er schenkte mir ein ehrliches Lächeln und ging dann an Cas vorbei. Cas räusperte sich. »Conall?«
Conall blieb stehen und musterte den Mistkäfer, der es immer wieder schaffte, mir Schmerzen zu bereite und mir unter die Haut zu gehen. »Ich weiß, dass wir einen Verräter haben. Ich glaube ihr und ich glaube an sie und ich glaube auch an dich. Deswegen werden wir euch helfen. Morgen treffen wir uns auf eurer großen freien Fläche zum Training. Nach dem Frühstück.« Die letzten Worte waren ein Befehl und ließen keinen Raum für Widerspruch. Conall wandte sich ab und lief weiter.
     Cas sagte so leise, dass man es nur mit Drachengehör hören konnte: »Es tut mir leid, was ich damals über dich und Corvin gesagt habe. Das meinte ich nicht so und es war dumm. Natürlich wird es weiterhin Nachkommen geben und ihr seid ein süßes Paar. Ihr seid füreinander bestimmt und ich hätte nicht sagen sollen, dass das ein Fehler des Schicksals war.« Ich riss die Augen auf, als ich verstand, was Cas damals zu Conall gesagt haben musste. Und mir fiel noch etwas auf. Auch er sprach davon, dass die beiden füreinander bestimmt waren. Also gab es Seelenverwandte wirklich? Ich hatte immer gedacht, dass das eine nette Erfindung der Menschen war.
     Der Dunkelhaarige drehte sich zu Cas um und lächelte. Es war ein ehrliches Lächeln. »Ich nehme es dir nicht übel, Cas. Nach dem Krieg hatte jede diese Gedanken, dass wir Nachkommen brauchten, um nicht zu sterben. Für euch war es komisch, zwei Männer zusammen zu sehen. Das ist okay. Glaub mir. Du hast dich entschuldigt. Das nehme ich an. Schließlich weiß ich, dass du mit Howlan klarkommst.« Damit verschwand Conall die Treppe nach oben. Cas sah ihm nach und seufzte.
      Dann drehte er sich zu mir. Sein dunkler Blick traf mich bis ins Mark und ich erinnerte mich wieder daran, dass sein Vater das Leben für mich gelassen hatte. Schnell wandte ich den Blick ab und versuchte den Schmerz, der in mir aufwallte, zu unterdrücken. Er durfte mich nicht schon wieder überfluten. Das durfte ich einfach nicht zulassen. Doch der Schmerz flutete mich weiter und weiter. Mein Herz krampfte in der Brust und Scham stieg in mir auf. Er musste in mir die Mörderin seines Vaters sehen.
       »Ich werde deiner Beleidigung immer wieder gerecht, nicht wahr? Ich bin ein Mistkäfer«, gab er reumütig zu und ließ sich neben mich, dort wo Conall gesessen hatte, auf die Treppe sinken. Sein Geruch nach Rauch, Feuer und Kiefern hüllte mich ein. Ein flüchtiger Seitenblick verriet mir, dass Cas sich verlegen am Nacken kratzte. »Es tut mir leid, Covina. Ich hätte es dir vorher selbst sagen sollen. Ich bin ein ganz schöner Trampel dir gegenüber und das tut mir wirklich leid. Ich habe deine Gefühle verletzt.« Stumm nickte ich, da mir der Schmerz die Kehle zuschnürte.
Noch immer lagen getrocknete Tränen auf meinen Wangen. Wann sie aufgehört hatten zu fließen, wusste ich nicht mehr. »Deswegen bin ich so aus deinem Zimmer gestürmt nach der Bestätigung. Am Anfang war ich einfach nur misstrauisch, dann wollte ich dir vertrauen, doch die Geschichte mit dem Teddy ließ mich nicht los. Dein Teddy liegt übrigens noch auf dem Bett meiner Eltern, dort, wo ihn mein Vater gelassen hat. Im ersten Moment war ich sprachlos und geschockt. Ein Teil in mir wollte dich hassen, doch ich konnte es nicht. Dafür habe ich mich gehasst. Ich war nicht wütend oder gar traurig zu wissen, dass mein Vater sein Leben für dich gab. Stattdessen verstand ich, warum er es getan hat... es tut mir leid, Covina. Ich hätte es dir selbst sagen sollen. Allein, wenn niemand zuhört.«
     Noch immer schnürte mir der Schmerz die Kehle zu. Die Tatsache, dass mein Teddy noch auf dem Bett lag, trieb die Tränen in meine Augen und schon wieder rollten sie meine Wangen hinab. Auf der anderen Seite spürte ich Erleichterung, als er gestand, dass er mich nicht hasste. Doch ein Teil in mir wollte, dass er sauer war. Dass er mir sagte, dass ich ihn umgebracht hatte. »Covina«, hauchte Cas, als er meine Tränen bemerkte. Eilig wischte ich sie weg, doch da kullerten schon die Nächsten.
      »Sag doch die Wahrheit!«, fuhr ich ihn krächzend an. »Sag mir, dass ich Schuld bin!« Cas' Augen weiteten sich bestürzt, als Schluchzer meinen Körper schüttelten. Denn das fraß mich wirklich auf. Dass ein Drache sein Leben für mich gelassen hatte. Für ein Mädchen, dass ihm einen Teddy geschenkt hatte. War das sein Grund gewesen? Das war doch bescheuert. Ich war nicht besonders und hatte dieses Geschenk nicht verdient. Ich war hübsch und klug, aber besonders war ich nicht.
      Cas starrte mich an, sein Gesicht wurde bleich, als er sah, dass meine Brust sich in flachen Atemzügen hob und senkte. »Die Wahrheit? Ich soll dir die Wahrheit sagen?« Seine Stimme hörte sich so weit entfernt an, während meine Haut glühte und das Blut erneut in meinen Ohren rauschte. Dennoch nickte ich. Ich wollte die Wahrheit. Er sollte mir sagen, dass es meine Schuld war. »Die Wahrheit ist, dass wir Seelenverwandt sind.« Ich blinzelte. Einmal. Zweimal. Das Rauschen in meinen Ohren verebbte und ich spürte, wie ich ruhiger wurde. Dann lachte ein verrückter Teil in mir.
       »Netter Witz.« Cas schüttelte den Kopf. »Das ist kein Witz. Darüber macht kein Drache einen Witz.« Da war so viel Ernst in seinem Blick und das machte mir Angst. Dieser Ernst machte mir Angst, zeigte er mir doch, wie wahr seine Worte waren. Mir wurde schwummrig. »Du... ich... aber dann...« Ich sprang auf, doch bereute es, als schwarze Punkte vor meinen Augen tanzten. Er war mein Seelenverwandter und konnte mich deswegen nicht hassen. Er brauchte mich nur deswegen und nur deswegen konnte er mich nicht hassen, obwohl er mich hassen wollte.
Wankend trat ich eine Stufe nach oben. Weg von ihm, als könnte ich so den harten klauen der Wahrheit entkommen. Mein Körper schien sich bei jeder Bewegung zu sträuben und jeden Moment nachzugeben. Zwei starke Hände packten meine Hüfte und zogen mich an einen starken Körper. »Bleib sitzen, bis du dich beruhigt hast, Covina.« Obwohl die Worte ein Befehl waren, waren sie so sanft, dass ich fast wie von selbst zurück auf die Stufe glitt. Seine warmen Hände lagen sanft auf meinem Rücken.
      Fast schon, als hätte er Angst, seine Händen könnten mich in tausend Stücke teilen, wenn er nur fester zudrückte. Dabei wollte ich nicht zerbrechlich wirken. Nicht in diesem Moment. Doch die Gedanken von früher holten mich ein, die Blicke der Lords, die mir klar zu verstehen gaben, dass ich für sie unter der Erde mehr von Nutzen wäre. Dazu kam noch, dass ein Drache mein Leben rettete, aber meine Familie gegen die Drachen vorging. Sie wollten sie töten. Ohne noch daran zu denken, wer mich gerettet hatte.
       Ich schämte mich. Ich schämte mich für meinen Vater und die Leute aus meinem Volk, die die Drachen hassten und töten wollten. Ich schämte mich einfach und wollte, dass das einfach ein Ende nahm. Doch längst war kein Ende in Sicht. Ein Krieg stand bevor, obwohl ein Drache mein Leben gerettet hatte. Nur hatte ich das damals nicht gewusst. Stattdessen war ich so naiv gewesen zu glauben, ich wäre einfach geheilt. Wie durch ein Wunder. Das hatten meine Eltern mir erzählt. So glaubhaft sie nur konnten.
      Dabei war es kein Wunder gewesen, sondern ein Drache. Cas' Vater, der jetzt meinetwegen tot war. Ich hatte mich ja nicht einmal bei ihm bedankt! Geschweige denn etwas mitbekommen! Tränen der Wut schossen in meine Augen. »Covina... ich hasse dich nicht, falls du das denkst. Mein Vater hat es getan, weil er wusste, wie gütig du bist.« Ein bitteres Lachen stieg in meiner Kehle auf. »Du solltest mich hassen. Ich habe dir deinen Vater genommen! Ich bin nicht besser als alle anderen!«
       In dem Moment packte Cas mein Kinn und drehte meinen Kopf zu sich. Sein Gesicht verschwamm dank der Tränen vor meinen Augen. Ich erkannte ihn nur schemenhaft. Doch es reichte, um die Wut in seinen Augen zu erkennen. »Du hast ihn nicht getötet, Covina. Er wollte das aus freien Stücken. Niemand zwang ihn. Du warst ein unschuldiges Kind, das er retten wollte. Du bist nicht wie die anderen Menschen. Du bist ein Mädchen, dass einem Drachen seinen Teddy schenkte, weil er traurig war, du bist ein Mädchen, dass mich einen Mistkäfer nennt, mir aber trotzdem die Chance gibt, mich zu beweisen. Du bist ein Mädchen, dass aus den sicheren Mauern ihres Schlosses ausgebrochen ist, nur um kurz darauf allein durch einen Wald zu reiten und dann allein einen Berg zu erklimmen.«
      Ich wusste, dass seine Worte nett gemeint waren, doch... ein Teil in mir wollte ihm widersprechen. War ich denn besser, wenn ich seinen Vater nicht einmal gedankt hatte. Ich hatte nie hinterfragt, wie ich geheilt worden war. Niemals. »Du hasst mich trotzdem. Ich weiß es. Du hast mich so kalt angesehen. Hör auf, zu lügen.« Meine Stimme war ein reinstes Krächzen. Es war ein Wunder, dass er mich überhaupt verstand. »Ich hasse dich doch nicht. Natürlich war diese Information am Anfang schwer, aber sie war damals, vor zwölf Jahren viel schwerer, als er eröffnete, er würde gehen und ein Mädchen retten. Damals hörte ich nicht richtig zu. Deswegen wusste ich am Anfang nicht, dass du es warst. Damals war ich so damit beschäftigt wütend auf ihn zu sein, weil er einen Menschen retten wollte. Er wusste genau, dass er sterben würde. Damals war ich so sauer, dass ich nicht wusste, wen er rettete.«
      Er holte tief Luft. »Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen, wer du warst und wer dich gerettet hat. Als du den Teddy im Dachgarten erwähnt hast, bin ich schon ausgerastet und davon geflogen. Doch dann redete ich mir ein, dass es ein anderes Mädchen war. Dass das nicht du warst. Das klappte für ein paar Stunden, doch die Zweifel blieben, bis ich dich dann fragte. Aber glaub mir, ich hasse dich nicht. Im Nachhinein war es richtig, was er getan hat. Es war richtig, dich zu retten. Selbst, wenn wir nicht seelenverwandt wären, würde ich das sagen. Es war richtig, weil du unschuldig warst.«
       Mit einem dicken Kloß im Hals betrachtete ich ihn. Sein Blick war erstaunlich sanft und sein Daumen strich zart über meine Wange und wischte die kullernden Tränen weg. Dort, wo er mich berührte, schien meine Haut in Flammen zu stehen, als würde er das Feuer in seinem Blut auf meine Haut leiten. Mein Atem stockte, als er mir intensiv in die Augen sah. »Aber bin ich das wirklich? Jahrelang habe ich nichts getan. Zwar habe ich die Bälle boykottiert aber... aber das hat nie einen Unterschied gemacht. Ich habe nachts von Drachen geträumt und meine Mutter hat mir Geschichten erzählt und finde das alles faszinierend und schön aber... aber macht mich das unschuldig? Ich hätte mehr tun sollen... ich hätte-«
      Je wurde ich unterbrochen, als Cas mal wieder seine Hand über meinen Mund legte. Andere würden nur einen Finger auf meine Lippen legten, er benutzt die ganze Hand. Keuchend sah ich ihn an. »Damals warst du sieben Jahre alt und unschuldig. Ja, vielleicht hättest du später mehr tun sollen, aber du bist hier, oder nicht? Du bist durch die Mauer gegangen und sitzt neben mir. In deinen Augen ist kein Hass gegen mich, sondern gegen dich selbst. Das zeigt, dass du unschuldig bist und die Mauer recht hatte. Andere würden den Drachen zuerst die Schuld geben, bevor sie die Schuld bei sich selbst suchen würden. Doch du gibst dir die Schuld. Dabei trägst du gar keine Schuld in dir, Covina.« Die Art, wie er meinen Namen sagte war... wunderschön, jetzt da die Kälte daraus verschwunden war. Es klang wie ein Gebet.
       Und es ließ die Worte, die davor kamen, umso schöner klingen. Dabei glaubte ein Teil in mir nicht daran. Ein Teil in mir wollte nicht daran glauben, dass ich unschuldig war. Denn ich war doch schuld. Ich war mit schuldig. Vielleicht hatte ich niemanden getötet, aber ich hatte nie die Stimme erhoben, wenn jemand etwas gesagt hatte. Stattdessen hatte ich einfach den Ball boykottiert, als hätte das etwas geholfen.
       Wage erinnerte ich mich daran, mit acht Jahren etwas gesagt zu haben. Dafür wurde ich ausgelacht und die Lords kreideten meinem Vater an, er solle eine Thronerbin richtig erziehen. Eine Erbin, die Drachen für die Bösen hielt. Vielleicht hatte ich deswegen nie mehr etwas gesagt. »Sagst du das nur um nett zu mir zu sein? Weil, du hast immer so krasse Stimmungsschwankungen, dass man meint, du wärst eine Frau. Vielleicht schreist du mich morgen ja wieder an«, erwiderte ich und versuchte das Kribbeln in meinem Bauch, je länger er mich so intensiv ansah, zu ignorieren.
        »Ich versuche kein Mistkäfer mehr zu sein, Covina«, erwiderte er und als eine letzte Träne kullerte, strich er auch diese so zart weg, dass seine Berührung wie ein Lufthauch wirkte. Ein Lufthauch, der mir einen heißen Schauer über den Rücken jagte. Immer und immer wieder. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich ihn so ansah. Doch ehe ich noch etwas sagen konnte, drang ein Klingeln an meine Ohren. Cas wandte den Blick in Richtung Burg und lächelte. »Sie rufen zum Essen.«
       Seine Hand glitt von meinem Kinn und sofort spürte ich die kalte Luft an dieser Stelle ganz besonders. Stattdessen reichte er mir seine Hand, um mir aufzuhelfen. Als ich meine Hand in seine legte, spürte ich einen elektrischen Schlag, der durch meine Adern fuhr. Alles in meinem Körper kribbelte und das Feuer, dass in diesem Moment in seinen Augen aufloderte, schoss über meinen ganzen Körper. Seelengefährten. War diese Reaktion nur deswegen? Weil es so war? Hasste er mich nur nicht, weil ein Teil in ihm es nicht konnte?
      Würde er mich nur mögen, weil sein Drache ihm sagte, dass wir Seelengefährten waren? Vermutlich. Ich kannte mich mit diesem Thema nicht aus. Cas schien die unausgesprochenen Fragen in meinem Blick zu lesen. »Ich werde dir später mehr darüber erzählen, in Ordnung?« Ich nickte. Wenn ich etwas gesagt hätte, hätte mir vielleicht die Stimme versagt. Als ich auf die Beine kam, zog er mich sanft mit sich. Sein Griff gab mir Halt, denn meine Beine fühlten sich so schwach an, als würde ich jeden Moment umkippen.
      Bevor wir den Saal überhaupt erreichten, strömte ein angenehmer Duft durch die Gänge. Der Duft nach gebratenem Fleisch, Kartoffeln und anderen Dingen. Mein Magen gab ein lautes Knurren von sich, was Cas grinsen ließ. »Sie kochen weitaus besser als wir. Es wird dir schmecken.« Überrascht sah ich ihn an. Auch, weil das Grinsen auf seinen Lippen ungewohnt war, so wie der sanfte Ton in seiner Stimme. Es passte nicht zu dem Cas, den ich vorgestern kennengelernt hatte.
       Überhaupt nicht. Dennoch stellte ich fest, dass das hier Cas war. Der Cas, der seine Mauern einstürzen ließ. Der Cas, der bereit war, zu akzeptieren, dass er mir vertrauen konnte. So absurd das auch klang. Der Saal war bereits gut gefüllt, als wir uns näherten. Zu meiner Überraschung, als ich meine Hand aus seiner lösen wollte um die restlichen Meter allein zu gehen um ihm Erklärungen zu sparen, nahm er meine Hand fester.
      Etwas erstaunt sah ich ihn an, doch er sah mich nicht an, sondern lief auf den Tisch zu, an dem Conall, Corvin, Fero, Howlan, Nila und zwei andere saßen, die ich dann vermutlich für Sloan und... hielt. Cas und ich gesellten uns dazu und erst als ich saß, ließ er meine Hand los. Zu meiner Überraschung, nicht wie bei den Menschen, sah uns niemand neugierig an. Niemand kommentierte die Tatsache, dass Cas und ich händchengehalten hatten.
      Außer Howlan. Er grinste mich an und wackelte mit den Augenbrauen. Da er neben mir saß, rammte ich ihm meine Elle in die Seite, was ihn lachen ließ. Erst dann sahen ein paar zu uns und musterten Howlan und mich. Ich setzte ein kleines Lächeln auf und sah die Speisen vor mir an. Es schien Schweinefleisch zu sein mit gebratenen Kartoffeln und frischen Kräutern. Mein Magen knurrte erneut.
      Doch da niemand aß, aß auch ich nicht. Erst, als sich der Saal ganz gefüllt hatte, griffen alle zu ihrem Besteck und wünschten sich einen Guten. Fasziniert beobachtete ich das Spiel. Obwohl wir in unserem Schloss beim Essen zu normalen Zeiten viel weniger Leute waren, schafften wir es nie, auf andere zu warten. Ich schaffte das schon aber mein Vater und Damian auch nicht. Schnell verdrängte ich die beiden aus meinem Kopf, so wie die düsteren Gedanken, die Cas nicht ganz hatte zerstreuen können und aß.
     Während dem Essen besprachen Cas und Conall den Verlauf für morgen, während Corvin mich immer wieder musterte. Auch ich musterte ihn immer wieder und schenkte ihm ein Lächeln. Immer, wenn ich das tat, wandte er schnell den Blick ab und tat so, als wäre sein Essen furchtbar wichtig. Ich wusste, dass es nicht aus Unhöflichkeit war, sondern weil er schüchtern war. Das war okay. Während dem Essen und der guten Stimmung fiel es mir leicht, meine düsteren Gedanken zu vergessen und zu vergessen, was in mir schlug. Doch kaum machten wir uns auf den Rückweg, konnte ich es nicht mehr vergessen.
       Mit dieser Tatsache musste ich nun leben. Ich war ein Mensch mit der Energie eines Drachen in meinem Herzen. Ich war nicht mehr vollkommen menschlich. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Ich fand es nicht schrecklich, so zu sein. Nur die Art, wie ich so geworden war, fand ich schrecklich. Der Rückweg auf Howlans Rücken ließ mir etwas Zeit, mit meinen Gedanken allein zu sein. Dennoch spürte ich Cas' Blick auf mir. Ich war froh, dass er ein Drache war und nicht mit mir sprechen konnte.

Dragon Heart ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt