Schweiß rann meinen Rücken hinab und meine Brust hob und senkte sich in flachen Atemzügen. Cas und ich standen uns gegenüber und trainierten, etwas fernab der anderen. Fireheart stand nicht weit von mir weg, scharrte unruhig mit den Hufen und schnaubte immer wieder, rührte sich aber nicht. Cas und ich umkreisten uns, die Holzschwerter in der Hand. Wir trainierten seit Stunden. Mittlerweile war ich geschickt und wendig und schnell. Da ich im Bogenschießen sehr gut war, konzentrierte ich mich jetzt auf die Arbeit mit dem Schwert.
Das war gar nicht so leicht. Eigentlich war ich ganz gut darin gewesen, doch das Bogenschießen war meine wahre Stärke. Meine wahrhaftige Stärke. »Warum siehst du so müde aus?«, neckte er mich. In der Tat war ich müde. Heute Morgen hatte ich mich aus dem Bett gequält. Wirklich gequält. Ich hatte meine ganze Kraft aufbringen müssen, um aufzustehen. So schlimm war es schon gewesen. So schlimm würde es die nächsten Tage vielleicht noch sein. Am Anfang hatte ich leicht neben ihm schlafen können. In seiner Nähe hatte ich die Welt um mich herum vergessen.
Es hatte nur uns gegeben. Doch dann hatte er geschnarcht. So laut, dass ich aufgewacht war und er hatte einfach nicht mehr aufgehört. Egal, welche Haltung er eingenommen hatte. »Du hast geschnarcht!«, fauchte ich und ging auf ihn los. Er wusste es ganz genau, dass er geschnarcht hatte. Er war ja selbst deswegen aufgewacht. Cas wich mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen mit einer geschickten Bewegung an und grinste von einem Ohr zum anderen. Wütend starrte ich ihn an. Natürlich war ich nicht wirklich sauer auf ihn, schließlich war es ganz natürlich.
Genauso natürlich, wie das plötzliche Krampen in meinem Unterleib. Erschrocken hielt ich mitten in der Bewegung inne. Cas runzelte die Stirn, während ich betete, dass ich mich nur getäuscht hatte. Doch je länger ich innehielt und in mich ging, desto klarer wurde mir, dass ich mich nicht irrte. Ich irrte mich nicht. Da war dieses Ziehen in meinem Unterleib, dass meine rote Woche ankündigte. Vielleicht noch nicht heute, aber sicher morgen. Innerlich kochte Wut in mir auf. Ein Teil in mir wünschte sich, dass das nicht wahr war. Das es einfach nicht passierte.
Doch es geschah. »Was ist los?« Das Grinsen war von seinen Lippen gewichen und Sorge war in seine Augen getreten, wo zuvor noch der Schalk gefunkelt hatte. »Ich... ich denke, dass ich bald meine Regel bekomme...«, murmelte ich und verfluchte meinen weiblichen Körper dafür. Ich hasste es. Ich hasste es so sehr. Ich wollte das alles nicht. Es war dumm. So dumm. So unbrauchbar. »Bist du sicher? Vielleicht hast du einfach nur Bauchschmerzen«, versuchte Cas mich zu überzeugen, doch ich schüttelte den Kopf.
Davon wollte ich mich aber nicht hindern lassen. Ich würde kämpfen. Für sie alle. Egal, ob ich dort unten bluten würde. Egal, ob ich Schmerzen haben würde. Das war mir egal. Schmerzen würde ich vielleicht so oder so haben. Da Cas nun abgelenkt war, nutzte ich meine Chance, um ihn erneut anzugreifen. Überrascht stolperte er einen Schritt zurück, fing sich aber und parierte meinen Schlag mit einer Standhaftigkeit, die mich überraschte. Ein verruchtes Grinsen schlich sich auf seine Lippen.
»Aha. Da wolltest du wohl meine Sorge zu deinem Vorteil nutzen.« Ich zuckte mit den Schultern und ging erneut auf ihn los. Holz schlug auf Holz. »Und? Ist das falsch? Ich dachte, dass man das machen soll.« Cas grinste umzingelte mich weiter. »Ja. Das stimmt. Aber pass lieber auf.« Wir umkreisten uns weiterhin. Sein Blick war auf mich fixiert und ich hatte das Gefühl, als würde er jede Bewegung von mir voraussehen. Ihm schien es fast zu gelingen, mir jede Bewegung anzusehen. Er schien es wirklich überall zu sehen. Jede noch so kleine Bewegung. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals.
In seinen Augen sah ich die Instinkte eines Drachen auflodern, während die Energie seines Vaters durch meine Adern pulsierte und meine Sinne stärkte. Nur nicht genug, denn in der nächsten Sekunde setzte Cas zu einem Schlag an und traf so, dass ich zurücktaumeln musste, um zu Kraft zu kommen. Ehe ich mich sammeln konnte, ging er bereits wieder auf mich los. Ich versuchte mir meine Sinne, die ich bekommen hatte, zu Nutze zu machen, doch das war leichter gesagt, als getan.
Da sich meine „neuen Fähigkeiten" sehr lange versteckt hatten, fiel es mir schwer, sie mir zu eigen zu machen. Ich hörte, sah, roch und schmeckte besser, dennoch schien ich nicht gegen Cas anzukommen. Meine Schläge waren zwar stärker als sonst und schneller, aber er wich mir noch immer geschickt aus. Wenigstens schien ich mehr Ausdauer zu haben, als vorher. Meine Muskeln hatten an neuer Masse gewonnen und ich konnte mich gut bewegen. Dennoch spürte ich, dass Cas überlegen war.
In Stärke und Wenigkeit. Deswegen sah ich mir seine Bewegungen genau an und als ich ihn analysiert hatte, glich ich meine Bewegungen den Seinen an. Erstaunlicherweise klappte es. Denn schon bald erwischten mich seine Schläge nicht mehr so unvorbereitet wie erwartet. Im Gengenteil. Ich war gewappnet und ließ nicht zu, dass er mich angriff. Cas tat sich nun etwas schwerer und schon kurze Zeit später hatte ich den Dreh raus. Meine „Kräfte" halfen mir, alles in einem anderen Licht zu sehen. Es war gar nicht so schwer, wie es aussah. Als sich unsere Holzschwerter immer wieder kreuzten, war ich sehr stolz auf mich. Stolz darauf, es vollbracht zu haben.
Nachdem unzählige Minuten vergangen waren, gab Cas mir das Zeichen, dass wir eine Pause einlegen sollten. Erleichtert ließ ich das Holzschwert ins Gras fallen und sah zu Fireheart, der uns aufmerksam beobachtete. Seine Ohren zuckten und seine Augen schienen Cas und mich abzuscannen. Dann trat er auf uns zu. Die anderen wussten mittlerweile von seiner Anwesenheit, denn ich hatte es ihnen gesagt. Zu meiner Überraschung hatten sie nichts gegen ihn einzuwenden gehabt. Sie hatten nicht einmal versucht mich davon zu überzeugen, dass er schlecht für mich war.
Fireheart schnupperte erst an den Holzschwertern, die im Gras lagen, dann schmiegte er sich an mich. Lächelnd strich ich ihm über die Stirn. Die Adern in seinem Fell flammten golden auf und er peitschte mit dem Schweif hin und her. Cas trat zu mir heran und musterte Fireheart mit genauem Blick. Er schien sich unsicher zu sein, ob er der ganzen Sache trauen konnte oder nicht. Denn ich war mir nicht sicher, ob er das konnte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Natürlich war Fireheart ruhig und gelassen, aber dennoch schnaubte er drohend, als Cas noch näher trat.
Letztes hatte er ihn akzeptiert, jetzt schien es wieder anders zu sein. Der große Körper des Pferdes spannte sich an und er legte die Ohren an. Vermutlich sah er nur, was Cas getan hatte. Er hatte mit mir gekämpft. War auf mich losgegangen. In dem Versuch, Fireheart zu beruhigen, strich ich ihm über das Fell und wisperte ihm zu, dass Cas nicht der Böse hier war. Nach und nach entspannte sich der Hengst und ließ sich sogar von Cas streicheln. Die Pause verbrachten wir beide damit, ihn zu streicheln und ihm Äpfel zu geben. »Denkst du, dass er es versteht, wenn du ihm klarmachst, dass er in den nächsten Tagen nicht kommen sollte?«
Damit sprach Cas genau die Gedanken aus, die mich schon seit längerem belasteten. Gedanken, die ich immer wieder verdrängte. Die Pferde waren schlau. Das wusste ich. Sie würden sich nicht blicken lassen. Schon gar nicht, wenn sie ihre Artverwandten sahen, die auf den Befehl von Hexen hörten. Jedenfalls konnte ich mir das nicht vorstellen. Das wäre glatter Selbstmord. Vermutlich würden sie sich nicht zeigen. Doch bei Fireheart wusste ich es nicht. Er schien zu spüren, dass etwas nicht stimmte, denn er blickte immer wieder in die Richtung, in die auch die Späher flogen.
Als wüsste er genau, dass etwas im Anmarsch war. Als wüsste er, warum wir das hier taten. Jeder von uns schien ein bisschen Angst zu haben. Jeder von uns. Fireheart schien das zu spüren. Denn seit heute Morgen, als er überraschenderweise aufgetaucht war, wich er kaum von meiner Seite. Immer hatte er mich im Blick gehabt. So wie jetzt. Er hatte mich im Blick, die Umgebung, Cas' Hand, die auf meiner Hüfte lag und vieles mehr. Mit seinen Sinnen sah er sicher mehr, als ich mir vorstellen konnte.
»Ich hoffe es, Cas. Ich möchte nicht, dass ihm etwas passiert«, murmelte ich und strich dem Hengst über sein Fell. Fireheart sah mich an und in seinem Blick lag so viel Vertrautheit. Er vertraute mir in vollen Zügen. So sehr es mich auch ehrte, so große Angst machte es mir. Er vertraute mir, was bedeutete, dass er mich nicht allein lassen würde. Nicht einmal, wenn ich es ihm befahl. Dafür musste schon mehr passieren. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. »Ich möchte einfach nicht, dass ihm wegen mir etwas passiert, verstehst du? Ich will doch, das er ein schönes Leben hat.« Die Gefühle schnürten mir die Kehle zu. Tränen drohten in meinen Augen aufzusteigen, doch ich blinzelte sie weg. Fireheart schmiegte sich näher an mich.
»Ich schätze aber, dass du damit leben musst, Covina. Ich muss auch damit leben, dass du kämpfen willst. Ich möchte auch, dass du ein schönes Leben hast, aber es ist deine Entscheidung. Wenn du lieber mit den anderen und mir kämpfen möchtest, dann kann ich das nicht ändern. Du kannst auch seine Entscheidung nicht ändern.« Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen. Er hatte recht. So recht. Nur war einem das manchmal nicht bewusst. Ich war nicht besser als Fireheart.
Leider musste ich das zugeben. Nur wollte ich eben nicht, dass ihm etwas passierte. Jetzt verstand ich auch Cas' Gefühle mir gegenüber und der Tatsache, dass er nicht wollte, dass ich hier mitmachte. Er sorgte sich um mich. Nun verstand ich es besser. In dem Moment fegte eine kalte Brise heran. Wie von selbst sah ich zu den Bergen und erschrak. Dort, wo zuvor noch grün zu sehen gewesen war und brauner Stein, war jetzt ein Meer aus Schwarz zu sehen. Die Armee meines Vaters. Zahlreicher, als erwartet. Schneller, als erwartet. Das Herz rutschte mir in die Hosen.
Meine Kniee begannen zu zittern und ich spürte, wie mir eiskalt wurde, obwohl Fireheart und Cas neben mir standen. Cas hielt mich fest, als er das Zittern spürte, dass durch meinen Körper ging, Fireheart legte die Ohren weiter an und scharrte nervös mit den Hufen. Das, was ich dort sah, gefiel mir nicht. Es gefiel mir überhaupt nicht. Die Geräusche des Trainings der anderen verstummte plötzlich, als hätten auch sie das dunkle in den Bergen bemerkt. Sie alle hielten inne. Alle verstummten. Mir wurde flau im Magen und zum ersten Mal zweifelte ich an dem, was ich gedacht hatte. Ich zweifelte daran, dass ich meinen Vater überzeugen konnte, wenn er mit so einer Übermacht heranmarsschierte.
Eine große Übermacht an Männern. Frauen wurden unter den Rittern nicht zugelassen. Deswegen hatte er auch mir oft das Training verboten. »Das ist...«, murmelte ich ungläubig und blinzelte ein paar Mal. Viel zu oft, um ehrlich zu sein. Viel zu oft, da ich das alles nicht realisieren konnte. Da kamen sie. Schneller und mächtiger, als ich erwartet hatte. Cas neben mir spannte sich an. Die Angst war auf seine Züge gekleistert. So sehr, dass ich im ersten Moment nicht mehr wusste, wer neben mir stand. Cas hatte seine Angst noch sie so wahrhaftig gezeigt, wie in diesem Moment.
Er wurde ganz bleich im Gesicht, so dass seine Hautfarbe meinen bleichen Ton annahm. Sein Adamsapfel hüpfte stark, als er schluckte. Er holte tief Luft und sah zu mir. »Jetzt hast du noch eine Chance, dich ihnen anzuschließen«, presste er hervor. Ich wusste, dass er das nicht wollen würde und ich wusste, dass der mich nicht loswerden wollte. Cas wollte mich nur schützen. Diese Erkenntnis sorgte dafür, dass mir ganz warm ums Herz wurde. Sehr warm. »Ich gehe nirgendwohin. Zwar sind wir den Bund noch nicht eingegangen, aber ich werde alles dafür tun, damit das möglich sein wird. Du wirst mich nicht mehr los. Nie wieder«, brachte ich unter Tränen hervor. Fireheart schmiegte sich näher an mich und strich mit der Schnauze über meine Wange.
Die feinen Härchen daran kitzelten mich etwas, doch es konnte mir kein Lachen entlocken. Im Gengenteil. Ich starrte die Menge an, als sie näher und näher kam. Dann flogen Schatten über uns hinweg. Unsere Späher. Mit einem Mal verstand ich, was das hier bedeutete. Ich verstand, was das hier wirklich war. Wir trainierten für... den Krieg. Für eine Schlacht. Eine Schlacht, bei der man die Energie aus den Herzen der Drachen rauben wollte. Eine Schlacht, bei der man uns keine Chance lassen wollte. Angst packte mich. Unbändige Angst. Doch ich wollte nicht zulassen, dass sie an Kraft gewann. Ich konnte und durfte das nicht zulassen.
Niemals würde ich das zulassen. Dennoch zitterten meine Beine, mir war eiskalt und hatte das Gefühl, als hätte mich jemand geschlagen. Nein... nicht jemand. Die Realität hatte mich geschlagen. In den letzten Tagen war es leicht gewesen zu glauben, ich könnte meinen Vater überreden. Jetzt aber sah ich die Warnung und die Bedeutung seiner Männer. Er setzte ein Zeichen. Trotzdem wollte ein Teil in mir nicht aufgeben. Ich würde weiter daran festhalten. An meinem Plan.
Zehn Minuten später wurde eine Art Krisensitzung aufgerufen. Wir saßen im Kreis und alle lachten mich aus, als ich bei meinem Vorschlag blieb. Kaum jemand glaubte daran, dass ich ihn überzeugen konnte. Nur Cas, Fero, Howlan, Wren und Nila hielten zu mir. Nur sie. Mehr nicht. Das war mehr, als erwartet, aber auch nicht gut. Denn sie konnten die anderen auch nicht überzeugen. Sie alle starrten mich an, als hätte ich einen Knall. Vielleicht hatte ich das ja auch, aber es war zumindest ein Versuch, jedem diesen Kampf zu ersparen. Es war unsere einzige Möglichkeit.
»Bitte lasst es mich versuchen! Ich weiß, dass ich ihn vermutlich überzeugen kann. Wirklich!«, versuchte ich es erneut, doch sie sahen mich nur weiterhin so an, als hätte ich einen Knall. Als wäre ich naiv. Jetzt kam ich mir wieder wie eine Prinzessin vor. So sahen sie mich an. Wie ein Mädchen, das keine Ahnung vom Krieg hatte. Die letzten Tage hatte ich ihnen immer wieder gesagt, was diese Ritter konnten und wie wir vorgehen sollten. Doch wenn ich davon sprach, auf einen Kampf zu verzichten, wollte niemand mehr auf mich hören. Natürlich war diese Vorstellung töricht.
Gar naiv. Das wusste ich. Doch es war ein Versuch wert, den ich nutzen wollte. Sie alle stritten sich, schrien sich an, fauchten, hatten Angst und wurden lauter und lauter. Bis Corvin genug hatte. »Genug! Hört endlich auf damit und hört ihr zu. Ihre Idee könnte zumindest dafür sorgen, dass uns nichts passiert! Wollt ihr so dringend kämpfen oder geht es hier nur um dumme Rache? Vergesst nicht, die wahren Täter waren anscheinend schon immer die Hexen. Nicht die Menschen. Außerdem sind die Menschen, die unsere Magie wollten, entweder tot, denn es waren nicht viele Menschen, die unsere Magie bekamen. Also hört endlich auf!«
Alle starrten ihn überrascht an. Mit mir eingeschlossen. Seit den paar Tagen, in denen ich Corvin kannte, hatte er kaum gesprochen. Doch jetzt, da er mal gesprochen hatte, wurden alle still und starrten ihn an. Dann sahen sie mich an. Viele von ihnen murmelten Entschuldigungen und sahen es tatsächlich ein, dass es vielleicht doch eine gute Idee war.
Und so kam es zu einem Plan. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich nur noch nicht, in welche Richtung das alles gehen würde.
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Dragon Heart ✔
FantasyDrachen wurden damals für die Energie in ihren Herzen gejagt, die Menschen dazu verhelfen kann, länger zu leben. Bis die Drachen mit Hilfe der Hexen eine Mauer zogen, die alle tötete, die unehrliche Absichten hatten. In all der Zeit hat niemand es g...