17. Kapitel

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  Wren ließ mir keine Verschnaufspausen. Mein Training begann bei ihm. Wendigkeit. Meine Brust hob und senkte sich in flachen Atemzügen, Schweißperlen liefen mir an den Schläfen hinab und Hitze wallte in meinem Körper wie Lava. Der Hunger war komplett vergessen. Der Apfel war noch immer in irgendeiner Tasche, doch das war mir egal. Ich hätte ihn vermutlich nur wieder ausgekotzt. Mit Wren zwischen den Bäumen zu trainieren war alles andere als leicht, wenn man seit Ewigkeiten schon nicht mehr trainiert hatte. Mir war keine Zeit geblieben, Cas und die anderen näher zu betrachten. Cas hatte mir gesagt, dass ich mit Wren als erstes trainieren würde.
      Wren war so flink mit den Beinen, dass ich glaubte, er hätte Beine aus Gummi. Er war so wendig wie eine Schlange. Er wandte sich um Bäume herum, als wären sie Luft, parierte meine Schläge mit dem Holzschwert als wären auch diese aus Luft. Nicht nur ich trainierte. Alle Drachen trainierten. Sie flogen über den Himmel, drehten und wandten sich, machten Loopings, taten so, als würden sie Feuer spucken und kämpften mit den anderen Drachen.
    Der Boden und die Luft waren voller Drachen. Als ich Cas und Howlan erblickte, die sich ein Duell mit Zähnen und Klauen lieferten, hielt ich erschrocken inne. Diesen Moment nutzte Wren um mir zu entwischen, sich wendig von hinten anzuschleichen und mich kurz darauf auf den Boden zu reißen, während Cas und Howlan nacheinander schnappten. »Du darfst dich nicht ablenken lassen, Vina. Die beiden werden auch im Kampf kämpfen, da kannst du dich nicht ständig nach ihnen umsehen«, ermahnte mich Wren und half mir auf.
    Den Aufprall auf den Boden hatte ich gar nicht richtig mitbekommen, zu beschäftigt war ich damit gewesen, Cas und Howlan zu beobachten. Die dichtbewachsenen Baumkronen erschwerten mir die Sicht und doch sah ich genug. Wren hatte recht. Davon durfte ich mich nicht ablenken lassen und doch spürte ich die Klauen der Furcht, die sich in mich gruben und ihr Gift in meinem Körper verströmten, dass mich zu lähmen schien. Ich konnte mich nicht bewegen. Denn ich wusste, dass es in ein paar Tagen real sein würde. Dass es in ein paar Tagen keine Übung mehr sein würde.
     Irgendwann würden die beiden wirklich kämpfen. Meine Kehle schnürte sich zu, als zwei Hände mich packten und mich wirsch hochzogen. Wren schüttelte mich. »Du musst trainieren. Nur so kannst du uns helfen. Du hilfst uns nicht, wenn du angsterfüllt nach oben starrst und Angst um sie hast.« Seine Worten warfen scharf und fuhren mir durch Mark und Knochen. Cas schien meinen Blick zu bemerken, denn für eine Sekunde brannte sein Blick auf mir, dann widmete er sich wieder Howlan.
      »Cas ist zwar dein Gefährte aber das darf dich nicht kümmern. Ich weiß, dass es schwer ist, aber wenn du uns eine Hilfe sein willst, dann musst du kämpfen, auch, wenn Cas das nicht möchte.« Bei Wrens Worten runzelte ich die Stirn. »Du weißt, dass Cas und ich...« Wren nickte. »Er hat es uns gesagt, als du schon geschlafen hast.« Nun nickte ich. »Und warum ist Cas dagegen, dass ich kämpfe?« Obwohl mein Plan in erster Linie noch immer daran bestand, meinen Vater mit Worten zu Vernunft zu bringen.
      »Er fürchtet abgelenkt zu sein, wenn dir etwas passieren sollte. Cas ist einer der besten unter uns. Wenn er abgelenkt ist, ist das für alle schlecht.« Seine Worte ergaben Sinn. Auch ich war abgelenkt, wenn die Leute kämpften, die ich mochte. Obwohl ich sie alle noch nicht lange kannte, hatte ich sie ins Herz geschlossen. Nila, Wren, Fero, Howlan und sogar irgendwie Cas. Alle hatten mich gut aufgenommen.
      Cas am Anfang zwar nicht, doch auch er hatte mich aufgenommen in den engen Kreis seiner... Familie. Denn das waren sie für mich. Eine Familie. Diese Gedanken gruben ich in mir fest. Doch genau für sie durfte ich mich nicht ablenken lassen, selbst wenn sie sich in den Kampf stürzten und verletzt wurden. Ich musste weiter kämpfen. »Vielleicht wäre es gut, wenn ich mich verwandeln könnte und den Drachen in mir endlich rauslassen kann«, keuchte ich und versuchte zu Atem zu kommen, während dieser kleinen Pause, die ich mir eigentlich nicht gönnen konnte.
      Im Kampf würde ich sie mir auch nicht gönnen können. »Zwing dich nicht dazu. Es sollte ausreichen, wenn du mit Pfeil und Bogen und dem Schwert umgehen kannst. Außerdem reicht es auch aus, wenn du uns sagst, wie sie kämpfen. Das hilft allen sehr.« Wren ging wieder in Kampfhaltung. Ich nickte und hob das Übungsschwert. Schon ging es weiter durch den dichten Wald. Wenigkeit zu üben war nicht so schlecht, wie es sich anhörte.
      Es würde helfen, fliegenden Pfeilen oder gar Schwerthieben mühelos auszuweichen. Nur meine Muskeln, die eingerostet waren, protestierten nach einer weiteren Stunde schmerzen. Wütend biss ich die Zähne zusammen und verfluchte mich dafür. Doch als meine Beine zitterten und das Schwert in meiner Hand ebenfalls, ging Wren mit mir zurück. Ich hasste mich dafür, so untrainiert zu sein. Ich hasste meinen Vater dafür, dass er mir das Trainieren verboten hatte.
      Erschöpft lehnte ich mich an einen Baum und griff blind nach dem Wasserschlauch, den Wren mir hinhielt. Bedächtig trank ich nur einen kleinen Schluck, denn wenn ich zu gierig trinken würde, würde mir das Trainieren nur noch schwerer fallen. Unerschüttert kämpften die Drachen weiter und wirkten nicht müde. Sie waren so stark. Stärker als ich. »Ich bin erbärmlich, oder?«, fragte ich Wren, während meine Glieder es mir stumm dankten, eine Pause zu bekommen. In dem Moment glitt ein großer Schatten über mich hinweg. Cas landete vor mir. Er verwandelte sich nicht zurück.
      Vorhin hatte er mit dem Schwert gekämpft. Eine gute halbe Stunde lag. Er war gut. Gut genug, um auch als Mensch zu überleben. Wren schlich sich davon, während Cas seinen Kopf auf seine großen Pranken legte und mich ansah. Wachsam. Neugierig. Sein Blick war hellwach, während ich nur müde blinzelte und nach dem Apfel in der Tasche suchte. Cas leistete mir stumm Gesellschaft. Eine Geste, die ich sehr zu schätzen wusste. »Wren hat gesagt, dass du nicht willst, dass ich kämpfe.« Cas Blick schnellte zu seinem Freund, der sich zu Conall und Corvin gesellt hatte, die ebenfalls eine Pause zu machen schienen. Dann sah er zu mir und nickte kurz.
     »Und wenn ich sage, dass ich auch nicht will, dass ihr kämpft? Denkst du, dass ich das toll finde würde, wenn euch etwas zustoßen würde?« Cas schnaubte, als wären meine Worte nicht das Gleiche. Ich rollte mit den Augen. »Das ist schon das gleiche, du Mistkäfer! Egal ob ihr Drachen seid oder nicht, wenn euch was passieren würde, dann könnte ich auch nicht mehr klar denken. Deswegen werde ich kämpfen und du auch. Verstanden?«
      Mein Ton ließ keinen wirklichen Raum für Widerspruch. Cas stieß ein, wenn auch widerwilliges, zustimmendes Grollen aus. Triumphierend lächelte ich. »Ich verspreche, dass ich auf mich aufpasse.« Das war ein Versprechen, dass ich halten würde. Ich würde auf mich aufpassen. Ich konnte aber nicht versprechen, nicht verletzt zu werden. Cas musterte mich wachsam. In seinen echsenartigen Augen, die einen sanften Glanz annahmen, las ich die Antwort, die er nicht sagen konnte: „Ich verspreche, auch auf mich aufzupassen." Das war mehr, als ich erwartet hatte.
      Nachdem ich den Apfel verschlungen hatte und die Sonne mir Wärme gegeben hatte, die meine Glieder wieder wach hatte werden lassen, stand ich auf. Cas beobachtete mich, rührte sich aber nicht. Lächelnd ging ich auf ihn zu. Warum, konnte ich nicht wirklich sagen. Eigentlich war da noch immer eine Kluft zwischen uns. Wenn ich ihn ansah, musste ich daran denken, dass sein Vater für mich gestorben war, doch da war noch mehr als das.
     Da war ein Band zwischen uns. Vermutlich spürte ich es nicht so stark wie er aber, aber ich spürte es. Es zog an meinem Herzen, zog mich zu ihm heran und verdrängte die bösen Gedanken an seinen Vater aus meinem Kopf. Stattdessen setzte ich mich noch etwas müde neben ihn und lehnte mich an seine warmen Schuppen an seinem Vorderbein. Cas linkes Augen beobachtete mich wachsam. Dennoch war da ein Funkeln in seinen Augen, aber auch Tadel. Ich konnte mir keine Pause erlauben.
      Das wusste ich selbst zu gut. Dennoch schmiegte ich mich an ihn. Genoss die Wärme, die er ausstrahlte. »Nur kurz«, murmelte ich müde. Cas stieß die Luft aus seinen großen Nüstern, bewegte den Kopf in meine Richtung schloss die Augen. Eine stumme Bestätigung. Lächelnd schloss auch ich die Augen und spürte, wie ein Teil in mir zur Ruhe kam. In der vergangenen Nacht war ich nicht zur Ruhe gekommen und jetzt spürte ich die Müdigkeit tief in meinen Knochen. Die Augen nur für einen Moment zu schließen war alles, was ich in diesem Moment gebraucht hatte, alles, was mir wichtig gewesen war.
      »Was denkt ihr, was ihr da macht, hm? Das ist kein Schlaftraining für Turteltäubchen. Na los, hebt eure müden Knochen, ihr Faulpelze!« Howlans Stimme hallte in meinen Ohren laut wider. So laut, dass ich kurz ein Klingeln hörte. Wütend öffnete ich die Augen und... knurrte. Nein, nicht ich knurrte, sondern Cas. Er knurrte seinen Kumpel an. Howlan lachte. »Was denn? Du bist nicht dazu hier, um neben ihr zu schlafen, wie ein treudoofer Köter, Cas! Sieh dich doch mal an. Liegst brav am Boden, neben ihr, die Augen geschlossen als wäre nichts. Na los, heb deinen Arsch hoch.«
      Cas grollte, stand aber auf. Seufzend erhob auch ich mich und wischte mir das Gras von der Hose. Schon jetzt sehnte ich Cas' Wärme herbei und die Ruhe und den Frieden, den ich für eine Sekunde gehabt hatte. Es wäre auch zu schön gewesen, einfach zu schlafen. »Und du junge Dame, du kannst ihn nicht zum Schlafen verführen, ja? Er kann dir ja doch keinen Wunsch abschlagen.« Ich sah Howlan an. »Junge Dame? Warum sprichst du so mit mir, als wärst du mein Vater?« Ein echtes und herzhaftes Lachen kam mir über die Lippen.
      »Ich bin viel älter als du, ja?« Ich rollte mit den Augen. »Das ist unfair.« Cas schüttelte seinen großen Kopf, trottete davon und erhob sich ein paar Schritte später in den Himmel. Wren kam wieder zu mir, weswegen mir keine Zeit blieb, Cas dabei zu bewundern, wie er majestätisch über den Himmel glitt, auf eine Gruppe zu, bei der er sich vermutlich anschließen würde. Wren und ich machten sofort weiter. Meine Muskeln protestierten nach ein paar Minuten wieder, doch ich ignorierte den beißenden Schmerz.
      Schlag für Schlag, Wendung für Wendung und Hieb für Hieb ignorierte ich es. Nach Wren war Howlan dran. Mit ihm übte ich, aus der Wendigkeit zusätzlich noch Schnelligkeit zu machen. Doch meine Knochen waren müde und mit jeder Minute die verstrich, wurden meine Schläge langsamer und langsamer, während die Sonne über den Himmel glitt. Nicht, dass es sonderlich warm war, doch in der Ledermontur kam man ganz schön ins Schwitzen, was die Sache nicht besser machte.
      Howlan allerdings gönnte mir keine Pause. Gnadenlos ließ er mich Schlag für Schlag ausführen, war aber meist schneller als ich. Doch auch im Kampf konnte ich mir keine Pause erlauben, deswegen kämpfte ich verbissen weiter. Als oben am Himmel sich die Gruppe an Drachen auflöste und viel zu eilig auf den Boden zuflog, hielten Howlan und ich inne. Meine Glieder atmeten erleichtert auf, während ich Angst verspürte, als ich Cas sah, der sich einen Weg durch das Getümmel bahnte und auf mich zusteuerte. Seine Flügel waren nur Schatten für meine Augen, so schnell flog er.
       Er landete vor mir und sah mich an. In seinen Augen stand die pure Angst. Fast hatte ich das Gefühl, er wollte mich mit seinen mächtigen Schwingen abschirmen vor dem, was kam. Als wolle er mich schützen. Die Panik in seinen Augen gefiel mir nicht. »Was-«, setzte ich an, doch die Stimme versagte mir, als ich das Entsetzen, die Angst und die Panik und sogar Wut und Verzweiflung in den Augen der anderen heranrasenden Drachen entdeckte.
      Einige von ihnen verwandelten sich bereits in der Verwandlung, andere verwandelten sich erst am Boden, doch die Emotionen in ihren Augen blieben. Mit einem hellen Leuchten verwandelte sich auch Cas vor mir. Aus Respekt wandte ich den Blick ab, aber wartete diesmal nur, bis er eine Hose trug. Für einen Moment saugte sich mein Blick an seiner Brust fest, die von einem feinen Flaum Haaren überzogen wurde. Dann riss ich mich von diesem Anblick los und sah in seine Augen.
      Den Sturm an Gefühlen den ich dort sah, ließ mich hart schlucken. »Mein Verdacht hat sich bestätigt«, presste er rau hervor, als er sich das Hemd überzog, dann das Lederwams. Seine dunklen Augen waren geweitet und seine Brust hob und senkte sich in flachen Atemzügen. Ehe ich ihn fragen konnte, hörte ich jemanden sagen: »Die Hexen... sie haben sich mit den Drachen aus Morrigan vereinigt und reiten mit ihren Feuerpferden voran! Sie werden gegen uns kämpfen!« Das Blut gefror mir in den Adern.
     Keuchend taumelte ich einen Schritt zurück. Nein... die Hexen... sie waren doch die Freunde der Drachen! Sie hatten die Mauer erbaut! Sie hatten ihnen geholfen... meine Knie wurden weich und meine Beine drohten einzuknicken. Cas starke Hand legte sich an meine Hüfte und ich wurde sanft an seine Seite gezogen. Sein Duft umhüllte mich, seine Hand gab mir Kraft und doch musste ich mich an seinem Körper abstützen, um nicht zu umzufallen. »Ich hatte nur nicht gedacht, dass die Hexen so weit gehen würden...«, stammelte Cas.
       Langsam ergab es Sinn, warum er mir nicht getraut hatte. Warum er dem Urteil der Mauer nicht getraut hatte. Er hatte befürchtet, der Verrat der Hexen hätte schon begonnen. Doch es ergab keinen Sinn, warum er es den anderen nicht gesagt hatte. Vielleicht hätte er dann schon länger etwas dagegen tun können. Meine Gedanken drehten sich, während alle um mich herum in Panik gerieten. Denn sie wussten, dass sie uns einkesselten. Sie kamen von allen Seiten und würden uns keine Fluchtmöglichkeit lassen. Auch durch die Luft nicht. Es gab... es gab kein Entkommen.
      Mein Herz schlug viel zu schnell in meiner Brust und Panik erfasste mich. Blanke Panik und Entsetzen. Ich verstand nicht, warum die Hexen das taten. Was hatten die Drachen ihnen getan und warum hatten sich die Drachen aus Morrigan mit ihnen vereinigt? Es war Conall, der die Stimme erhob. »Es bringt nichts, wenn wir jetzt alle in Panik geraten! Ich bitte euch, ruhig zu bleiben. Bleibt ruhig und denkt nach. Wir kennen die Kampftechniken der Drachen aus Morrgina und Covina kann uns sagen, wie die Armee ihres Vaters kämpft. Bleiben nur die Hexen, von denen wir nicht wissen, was sie planen. Wir müssen uns nur einen Plan ausdenken.«
      Er klang so zuversichtlich. Die Autorität in seiner Stimme beruhigte einen Teil in mir, löschte aber nicht alle Zweifel, die mich in diesem Moment überkamen. Sie strömten auf mich ein und projezierten die schlimmsten Bilder in meinem Kopf. Vor meinem inneren Auge sah ich Drachen stürzen und fallen, in die Fänge der Menschen. Ich wusste, dass mein Vater bald kommen würde. Etwas sagte mir das. Die Hexen würden uns auch bald erreichen.
      Die Zeit schien uns allen zu fehlen. Die Zeit, etwas zu erreichen. Die Zeit, uns vorzubereiten. Zusätzlich fehlten uns die Leute. Die Armee meines Vaters bestand aus über 50.000 Männern. Dazu kamen die Hexen mit den Drachen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und das Atmen fiel mir schwer. Noch nie in meinem Leben hatte ich solche Angst gehabt wie jetzt. Es war unerträglich. So unerträglich, dass ich nicht mehr wusste, wo hinten und vorne war. Ich wog unsere Chancen ab.
      Als ich hier hergekommen war, hatte sich das alles noch anders angefühlt. Ich hatte erwartet, den Krieg zu verhindern zu können, in dem ich die Drachen vorwarnte, nicht auf die Tricks der Ritter hereinzufallen, jetzt aber war ich mitten im Herzen des Krieges. Denn sie würden uns einkesseln. In der Welt gab es im nächsten Moment einen Ruck und ein helles Licht erleuchtete den Bergkamm in der Ferne, ehe er erlosch. Die Mauer war... aufgebrochen. So lange hatte ich diesen Tag herbeigesehnt, jetzt wünschte ich mir nichts anderes, als die Mauer wieder zu schließen.
      Die Mauer erlaubte der Armee meines Vaters über den Berg zukommen. Ein paar Tage würde der Berg sie vielleicht aufhalten, doch wer wusste das schon genau. Meine Gedanken drehten und drehten sich und ich hatte das Gefühl, jeden Moment zu fallen. Sie kesselten uns ein. Die Panik der anderen übertrug sich auf mich. Niemand blieb ruhig. Nur Cas hielt mich fest und sah eisern in die Ferne, als könnte sein Blick allein alle aufhalten.
      Lange sah ich ihn an. Hoffte, betete, dass alles wieder gut werden würde. Doch seine steinharte Miene verriet mir, dass nichts wieder gut werden würde. Nichts. Sie kamen und wir würden uns dem allen stellen müssen. Sein Blick glitt zu mir. Und das Feuer, dass ich heute Morgen noch in ihnen gesehen hatte, war erloschen. Das Feuer, dass in den Augen des Kriegers gelodert hatte, gab es nicht mehr. Da war diese bodenlose Leere, die sich nun auch in mir breitmachte.

Dragon Heart ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt