22. Kapitel

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     Irritiert sah ich Cas an, als käme er von einem anderen Stern. Als hätte er gerade einen komischen Laut von sich gegeben, der keinen Sinn machte. Denn das, was er gesagt hatte, ergab keinen Sinn. »Das stimmt doch nicht. Sieh mich doch an. Du vertraust mir doch. Also stimmt das nicht, was du gesagt ha-«, setzte ich an, doch er unterbrach mich sofort. »Ich vertraue dir aber nicht so, wie ein anderer es tun würde. Wenn ich das tun würde, würde ich mich nicht ab und an dabei erwischen, wie ich mir vorstelle, wie du in letzter Sekunde doch auf die Seite deines Vaters schwenkst, weil es sicherer wäre. Du könntest deinen Thron behalten und dann könntest du über so viel herrschen. Mit uns gehst du vermutlich in den Tod. Wenn ich dir wirklich vertrauen würde, würde ich das nicht denken. Ich würde gar nicht daran denken.«
      Ich blinzelte. Einmal. Zweimal. Verarbeitete seine Worte und doch wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Auf der einen Seite tat es weh, dass er so von mir dachte, dass er erwartete, ich würde den Thron wichtiger finden, als all das andere. Doch auf der anderen Seite verstand ich, warum Cas vorsichtiger war, als andere. Sein eigener Onkel hatte sich auf die Seite der Verräter geschlagen. Er hatte seine Familie sterben sehen und es waren kaum noch Drachen übrig geblieben. Manche brachten sich selbst um, anderen wurde die Energie aus den Herzen gezogen, andere wurden vorher umgebracht.
      Dass er gegen mich Zweifel hegte, verstand ich. Es war nichts Neues. Denn ich war ein Menschenmädchen. Na ja, vermutlich nicht mehr so menschlich wie in den ersten sieben Jahren meines Lebens, doch das war egal. Ich war immer noch die Prinzessin. Obwohl mir dieser Titel so egal war, wie nichts anderes auf der Welt. Es kümmerte mich nicht, denn schlussendlich war es nur ein Titel, dem man sich erweisen musste. Das tat ich in diesem Moment. Ich erwies mich, in meiner Hinsicht natürlich, als würdig. Doch ob ich den Thron nun besteigen würde oder nicht war mir egal, so lange ich mit dem, was ich tat, zufrieden war.
      »Das ist in Ordnung, Cas. Ich weiß, dass dein Vertrauen nicht von jetzt auf gleich so sein kann wie zuvor. Ich weiß, dass dein Vertrauen sehr unter anderen gelitten hat und ich weiß, dass du nicht beabsichtigst so zu denken. Dein Vertrauen, was du mir schenkst, reicht mir schon, so lange du es mir schenkst. Wie viel es ist, spielt noch keine Rolle. Ich vertraue dir und du mir und ich vertraue Fireheart und er mir. Die Grundlage einer Beziehung, egal in welche Richtung sie geht. Du hast angeboten mir deinen wahren Namen zu verraten. Das ist eine Ebene von Vertrauen. Das ist sogar ein großes Vertrauen. Wo ist also dein Problem?«
      Cas starrte mich an. Nun starrte er mich an als käme ich vom Mond. Das war okay. Denn ich wusste, dass er meine Worte erst einmal verarbeiten musste. Dann wurde sein Blick dunkler, die Fackeln im Gang warfen goldenes Licht auf sein Gesicht. Seine Züge wurden ernst. »Ja, aber ich habe daran gedacht, dass ich es dir doch nicht sagen würde, wenn du es wirklich hättest wissen wollen. Ich... mein Vertrauen ist nicht vollkommen vorhanden, wie du siehst. Ich weiß auch nicht, ob ich das je können werde, Covina. Vielleicht ist es besser, wenn du dich nicht mit mir-«, versuchte er mich zu überzeugen, doch diesmal unterbrach ich ihn.
      »Willst du mir etwa gerade sagen, dass das Schicksal die falsche Wahl für mich getroffen hat? Ist das jetzt dein Ernst, Cas? Wenn ich etwas gegen diese Entscheidung hätte, dann hätte ich das schon längst gesagt und würde euch sicher nicht helfen. Du bist keine schlechte Wahl. Und ich denke sogar, dass du die beste Wahl für mich bist.« Das Geständnis huschte mir so über die Lippen, doch es war die Wahrheit in meinem Herzen. Natürlich war er manchmal schwer, doch wenn ich ehrlich war, war Cas der Einzige, der mich so empfinden ließ. Cas konnte schwierig sein doch er war auch ein guter Mann.
      Er war ein Mann, der alles für die Leute tun würde, die ihm wichtig waren. Er war loyal, was eine sehr wichtige Eigenschaft war. Er würde sie alle töten, wenn es zum Kampf kam. Ich sah die Mordlust in seinen Augen. Er war bereit die Leute zu rächen, die gestorben waren. Für immer. Er sorgte sich um die Leute, die ihm wichtig waren. Obwohl sein Vater für mich gestorben war, hasste er mich nicht. Wenn er mich ansah, sah er mich. Nicht die Prinzessin. Nicht die Thronerbin. Er sah mich. Covina Warrick.
      »Ich bin keine gute Wahl. Ich bin ein Mistkäfer. Du wirst sehr oft leiden müssen und jetzt wirst du vielleicht auch noch gegen deine Familie kämpfen müssen und sterben musst du vielleicht auch. Wegen mir. Weil das Schicksal dich für mich und mich für dich ausgesucht hat. Dabei könntest du einen Prinzen heiraten und glücklich werden. Die teuersten Kleider tragen, auf Bällen bis spät in die Nacht tanzen un-« Weiter ließ ich ihn nicht kommen.
      Mit einem Ruck presste ich meine Lippen auf seine. Überrascht wich er einen Schritt zurück, legte aber geistesgegenwertig seine Hände an meine Hüfte und zog mich näher an sich. Meine Hände lagen an seinen Wangen und ich spürte seine Bartstoppel gegen meine Handfläche kratzen, doch das war mir egal. Es war ein schönes Gefühl. Nicht die Bartstoppel an meiner Hand, sondern seine weichen Lippen auf meinen. Die Welt um uns herum geriet in Vergessenheit. Es gab nur noch uns, in diesem Gang.
      Seine großen Hände lagen an meiner Hüfte, zogen mich näher an sich heran, unsere Lippen bewegten sich im gleichen Rhythmus zueinander, meine Gedanken drehten sich um ihn. Mein Körper schien in Flammen zu stehen und ich hatte dieses vertraute Gefühl von Freiheit. Alles kribbelte. Mein Bauch, meine Arme, mein Körper. Cas küsste mich so leidenschaftlich und gleichzeitig sanft, dass ich für einen Moment nicht mehr wusste, wo oben und wo unten war. Für einen Moment schien ich zu schweben. Es gab nur uns beide. In diesem Moment vergaß ich das Bevorstehende, die Leute, mit denen ich kämpfen würde und die Leute, gegen die ich kämpfen würde. Ich vergaß meine Herkunft, meine Eltern, alles um mich herum, außer Cas.
      Dieser Moment war intensiv. Diese Sekunden, Minuten waren alles, was ich hatte, alles, was ich brauchte. Ihm so nahe zu sein war das, was ich liebte. Das, was ich brauchte. In diesen Sekunden verstand ich das. Ich verstand, warum man ihn für mich ausgesucht hatte. Es ergab Sinn. Selbst jetzt, wo wir kein Wort sprachen, war es so, als würden wir uns verstehen, als könnten wir in die Tiefen der Seele des Anderen sehen. Für immer. Es war ein berauschendes Gefühl. Besonders, als er mich so nah wie möglich an sich heranzog und über meine Seiten strich.
      Mir war auf einer Seite so unerträglich heiß, auf der anderen störte mich das alles nicht. Stattdessen genoss ein Teil von mir es mehr als alles andere, genoss es, ihm so nahe zu sein, dass sich seine Hitze auf mich übertrug und dass ich sein Herz stark pochen hörte. In diesem Moment war das alles, was ich brauchte. Doch leider war das Schöne vorbei, als sich Cas von mir löste. Es war, als würde eine Blase platzen und wir würden in diesem Moment wieder in der Realität ankommen.
      Der Aufprall in der Realität war hart. Ich hatte bei diesem Kuss alles vergessen. Ich hatte die Sache mit meinem Vater vergessen, ich hatte vergessen, dass Cas' Vater mir sein Leben geschenkt hatte, ich hatte vergessen, was wir vielleicht übermorgen oder morgen gar tun müssten. Ich hatte es vergessen und kaum hatte Cas seine Lippen von meinen gelöst, fiel es mir wieder ein. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Cas atmete schwer und sein Herz donnerte wild in seiner Brust. In seinem Blick loderten Flammen, die ich Begierde und Leidenschaft zuordnen konnte.
      »Ist das eine neue Art, jemanden zum Schweigen zu bringen?«, hauchte er, die Hände noch immer an meiner Hüfte. Noch leicht benommen nickte ich. Cas grinste. »Das ist eine schöne Art mich zum Schweigen zu bringen. Wenn ich ab jetzt Mist reden sollte, dann darfst du das immer tun.« Nun lächelte auch ich ein klein wenig. Sanft löste Cas seine Hände von meiner Hüfte, nur um kurz darauf meine Hand in seine zu nehmen und mit mir davon zu gehen. Wir liefen durch die paar Gänge, die zu unseren Zimmern führten.
      Erstaunlicherweise steuerte er auf meins zu. Sein Zimmer hatte ich noch nie gesehen und er kam auch immer zu mir. »Und du denkst also wirklich, dass ich eine gute Wahl für dich bin?«, fragte er, als ich die schwere Tür öffnete und hineintrat. Cas folgte mir. Ich nickte. »Ja. Ich weiß, dass ich Prinzen haben könnte, aber die wollte ich noch nie. Die meisten von ihnen sind hochnäsig und sind der Meinung, dass eine Frau keine Rechte hat. Sie sind der Meinung, ich wäre so eine Art... na ja... Zuchtstute.«
      Bei meinem letzten Wort glomm Wut in seinen Augen auf. »Diese Prinzen sind nicht so toll, wie du vielleicht denkst, Cas. Die Mehrheit sind Arschlöcher. Genug davon habe ich auf Bällen kennengelernt. Sie waren unhöflich, sprachen nur über sich selbst und redeten davon, wie gut ihre Frau im Bett sein musste, denn das bedeutete gleichzeitig, dass sie viele Kinder gebären konnte. Ich will aber keine Puppe sein, in die ein Mann seine Samen pflanzen kann. Ich bin eine junge Frau und habe meine eigenen Rechte.«
      Cas lächelte. »Also ziehst du lieber einen Mistkäfer einem Arschloch vor?« Nun schlich sich auch auf meine Lippen wieder ein Grinsen. »Du kannst zwar ein Mistkäfer sein, aber wir wissen beide, dass du mich magst. Wenn du es nicht tätest, dann hättest du mich nicht so geküsst. Obwohl ich immer noch nicht ganz weiß, ob das nur von diesem Band zwischen uns kommt.« Bei meinen letzten Worten wurde sein Blick dunkler.
      »Diese Gefühle sind echt. Jeder von uns kann frei entscheiden, ob er seinen Partner mögen möchte. Natürlich habe ich von der ersten Sekunde an gespürt, dass wir Gefährten sind. Aber das bedeutet nicht, dass da sofort Gefühle im Spiel waren. Die Gefühle kamen nach und nach. Ja, vielleicht kommen sie schneller und stärker, aber sie kommen von selbst und nicht wegen diesem Band. Es gab schon Gefährten, die konnten nur Freude sein, andere haben sich gehasst und sind den Bund nie eingegangen.«
      Überrascht sah ich ihn an, da ich immer erwartet hatte, Gefährten müssten zusammenkommen und Gefährten müssten sich auf romantischer Basis zusammenfinden. »Also denk das bitte nicht mehr. Alles zwischen uns ist echt. So echt, wie es nur sein könnte«, hauchte er und drückte einen Kuss auf meine Stirn. Es erleichterte mich, doch es konnte die dunklen Wolken, die sich jetzt wieder über meinem Gemüt zusammengebraut hatten, nicht vertreiben. Denn in der Realität war es so, dass Cas nicht adelig war und meine Eltern eine Heirat nie erlauben würden.
      Was mich wieder zu dem Punkt brachte, dass ich vermutlich bald auf sie treffen würde und vielleicht sogar mit einem von ihnen kämpfen musste. Egal wie sehr ich die Gedanken fortjagen wollte, sie kamen immer wieder aus der dunklen Ecke, in die ich sie verbannt hatte. Immer und immer wieder. Fluteten meinen Kopf und ließen mir gar keine Wahl als ihnen zuzuhören. Nur am Rande bekam ich mit, wie Cas mich sanft zum Bett zog. Dann spürte ich, wie die Matratze unter unser beider Gewicht nachgab.
      Zusammen saßen wir auf dem Bett. Langsam kam die Müdigkeit, doch meine Gedanken erlaubten es mir nicht, Ruhe zu finden. Im Gegenteil. Sie rasten und rasten und rasten. Immer weiter. Immer schneller. Immer wilder. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als zuzuhören. Cas schien zu ahnen, was in mir vorging. »Du machst dich selbst kaputt, wenn du ständig daran denkst«, hauchte er und drückte meine Hand. Fragend sah ich ihn an. Er schenkte mir ein kleines Lächeln. »Und was soll ich deiner Meinung nach sonst tun? Lachend herumlaufen und fröhlich sein?« Meine Worte klangen härter als beabsichtigt, aber Cas schien das nicht zu stören. »Nein, aber du darfst auch nicht zu viel daran denken, denn es lenkt dich von den wesentlichen Dingen ab. Glaub mir. Ich habe Tage daran gedacht, was mein Onkel getan hat. Ich war unausstehlich und schließlich meiner Mutter und meiner Schwester keine große Hilfe. Ich bin zu oft im Kampf Risiken eingegangen, war aber mit dem Kopf nicht da. Ich war bei meinem Onkel und dadurch habe ich nicht so gekämpft, wie ich hätte kämpfen sollen.«
      Sein intensiver Blick brachte mich dazu, mich für einen Moment nur auf ihn zu konzentrieren und auf sonst nichts anderes. »Ich war miserabel. Ich kämpfte miserabel. Immer wieder dachte ich an meinen Onkel. Aber nie wirklich an den Kampf. Deswegen möchte ich, dass du dir nicht so viele Gedanken machst. Denk daran ja, aber nicht zu viel. Denn sonst friss es dich auf.« Bei seinen letzten Worten fragte ich mich, ob das nicht schon längst passiert war. Ich fragte mich, ob diese Gedanken mich nicht schon längst zerfressen hatten, denn so kam es mir in diesem Moment vor. Als hätten sie mich bereits zerfressen.
      »Und wie soll ich nicht daran denken?«, fragte ich leise. Cas lächelte leicht. »Wir könnten reden. Du kannst mir Fragen stellen, ich stelle dir Fragen.« Diese Art von Ablenkung war zwar nicht das, was ich erwartet hatte, doch ich nickte. Es war jedenfalls besser als ständig nur an die eine Sache zu denken. Kurz darauf streckten wir uns auf dem Bett aus. Cas bettete meinen Kopf auf seine Brust. So hörte ich sein Herz an meinem Ohr schlagen. Fest und wild. Sein Arm schlang sich um mich und gab mir das Gefühl von Sicherheit.
      Diese Sicherheit liebte ich mehr als alles andere. »Was ist deine Lieblingsfarbe?«, fragte Cas mich und spielte mit meinem Zopf zwischen seinem Zeige- und Mittelfinger. Ich lächelte. »Rot. Und deine?« Seine Bewegung stoppte. »So ein Zufall. Meine auch.« Nun lächelte ich leicht. Seine freie Hand glitt zu meinem Handgelenk. Dorthin, wo die Narbe war. Ich schluckte. Er wusste bereits, woher ich sie hatte.
      »Wieso ist die Narbe nicht verschwunden, als mein Vater dich heilte...«, murmelte er. Es schien keine Frage an mich zu sein, sondern eher eine allgemeine Frage. Ich zuckte mit den Schultern. »Wer weiß... hast du Narben?«, traute ich mich zu fragen. Er nickte. Zwar sah ich sein Nicken nicht, doch ich spürte es an meinem Kopf. »Ja, an meinem Rücken. Eigentlich sollten sie heilen aber es war ein merkwürdiges Feuer, dass auf meinem Rücken brannte. Jetzt ist mir klar, dass es ein magisches Feuer war. Es hat ein paar Narben hinterlassen. Eigentlich hättest du sie auf meinem Drachenrücken sehen sollen.«
      Verwirrt runzelte ich die Stirn, doch erinnerte mich nicht daran. Ich saß ja meist auf dem Übergang zu seinem Hals. Doch jetzt, wo er es sagte, war es mir schon so vorgekommen, dass ein paar Schuppen anderes ausgesehen hatten, als die anderen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich daran dachte, wie weh das hatte tun müssen. »Tun sie noch weh?«, fragte ich leise und sah zu ihm auf. Er schüttelte den Kopf und strich über meine Wange. »Nein, sie tun nicht mehr weh. Sie sehen zwar wirklich hässlich aus, aber sie tun nicht mehr weh.« Kämpfte er deswegen immer in dieser Rüstung? Die anderen hatten sich irgendwann ihrer Oberteile entledigt, weil es zu heiß geworden war.
      »Zeigst du dich deswegen selten mit freiem Oberkörper? Weil du sie hässlich findest?« Er lächelte ein trauriges Lächeln. »Nur Howlan, Wren, Fero und Nila wissen davon. Jetzt du. Sie sind wirklich sehr hässlich und ziehen sich fast über meinen ganzen Rücken. Die sollte niemand sehen müssen.« Ich hob eine Braue. »Darf ich sie sehen?« Cas schluckte. In seinen Augen lag ein Kampf, den ich verstand. Lange hatte ich mich für meine Narbe geschämt. Doch irgendwann war sie ein Teil von mir geworden.
      Außerdem war sie sehr klein und nur sichtbar, wenn man wirklich hinsah. Cas schob mich sanft von sich, richtete sich auf und zog sein Leinenhemd aus. Kaum war der weiße Stoff von seinem Körper verschwunden, entblöste er einen Rücken voller Brandnarben. Tränen traten in meine Augen, als ich ehrfürchtig meine Hand danach ausstreckte und darüber fuhr. Cas zuckte zusammen und eine Gänsehaut machte sich auf seinen Armen breit, doch er schreckte nicht zurück. »Ich hasse sie dafür, dass sie dir das angetan haben«, stieß ich erstickt aus. Tränen verschleierten meine Sicht, doch ich blinzelte, um seinen Rücken weiter zu betrachten.
      Es war nicht nötig zu sagen, seine Narben wären nicht so hässlich, wie er dachte. Es wäre eine Lüge. Doch sie verunstalteten Cas nicht. Nicht in meinen Augen. Natürlich waren sie hässlich. Wirklich sehr hässlich, doch Cas war noch immer Cas. Diese Narben waren ein Teil von ihn und änderten nicht, wie ich ihn sah. Was mich an den Narben störte, war die Art, wie sie entstanden waren. »Du sollst sie nicht hassen. Hass ist eine sehr intensive Emotion.« Er drehte den Kopf zu mir und erkannte meine Tränen. »Warum weinst du denn?«, fragte er leise, als könnte er es wirklich nicht verstehen.
      »Weil es Arschlöcher sind. Sie sind Egoisten und tun Drachen das an, nur weil sie ein längeres Leben wollen. Das ist nicht fair!« Nun rannen die Tränen in Strömen meine Wangen hinab. »Shh, nicht weinen, Covina. Ich lebe doch, oder nicht? Natürlich hasse ich diese Narben aber... aber ich lebe noch. Das ist ein Geschenk.« Das er es als Geschenk betrachtete, machte die Sache für mich nicht besser. Schluchzer schüttelten meinen Körper, Rotz floss aus meiner Nase und ich schniefte, was das Zeug hielt.
      »Covina...« Sanft schloss Cas mich in seine Arme und zog mich an seine Brust. Das Leben war nicht fair. Überhaupt nicht. Besonders nicht zu ihnen. In dem Moment wurde mir klar, dass ich gegen meine Familie kämpfen würde. Es würde hart werden, aber das hier... es musste enden. Drachen sollten nicht in Angst leben müssen, sondern in Freiheit. Menschen und Drachen sollten sich verstehen und zusammen leben. Ich würde gegen sie kämpfen, wenn ich musste. Für ihn. Für sie alle. Für seinen Vater, der mich gerettet hatte. Und für mich selbst.

Dragon Heart ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt