20. Kapitel

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     Eine siedende Wärme umgab mich, als ich erwachte. Vögel zwitscherten, etwas kitzelte mein Gesicht und ein schweres Gewicht lag um meine Hüften. Müde blinzelte ich gegen das Sonnenlicht an, dass durch das offene Fester fiel und brummte etwas vor mich hin. Als ich den Kopf drehte, erblickte ich Cas, der neben mir schlief. Die dunklen Wellen seiner Haare hingen im in die Stirn, die langen Wimpern warfen Schatten auf seine Wange.
      Sein Körper war wirklich warm. Etwas zu warm für meinen Geschmack. Die Decke und er wärmten mich etwa zu sehr. Dennoch brachte ich es nicht über mich, seinen Arm, der auf meiner Hüfte lag und seine Hand, die sich auf meinem Bauch einen Platz gesucht hatte, von mir zu lösen. Ein Teil in mir war erzürnt darüber, dass er einfach so neben mir geschlafen hatte, doch der andere Teil in mir freute sich darüber. Es war fast wie ein kleiner Segen, dass er neben mir schlief. Denn zum ersten Mal hatte ich mich richtig wohlgefühlt. Ich hatte richtig schlafen können, ohne dass mich dunkle Gedanken gequält hatten.
       In Gedanken versunken betrachtete ich sein markantes Gesicht, den dunklen Bartschatten, der mit jedem Tag dunkler wurde, seine Haare, die im Sonnenlicht natürlich glänzten. Nicht gar aus fettigen Haaren. Ich betrachtete seine Lippen, die einen Spalt offen standen, einen Moment zu lang. Doch als menschliche Bedürfnisse anfingen in meiner Blase zu drücken, löste ich seinen Arm von mir. Cas grummelte im Schlaf und griff nach mir, was mich lächeln ließ. Sanft legte ich seine Hand neben ihn aufs Bett und strich einmal darüber. Als ich das tat, spürte ich tief in meinem Inneren ein Kribbeln.
       Auch bei ihm schien es so zu sein, denn er öffnete seine dunklen Augen und schaute mich verschlafen durch die Haare, die ihm in die Augen fielen, müde an. Er blinzelte. Einmal. Zweimal. Dann richtete er sich hastig auf. »Es tut mir leid. Ich hätte nicht neben dir schlafen sollen. Ich habe dich nur ins Bett gelegt und dann... dann wollte ich nur sichergehen, dass du nicht mehr aufwachst und dabei... ich wollte dir keine Angst oder so machen. Wirklich nicht. Oh Gott, ich schwöre, dass ich nichts Böses im Sin-«, fing er an sich zu entschuldigen, doch ich lächelte ihn beruhigend an.
       »Cas, das ist schon okay. Ich bin nicht böse auf dich. Ich wollte nur mal... ähm die Örtlichkeiten benutzen.« Wieder blinzelte er. Seine zuvor angespannten Muskeln entspannten sich und er sank zurück in die Matratze. »Du bist nicht sauer?« Ich zuckte mit den Schultern. »Klar fragt man eigentlich vorher aber... ich weiß, dass auch du müde warst. Dein Körper hat das gebraucht. Meiner auch. Also bin ich nicht böse.« Ehe er noch etwas sagen konnte husche ich ins Bad, mir wohl bewusst, dass er mich vermutlich hören konnte.
       Doch ich schämte mich nicht, schließlich war er auch ein Mensch und musste ab und an aufs Klo. Nachdem ich die Hände in dem Krug Wasser, den ich gestern vor dem Essen hier hoch getragen hatte, gewaschen hatte, verließ ich das Bad wieder. Cas lag im Bett, die Augen geschlossen, doch er schlief nicht. Seine Brust hob und senkte sich nicht gleichmäßig. »Wir haben noch nicht darüber gesprochen, ob du das hier wirklich willst.« Mit diesen Worten öffnete er seine Augen und musterte mich. »Den Bund zwischen uns?« Er nickte. Ich seufzte. »Es ist etwas schwer in solchen Zeiten daran zu denken, meinst du nicht? Ich meine, was bringt es, wenn wir es tun und dann sterben? Oder wenn nur ich sterbe? Oder du stirbst? Wir würden beide nur starke Schmerzen haben. Oder gehst du davon aus, dass wir überleben?«
      Er richtete sich auf, sodass er mit dem Rücken am Bettgestell lehnte. »Hoffen kann ich ja mal, oder? Weißt du, dass Schicksal hat dich erst jetzt zu mir geführt. Jahrelang ließ ich Frauen unbeachtet, weil ich wusste, dass sie nicht meine Gefährtinnen waren und das unfair ihnen gegenüber wäre. Sie wussten es ja auch aber dennoch wollten sie ihren Spaß. Ich nicht. So bin ich nicht. Ich hatte nie Sex mit einer von ihnen, weil ich wusste, dass es nichts bringen würde. Und jetzt, wo ich dich gefunden habe, beziehungsweise du mich und du den alten Grießgram in mir verdrängst, soll ich dich verlieren. Soll ich das, was zwischen uns sein könnte einfach aufgeben... das ist mehr als unfair. Aber auf der anderen Seite würde ich es nicht anders machen.«
      Sein Geständnis drang tief in meinen Verstand ein und überraschte mich. Er würde nichts anders machen wollen und er war... Jungfrau. Cas war Jungfrau. Ich blinzelte. »Moment... du hattest nicht... also... wie...«, stammelte ich. Es überraschte mich einfach. Er war schon sehr lange auf dieser Welt. Länger als ich. »Nein, hatte ich nicht. Also nicht das ich nicht... andere Dinge getan hätte aber nein, ich hatte noch nie Sex.« Das er so offen darüber sprach, trieb die Röte in meine Wangen. Doch es beruhigte mich auch. Denn auch ich hatte noch keinen Sex gehabt und vermutlich hätte mich komisch gefühlt, wenn er schon so erfahren gewesen wäre.
»Aber was würde es bringen, wenn wir uns aneinanderbinden, wenn wir eh sterben?« Meine Stimme zitterte. Ich wollte nicht hoffen, dass wir überlebten. Cas stand auf und kam auf mich zu. Knapp vor mir blieb er stehen. Sein Duft umhüllte mich abermals. »Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gefragt, ob du es möchtest.« Ich blinzelte. »Selbst wenn... wir werden sterben...?« Schwer schluckte ich. »Wieso gehst du davon aus, dass wir sterben? Ich dachte, du willst deinen Vater überzeugen?«
      Seine Worte überraschten mich schon wieder. Heute schien der Tag zu sein, an dem mich viele überraschten. Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen. »Das heißt, du lässt mich mit ihm reden?« Seine Haltung war angespannt aber er nickte knapp. »Schlussendlich hättest du es ja so oder so getan. Da kann ich wenigstens davon wissen, falls etwas passiert.« Dankbarkeit und neue Hoffnung fluteten mich und reflexartig fiel ich Cas um den Hals. Seine Arme schlossen sich instinktiv um mich, als er einen Schritt zurücktaumelte. Ich war so froh, dass ich konnte ich niemanden sagen. Es war eine Chance, Blutvergießen zu vermeiden.
       Es war eine Chance, ihm diesen Plan auszureden. Es musste einfach klappen. Cas' Geruch umhüllte mich und sein Herz pochte wild gegen seine Brust. Mir wurde erst jetzt bewusst, wie nahe wir uns waren. Eigentlich hatte ich erwartet, dass sein Herz normal schlagen würde, doch das tat es nicht. Ich hatte immer erwartet, dass die Herzen der Drachen immer im gleichen Rhythmus schlugen, egal, was passierte. Doch das schien nicht der Fall zu sein. Es gab also viele Dinge, die ich noch nicht wusste.
      »Wieso glaubst du, dass wir überleben?«, wisperte ich leise. Eigentlich hätte er derjenige sein sollen, der es nicht glaubte. Schließlich war er in vielen Dingen eher pessimistisch und zurückhaltend. Er hatte schon lange geglaubt, dass es einen Verräter gab. Schon lange. Es hatte sich bewahrheitet und dennoch stand er hier und glaubte an unser Überleben. Er löste mich leicht von sich und sah mir intensiv in die Augen. In seinen Augen loderte das wilde Feuer der Entschlossenheit.
       »Ich habe etwas, für das ich Überleben will. Wenn das hier passiert wäre und ich hätte dich nicht gekannt, dann wäre es mir vermutlich egal. Jetzt ist es mir nicht mehr egal und ich werde auch so kämpfen. Wenn ich dich nicht vorher getroffen hätte, würde ich in ein paar Tagen vermutlich miserabel kämpfen und verlieren. Wir alle würden verlieren. Aber du bist hier und obwohl du manchmal noch immer denkst, dass ich dich nur wegen dem Bund zwischen uns mag, hast du mich von der ersten Sekunde an beeindruckt und tust es immer noch. Und ich weiß, dass du die Richtige für mich bist, denn meine Sichtweise hat sich geändert. Ich will nicht mehr eine blutige Rache nehmen, ich will einfach, dass es vorbei ist. Dass wir alle wieder in Frieden leben können, ohne zu fürchten, jeden Moment zu sterben.«
      Ein Kloß bildete sich bei seinen Worten in meinem Hals. Er hatte bemerkt, was ich ab und an dachte. Diese Tatsache ignorierte ich sondern konzentrierte mich darauf, dass ich ihn beeindruckt hatte und dass er durch mich verstanden hatte, dass Blutvergießen nicht immer die beste Option war. Er lächelte mich sanft an und strich über meine Wange. »Und ich will etwas, worauf ich mich freuen kann. Deswegen werden wir den Bund nicht vollziehen vor dem Kampf. Ich will etwas, wofür ich kämpfen muss und dafür muss ich dann wohl kämpfen.«
Seine Worte überraschten mich mal wieder. Cas war jemand, der einen immer überraschen konnte. Leicht lächelte ich. Vermutlich blieb mir nichts anderes übrig, als es im Notfall auch zu tun. Zu kämpfen. Obwohl es mir nicht gefiel, würde ich das wohl tun müssen, wenn es dazu kam. Cas würde es auch tun. »Dann werden wir wohl beide dafür kämpfen müssen.« Cas nickte und holte dann tief Luft. »Falls etwas sein sollte, musst du meinen wahren Namen wissen, Covina.« Schnell schüttelte ich den Kopf. Cas runzelte die Stirn. »Nein. Sag ihn mir nicht. Bitte. Wenn sie mich gefangen nehmen oder sonst was, dann kann ich nicht dafür garantieren, ihn nicht auszusprechen. Egal, wie sehr ich es nicht will. Wer weiß, was Hexen für Mittel haben. Bitte tu's nicht. Ich fühle mich geehrt aber bitte nicht, Cas.« Er schien einen Moment nachzudenken und nickte dann. »Okay, ich werde ihn dir nicht sagen«, hauchte er und sah dann auf die Uhr, die im Zimmer an der Wand hing. »Wir sollten uns frisch machen. Es gibt bald Frühstück.«

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