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Not even need and love can defeat fate.

-Ursula K. Le Guin

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„Alexander, du musst runterkommen und dich beruhigen", versuchte Breanna den aufgebrachten Mann zu beschwichtigen, trat aber nach einem Blick in sein wutverzerrtes Gesicht vorsichtshalber einen Schritt zurück. Scherben knirschten unter ihren Sohlen. Zu seinen Füßen lagen unzählige Bücher verstreut, die aus dem umgerissenen Regal gefallen waren, zwei umgekippte Stühle und ein zerbrochener Beistelltisch krönten das Chaos.

Seufzend versuchte sie es weiter. Das dauerte zu lange. „Sie hat für diesen Moment vorgesorgt, du weißt eigentlich was zu tun ist."
Statt einer Antwort wurde die pochende Ader auf seiner Stirn ausgeprägter und die Muskelstränge an seinen Armen traten deutlicher hervor. Breanna zog abschätzig die Brauen hoch. Sie würde das jetzt mal nicht als Drohung, sondern als Ausdruck seiner Verzweiflung verstehen. „Die anderen haben das Protokoll bereits alle befolgt, so wie Catriona es vorgesehen hat." Ihre Ungeduld wuchs. Je länger sie an diesem Ort verweilten, desto wahrscheinlicher war es, dass dieselben Wölfe, die ihren Vollmondspaziergang entdeckt hatten, hier auftauchten und die Wölfinnen mit sich nahmen. Es gab einen verdammten Plan und er hatte Feyre geschworen sich daran zu halten.

Als Alexander sie weiterhin nur anstarrte, stampfte sie frustriert mit dem Fuß auf. „Alexander! Das ist nicht witzig, wir sind in Gefahr. Du bist in Gefahr. Wir wissen nicht, was sie über uns wissen. Wenn sie über dich Bescheid wissen, dann bist du ihre größte Schwachstelle und damit gefährdest du Dutzende Leben. Ihr Leben." Breannas Stimme nahm einen flehenden Unterton an. „Bitte, Alexander. Komm jetzt mit uns." Tränen traten in ihre Augen. Wenn er nicht mitkam, würde sie ihn töten müssen. Zu groß war die Gefahr, dass er als Druckmittel verwendet werden könnte. Sie schluckte. Ihre Hand glitt in die tiefe Tasche ihres Mantels hin zu der kleinkalibrigen Waffe. Das würde Feyre ihr nie verzeihen. Das würde sie sich nie verzeihen.

Gerade als sie mit zitterndem Daumen die Pistole entsicherte, brach Alexander sein Schweigen. Seine Stimme klang heiser, rau vom vielen Schreien. „Wie konnte das passieren, Breanna? Wie haben sie euch entdecken können?" Er sah sie mit vom Weinen geröteten Augen an; ihm war die Hoffnung, dass sie befriedigende Antworten für ihn haben würde, deutlich ins Gesicht geschrieben. Breanna straffte den Rücken. Warum nur machte er es ihr so schwer? Reichte es nicht, dass sie als Feyres Stellvertreterin nun die Bürde der Evakuierung trug? Dass sie zwölf Familien hatte sagen müssen, dass sie nur das Nötigste einpacken durften? Dass sie den Frauen, Männern und Kindern als gutes Beispiel vorangehen musste, obwohl alles in ihr danach schrie sich zu einem heulenden Ball zusammenzurollen und um Feyre und ihr Zuhause zu trauern?

Geduldig wiederholte sie dieselben Inhalte zum dritten Mal für ihn, nicht zuletzt, weil es auch ihr die Sicherheit gab, dass sie keinen Fehler gemacht, keinen Schritt zur Wahrung ihrer Sicherheit übergangen hatten: sie hatten willkürlich einen Ort aus den vielen Möglichkeiten gewählt, waren getrennt, mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln dorthin gefahren, hatten mit Drohnen die gesamte Umgebung kontrolliert, sich in Gruppen von Dreien verwandelt und waren zusammen gerannt.
Alexander nickte. Er wusste, dass das das übliche Vorgehen bei Vollmond war. „Was dann?" Ungeduldig drängte er sie fortzufahren, er musste unbedingt wissen, was schief gelaufen war.
„Feyre verwandelte sich als erste zurück. Nathaira und Romy waren langsamer und kamen erst am Lager an, als die Männer sich bereits offenbart hatten." Breanna schloss die Augen. Über den Mindlink hatte sie das Entsetzen der beiden Wölfinnen gespürt, als diese den Geruch der Rudelwölfe gewittert hatten. Wie sie es geschafft hatten ihnen so lange verborgen zu bleiben, war ihr unklar und es nicht zu wissen, nagte an ihr, ließ die Furcht in ihr ins Unermessliche wachsen, denn eine Wiederholung der Ereignisse konnte sie so nicht abwenden.

Seufzend kam sie zum Ende. „Die beiden haben sich so schnell sie konnten vom Lager entfernt. Zwei Wölfe haben sie verfolgt, aber sie waren schwerfälliger und kannten das Gelände nicht. Der Vollmond war fast vorbei und keiner konnte seine Wolfsgestalt mehr lange kontrollieren. Die zwei hatten unglaubliches Glück." Sie schluckte. „Feyre war aber schon menschlich. Sie ist in die andere Richtung gerannt. Drei Männer verfolgten sie." Was dann geschehen war, wussten sie nicht, ahnten es aber, denn wenn sie nicht überwältigt worden wäre, hätte sie sich längst gemeldet.

„Und ihr habt sie im Stich gelassen, um eure eigene Haut zu retten", spie er ihr entgegen. Breanna fasste das mittlerweile warme Metall der Waffe fester. Mit zusammengebissenen Zähnen entgegnete sie: „Ich habe befohlen zu tun, was das Protokoll vorsieht. Elf freie Wölfinnen sind genau das, was sie sein sollen: frei. Feyre hätte genau das gleiche getan." Das war es, was sie sich seit Stunden einredete: Feyre würde genauso handeln. Noch war der Engel auf ihrer Schulter dominanter und bestätigte sie darin, aber der Teufel gewann an Lautstärke, während er sie immer wieder fragte, ob sie sich dessen sicher sei, dass Feyre eine der ihren zurückgelassen hätte.

Breanna entsicherte die Waffe. Genug. Für Selbstgeißelung hatte sie keine Zeit. „Alexander, ich frage dich zum letzten Mal: Kommst du nun mit?" Aufmerksam beobachtete sie den Sturm von Gefühlen, der über das Gesicht des Mannes zog: Trauer, Wut, Bedauern, Sehnsucht, Angst. Sie verbannte das Mitgefühl, was ihre Muskeln wie ein schleichendes Gift lähmen wollte und zählte in Gedanken von sechzig an runter.

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Den einen töten, um die anderen zu retten? Der Philo-Unterricht lässt grüßen. 😉

Was macht ihr so in der Vorweihnachtszeit?

Fighting Fate (Adventskalender 2020)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt