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We are all subject to the fates.
But we must act as if we are not,
or die of despair.

- Philip Pullman

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„Bleib hier", knurrend rollte Lorcan sich von Feyre herunter. Blitzschnell griff er nach seinen Jeans, zog sie über. Einen kurzen Moment sah er zu ihr, Feyre. Versuchung, Sirene. Er war ihr fast willenlos in ihr Schlafzimmer und ins Bett gefolgt. Hatte sich auf dem Weg die Stufen herauf vorgestellt, wie es sein würde sie zu schmecken. Sein Stöhnen mit dem ihren in Einklang zu bringen.

Dann warf er sich seinem Pullover über,  schlüpfte in seine Sneaker und rannte hinaus. Die Explosion halte noch nach und obwohl es ihn tatsächlich unvorstellbar viel Selbstbeherrschung kostete sie auf diesem verdammten Bett liegen zu lassen - zum Gotterbarmen schön - hatte sein Rudel doch immer Priorität.

Für einen kurzen Augenblick lag Feyre ganz still, horchte auf ihr pochendes Herz. Verdammt. Das funktionierte so nicht. Ihre Haut kribbelte an den Stellen, die seine Hände Augenblicke zuvor noch liebkost hatten. Es war so still, dass das Klopfen ihres Herzens für einen Moment strafend laut in ihren Ohren dröhnte.

Stille. Sie schalt sich eine Idiotin. Es war still, weil sie allein war. Nicht eine einzige Minute war sie allein gewesen, seit man sie aus der Zelle geholt hatte.

Allein. Sie war allein.

Hastig sprang sie aus dem Bett und richtete ihren Pullover. Leise schlich sie zur Tür. Tief atmete sie durch und legte ihre Hand auf die kühle Klinke. Ihre Chance. Egal was draußen geschah. Das war ihre Chance.

Jemand kam ihr zuvor und drückte die Tür auf.
Durch den entstehenden Spalt lugte der rote Lockenkopf Maleas. „Hey, Feyre." Sie öffnete die Tür in Gänze.
„Du siehst enttäuscht aus." Grinsend schob sie die Tür auf. „Entweder hast du jemand anderen erwartet oder du wolltest abhauen." Sie schloss die Tür und schlenderte langsam zum Bett. Mit hoch gezogenen Brauen registrierte sie die zerwühlten Laken, verkniff sich aber jeden Kommentar.

Mit untergeschlagenen Beinen setzte sie sich und griff nach dem großen Plüschelefant. „Du würdest nicht abhauen oder? Selbst wenn du von der Insel herunter kommen würdest - Lorcan würde jeden, der auch nur in der Nähe dieses Zimmers war und dich nicht hat aufhalten können bestrafen." Fest sah sie Feyre in die Augen. „Das willst du doch nicht?"

Feyre nickte. Dann schüttelte sie den Kopf. Seufzend ging sie ans Fenster und sah angestrengt hinaus in die Nacht. „Was ist da draußen los?"

„Ein Angriff. Das kommt hin und wieder vor." Malea zuckte betont lässig mit den Achseln, dabei kam sie jedes Mal um vor Angst, wenn etwas Derartiges geschah. Sie seufzte. Das letzte Mal war so lange her, dass sie sich kaum erinnerte. Lorcans Rudel wurde nicht angegriffen. Die Isle of Arran war sicher.

Bis heute.

„Wer greift euch an? Worum wird gekämpft? Hier leben doch Frauen und Kinder." Feyre schüttelte den Kopf. Durch das Fenster nahm sie vage den rotgoldenen Schimmer eines brennenden Hauses wahr. Sie lebten im 21. Jahrhundert und dennoch tobten sich die Wölfe in mittelalterlich anmutenden, gewalttätigen Übergriffen aus. Rückständig. In jeder Hinsicht.

Weil Malea nichts sagte, trat sie näher ans Fenster und versuchte draußen etwas zu erkennen. Hin und wieder glaubte sie huschende Schemen wahrzunehmen. Würde ein Angriff nicht mehr Sinn machen, wenn sie in Wolfsgestalt wären? Als Mensch war man schwächer. Schwach. Sie hörte Schreie, das Zersplittern von Holz. Vielleicht bildete sie sich das alles aber auch nur ein.
Als sie nach der Klinke des Fensters griff, brach Malea doch ihr Schweigen.

„Nein, bitte nicht."

Feyre hielt inne, durch den Spalt des geöffneten Fensters drang kühle Luft ins Zimmer, gleichzeitig wurden die Geräusche deutlicher. Sie konnte nun mit Sicherheit sagen, dass es irgendwo brannte, denn mehrere Stimmen riefen nach Löschwerkzeug und Wasser.
Sie sah in das Gesicht der jungen Frau und nahm ihre Angst wahr. Und obwohl es ihr egal sein sollte, dass die Schwester ihres Feindes litt, hatte sie doch Mitleid.
Gerade als sie das Fenster schließen wollte, vernahm sie eine bekannte Stimme. Jorma. Auch Malea erkannte ihre Bruder und trat zu Feyre ans Fenster.

„Máire, lass mich los, ich muss zu Lorcan." Seine Stimme klang ungeduldig.
„Ich will nicht, dass du dich in Gefahr begibst. Ich habe eine andere Aufgabe für dich." Fragend sahen die beiden Frauen einander an. Seit wann gab Máire dem Beta Anweisungen?
Höhnisch lachend fragte Jorma zurück, wer sie glaubte, dass sie sei.
„Ich war die letzten drei Tage mit Lorcan zusammen. Ich bin die einzige Vertraute, die er hat. Seine Gefährtin. Dein Bruder leidet. Die Sirene ist wie ihre Großmutter, sie krallt sich in sein Herz. Aber er will sie los sein. Wir werden das für ihn tun. Wir werden die Welt von den freien Wölfinnen erlösen." Ihre Stimme nahm einen fanatischen Klang an.

„Du schläfst mit meinem Bruder?" Feyre hörte deutlich die Fassungslosigkeit in der Stimme Jormas. Sie ärgerte sich allerdings darüber, dass das an den Worten Máires sein größtes Problem war. „Du hast sie doch nicht alle. Halte dich von Feyre fern."
Sie mussten beobachten, wie die Frau kreischend auf Jorma losging. „Nicht du auch noch! Sie hat dich auch verhext. Hexe. Sie muss sterben. Wie Catriona." In dem Moment explodierte etwas ganz in der Nähe. Das reichte aus um den Fokus der beiden zu verschieben. Jorma rannte in Richtung des Geräuschs, zerrte die Frau einfach mit sich.

Behutsam schloss Feyre das Fenster. Kurz lehnte sie ihre Stirn an den kühlen Rahmen. „Keine Sorge, meine Brüder lassen nicht zu, dass dir etwas geschieht", wisperte Malea und legte eine Hand auf den Arm Feyres.

„Ohne deine Brüder wäre ich nicht hier."

„Ohne Catrionas Verrat wärst du nicht hier," konterte Malea.

„Ihr sprecht wieder und wieder von Verrat. Wen hat sie verraten? Was geht es irgendjemanden an, wenn sie sich gegen ihren Mate entscheidet? Eurer Großvater war kein freundlicher Mann. Er war gewalttätig, überheblich, arrogant und selbstverliebt. Seine Eifersucht war so groß, dass er Catriona abgeschirmt hat. Er hat ihr jeden Kontakt nach außen versagt. Sie durfte nicht zu ihrem Bruder, nicht bei der Geburt ihrer Nichte dabei sein. Er wollte sie ganz für sich allein, hat sie zeitweise eingesperrt, wenn sie mit anderen Rudelmitgliedern gesprochen hat." Sie sah Malea offen an. „Meine Großmutter liebte Timothy trotzdem. Er war ihr Mate. Aber sie liebte auch sich selbst und ihre Familie. Und die Liebe zu sich selbst wog schwerer. Deshalb ist sie gegangen. Das ist kein Verrat, das ist Selbstschutz."

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Verrat oder nicht? Was meint ihr?

Fighting Fate (Adventskalender 2020)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt