Wie sich herausgestellt hatte, sprachen Naruto und Sasuke tatsächlich über Hinata. Diese hatte mir in den frühen Morgenstunden nur einen Haufen Emojis gesendet, die voller Herzchen waren. Ganz offensichtlich war es bei den beiden gestern noch gut ausgegangen - vielleicht hatten sie ihre Beziehung nun auch offiziell gemacht. Ich würde es mir jedenfalls für sie wünschen. Da ich beide schon seit Jahren kannte - Naruto natürlich mehr als Hinata - war mir deren Verliebtheit schon lange bekannt. Ich beschloss, Hinata demnächst wieder zum Kaffee einzuladen und mit ihr zu sprechen; sie war mir inzwischen auch eine gute Freundin geworden und ich wollte unbedingt, dass dies so blieb. Vielleicht wäre auch ein Mädelsabend wieder angebracht, dachte ich, während ich meinen Krankenhauskittel an den angebrachten Haken aufhing. Ino hatte bisher noch weniger mit dem schüchternen Mädchen zu tun, doch dies konnte man ja ändern. Besonders durch Naruto würde man sich eh öfter über den Weg laufen.
Für einen Montag war ich überraschend gut wach, auch wenn meine Träume alles andere als erholsam waren. Immer wieder spukten dunkle Augen herum, die mich zu beobachten schienen - allerdings gefiel mir das mehr, als es sollte. Sasukes Duft und die Aussage, dass er kein Date mit einer Fremden hatte, ließen mich kaum in Ruhe. Tatsächlich träumte ich, dass wir miteinander ausgegangen sind und er mir sofort seine Liebe gestand. Peinlich berührt dachte ich an die Nacht und die aufkommende Wärme zurück, die sich angesammelt hatte - leider hatte ich noch nicht wirkliche Erfahrungen sammeln können und reagierte dementsprechend umso heftiger auf solche Gedanken und Berührungen (auch wenn sie nur imaginär waren).
Kopfschüttelnd verließ ich das Krankenhaus. Auch wenn Sasuke gestern zugegeben hatte, dass er kein Date geplant hatte, hieß das noch lange nichts. Schließlich hatte er nicht behauptet, keines haben zu wollen. Es war bestimmt nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Person ihm schöne Augen machte.
"Hey, Sakura!" rief Ino, die an ihrem knallgelben Wagen lehnte und mich zu sich wank. Als könnte man sie übersehen. "Hi, Ino. Wo gehts hin?" begrüßte ich sie ebenfalls und setzte mich auf die Beifahrerseite. Nach unserem gestrigen Aufeinandertreffen hatte sie natürlich darauf bestanden, dass wir uns verabredeten. Leider war mein Elan hierfür nicht größer geworden, auch wenn sich die Sache mit Sasuke geklärt hatte. So wie ich Ino kannte, würde sie allerdings eh nicht locker lassen, also gab ich mich geschlagen. Sie lenkte sich in den Feierabendverkehr ein und zuckte mit den Schultern. "Wie wäre es zu mir? Mom ist eh noch auf Arbeit."
"Gute Idee."
Nur wenige Autominuten später erreichten wir wieder den Blumenladen, über dem die Wohnung von Inos Familie war. Leider konnte man die Wohnung nicht über den Laden erreichen, daher gingen wir auf normalem Wege nach oben. Ino setzte frischen Kaffee auf, bevor wir uns an den nahstehenden Küchentisch hinsetzten. "Sag mal, wann willst du eigentlich ausziehen?" fragte ich und schaute mich in dem kleinen Raum um. Der Platz genügte zwar, doch mich würde es irgendwann stören, noch immer bei den Eltern zu wohnen. Ino seufzte nur. "Ehrlich gesagt ist das gerade ein großes Streit-Thema mit Sai." gab sie zu.
"Was? Wieso das?"
"Er wohnt ja schon alleine und will, dass ich einziehe. Doch wäre das nicht zu früh? Wir sind noch nicht lang zusammen und ich will meine Mom auch nicht ständig alleine im Laden lassen."
"Nur weil du ausziehst, lässt du deine Mutter nicht im Stich." gab ich zu Bedenken. "Und zusammen zu ziehen ist nicht eine Frage von Zeit, sondern von Gefühl. Fühlst du dich bereit oder nicht?" Diese Frage schien sie etwas zum nachdenken zu bringen, daher übernahm ich schnell die Aufgabe, den Kaffee in zwei Tassen zu füllen. "Da hast du nicht ganz unrecht, Sakura. Ich muss darüber nachdenken." Ich nickte nur und setzte mich wieder an den Tisch.
"Aber jetzt zu dir." wechselte Ino hastig das Thema und nahm einen ernsten Gesichtsausdruck an. "Du bist in letzter Zeit ziemlich viel mit Sasuke unterwegs." behauptete sie und nippte an ihrer Tasse. "Hm." machte ich nur, was sie zum Stöhnen brachte. "Und du hast dir sogar schon seine Art angelegt!"
Schmunzelnd sah ich auf und zuckte die Schultern. "Es ist in Ordnung, Ino. Wir sind schließlich alte Freunde."
"Alte Freunde sind nicht ineinander verliebt."
"Er ist nicht in mich verliebt." rutscht es aus mir heraus, sodass ihr Blick sofort sanfter wurde. "Du hast immer noch Gefühle für ihn." sprach sie aus und spiegelte so meine Gedanken wieder, auch wenn ich es nicht zugeben wollte. "Ich kann sie einfach nicht abschütteln." sagte ich nur und nahm einen Schluck aus der Tasse. "Aber vielleicht kam er zurück, um einen zweiten Versuch zu starten?"
"Itachi meinte, er hätte Heimweh gehabt. Wenn es nach Sasuke gegangen wäre, wäre er wohl nie zurückgekommen." erklärte ich nüchtern und ließ mich selbst auf den Boden der Tatsachen fallen. Er hätte sein Versprechen gebrochen. "Habt ihr denn schon mal darüber geredet?" fragte Ino. Ich schüttlte nur den Kopf. "Er ist über Jahre hinweg verschwunden und ihr sprecht nicht darüber? Ich dachte ihr seid alte Freunde." Die symbolischen Gänsefüße zu alte Freunde verdeutlichte sie mit ihren Fingern, was den ironischen Unterton nur verstärkte. Doch sie hatte eigentlich recht - warum hatte ihn noch niemand auf die Zeit außerhalb des Dorfes angesprochen? Über die Antwort musste ich nicht lange nachdenken, auch wenn es umso erschreckender war. Ich hatte mich nicht getraut.
Dass die beiden Brüder ihre komplette Familie verloren hatten und daraufhin unser kleines Städchen verließen war mit so viel Schmerz verbunden. Schmerz, Trauer und Einsamkeit. Wer wollte schon über solche Dinge reden? Ich hätte mich wohlmöglich auch hinter einer meterhohen Wand versteckt und niemanden an mich herangelassen - umso überraschender war es, dass Sasuke inzwischen wieder ein Lächeln auf den Lippen zeigen konnte. Wenn auch nur kurz.
"Du hast Recht." gab ich etwas niedergeschlagen zu. Trotz aller Gefühle waren Naruto, Sasuke und ich die besten Freunde gewesen und hatten einander vertraut. Was hatte diese Verbindung nur so erschüttern können? "Ich sollte ihn mal darauf ansprechen." beschloss ich und grinste Ino an. Genau dafür hatte man beste Freundinnen.
"Gute Entscheidung. Wenn ihr darüber geredet habt, kann er sich vielleicht auch mehr öffnen - für andere Gefühle." sagte sie vorsichtig, da sie mir keine Hoffnungen machen wollte. Ich wusste das zu schätzen, schließlich war ich früher sehr empfänglich für jegliche Reaktion von seiner Seite aus gewesen. Doch inzwischen war ich älter und kannte meine alten Macken. "Vielleicht." sagte ich daher nur.
"Mal abgesehen davon: Was machst du am Wochenende?" lenkte Ino mich wieder ab und grinste verschmitzt. Ich wusste, was nun kommen würde. "Wie wäre es, wenn wir wieder zusammen feiern gehen? Wir könnten Hinata und Naruto einladen." schlug sie euphorisch vor. "Und natürlich auch den Eisprinzen."
Lachend schlug ich ihr auf die Schulter. "Er ist nicht aus Eis."
"Wenn du das beweisen kannst, fress ich einen Besen. Doch bis dahin bleibt er für mich der Eisprinz." sagte sie nur und fing ebenfalls an zu kichern. Warum auch immer, aber gerade dieser kühle, abgeklärte Blick hatte es mir immer angetan. Das würde ich jetzt jedoch nicht zugeben.
"Ich weiß nicht, gefühlt war der letzte Clubbesuch noch nicht so lang her." bemerkte ich und schaute nachdenklich drein. Ich war schließlich nicht wirklich ein Clubgänger, lieber mochte ich entspannte Runden in einer Bar oder Zuhause. "Wie wäre es sonst mit einer normalen Bar?" sprach ich meine Gedanken aus, sodass Ino nur zweifelnd deine Augenbraue hob. "Du willst nur nicht tanzen. Oder wieder Riku treffen." An den hatte ich gar nicht mehr gedacht. "Darum geht es nicht." hielt ich dagegen, hatte jedoch auch keine plausible Lösung für meine Abneigung.
"Lass uns sonst einfach zum Wochenende hin spontan entscheiden, ja?" schlug ich daher vor. Ino gab sich geschlagen, also quatschten wir den Rest des Kaffees noch über die üblichen Sachen, bevor ich wieder aufbrach. Es war schließlich unterhalb der Woche und ich musste früh raus.
Den restlichen Heimweg bekam ich den Gedanken um Sasukes Vergangenheit nicht los. Waren wir schlechte Freunde, dass wir ihn noch nicht darauf angesprochen hatten? Oder war es ihm sogar lieber so? Das Schlimme an dem ganzen Abstand war, dass ich ihn nicht mehr so gut einschätzen konnte wie früher. Wobei nicht mehr so gut auch nicht stimmte - schon damals war er schwer zu lesen gewesen.
Seufzend kam ich Zuhause an. Der Montag war definitiv zu lang gewesen.
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Verräterisches Herz
Fanfiction„Du wusstest um meine Gefühle damals, Sasuke." sagte ich und war ihm gegenüber noch nie so ehrlich. Überrascht sah er auf und schaute mir direkt in die Augen. Dieses Mal würde ich den Blick nicht abwenden. „Du wusstest, dass ich für dich da gewesen...