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"Ich glaub es einfach nicht." wiederholte Ino zum zehnten Mal, als wir die Thematik des gestrigen Abends wieder durchkauten. Ich half ihr abermals im Blumenladen aus und verstaute eine Kiste in ihrem Wagen. "Sicher, dass du dahin willst?"

"Er hat nun mal gefragt. Und ich bin ja auch nicht sauer auf Itachi, sondern auf seinen Bruder." Seufzend schaute ich auf Sasukes Mantel, welcher zusammengelegt auf der Rückbank lag. Wir hatten seit gestern Abend (oder heute morgen) nicht mehr miteinander gesprochen. Lediglich Yuma hatte sich gemeldet und entschuldigt. Ich hatte ihm noch, während wir in der Bar am Tisch saßen, eine Nachricht zukommen lassen, damit er ebenfalls meine Nummer hatte. Ob dies so klug gewesen war, wird sich noch herausstellen. Doch er hatte sich wenigstens gemeldet und um ein klärendes Gespräch gebeten - jemand anderes nicht.

"Und was ist, wenn du ihn dort triffst?"

"Unwahrscheinlich. Doch selbst wenn, werde ich ihn ignorieren, bis ich eine triftige Erklärung oder Entschuldigung gehört habe." beschloss ich und schloss Ino für den kleinen Abschied in eine Umarmung. "Man kann dich nie alleine lassen." seufzte sie belustigt. "Schon prügeln sich zwei Kerle um dich."

"Sie haben sich bestimmt nicht um mich geprügelt."

"Ja, ja. Liefere lieber die Blumen ab, damit du pünktlich bei deinem Date bist."

"Es ist kein Date!" wiederholte ich mich, bevor ich ins gelbe Auto stieg und mich wieder auf dem Weg zu Itachi machte. Seufzend versuchte ich mich auf den Verkehr zu konzentrieren. Nach der letzten Auslieferung hier würde ich mich mit Yuma zum Kaffee treffen, da er mit mir über seine Auseinandersetzung sprechen wollte. Es war wirklich nett von ihm, doch ich hätte mir dasselbe von Sasuke gewünscht.

Itachi hatte Ino über die Bestellung mitgeteilt, dass ich wieder gerne ausliefern könnte, wenn ich Zeit hätte. Tatsächlich hatte meine beste Freundin nicht ganz unrecht und ich befürchtete tatsächlich, auf Sasuke zu treffen. Dementsprechend hatte ich mich etwas davor gedrückt - denn eigentlich wollte ich ja, dass er sich endlich mal bei mir meldete.

Vor mich hin murmelnd bog ich in die richtige Straße ein und parkte dieses Mal näher an der richtigen Hausnummer. Itachi (oder seine Haushälterin?) hatte vorausgedacht und nur eine Kiste bestellt, wofür ihm mein Rücken dankte. Ich trug diese mit dem Mantel hastig zur Haustür und klingelte. Wenige Sekunden später öffnete sich direkt die Tür und Itachi nahm mir die Kiste grinsend ab. „Schön, dich zu sehen."
„Hallo, Itachi. Wie läuft die Renovierung?" Er führte mich weiter durch den großen Empfang, welcher inzwischen einen kleinen Tresen besaß. Offenbar standen hier noch ein paar Vorstellungsgespräche an. „Es geht voran. Es sind noch immer nicht alle Zimmer fertig, aber man kann schon langsam erkennen, wohin es gehen soll." Nickend folgte ich ihm und staunte nicht schlecht über den Fortschritt seit meinem letzten Besuch. „Es ist bisher ganz schön geworden."
„Danke. Leider findet man kaum genug Handwerker, um das Projekt schneller voran zu bringen." Wir betraten sein fertiges Büro und setzten uns an den Tisch. Schon jetzt wirkte er viel erwachsener auf dem Bürostuhl. Ich war mir sicher, dass er seinen Vater würdig vertreten würde. „Wie läuft es mit meinem Bruder?" wechselte er schlagartig das Thema, sodass ich nur genervt aufstöhnte. „Lass mich bloß in Ruhe mit diesem Idioten."
Er lachte kurz herzlich, was mich auch zum Schmunzeln brachte. „Was hat er jetzt wieder angestellt?" Ich zuckte nur mit den Schultern, bevor ich antwortete. Ich hatte wenig Lust, alles zu wiederholen. „Das ist eine lange Geschichte."
„Ich habe zufällig Zeit."
„Ich aber nicht. Ich muss das Auto noch zurückbringen und dann treffe ich mich mit...einem Bekannten." Yuma bereits als einen Freund zu bezeichnen, fühlte sich irgendwie falsch an. Schließlich hatten wir uns gestern erst kennengelernt. „Ein Bekannter, hm?" Itachis Grinsen verunsicherte mich zunehmend, daher stand ich wieder auf und hob den Mantel an, welchen ich über die Lehne gelegt hatte. „Sasuke hat mir gestern seinen Mantel geliehen, würdest du ihm den wiedergeben?" fragte ich. Ich hatte wenig Lust, extra bei ihm vorbei zu fahren. Zwar hätte ich ihn auch bis zum nächsten Treffen behalten können, doch ich wollte es nicht ausreizen.
„Das kannst du auch selbst erledigen." sagte er, kurz nachdem die Tür hinter mir geöffnet wurde. Déjà-vu.

Sasuke sah überrascht zu mir und blieb neben der Tür stehen. Er sagte kein Wort, obwohl ich extra wartete, dass er das Wort ergriff. Enttäuscht seufzte ich und lächelte Itachi zum Abschied zu. Ich ging ohne ein Wort zu Sasuke und drückte ihm den Mantel in die Hand. Mein Blick glitt unauffällig runter zu seiner aufgeplatzten Lippe. Auch wenn ich es niemals laut aussprechen würde, aber irgendwie sah er sexy damit aus. „Tschüss, Itachi!" rief ich, bevor ich das Büro und anschließend das Gebäude verließ. Ein kleines siegessicheres Lächeln konnte ich nicht verhindern - die kalte Schulter war wieder aktiv.

Zwei Stunden später hatte ich meine Arbeit erledigt und wartete vor Rosie's. Yuma verspätete sich etwas, sodass ich langsam ungeduldig wurde. Schlussendlich hatte er um das Treffen gebeten, da konnte man ja wohl pünktlich sein. Bevor ich den letzten Nerv verlieren konnte, entdeckte ich ihn - er rannte die Straße herunter, als würde sein Leben davon abhängen. Schwer atmend erreichte er das Café und stützte seine Hände kurz auf den Knien ab, um durchzuatmen. Lachend betrachtete ich sein Auftreten. „Was ist passiert?"

„Tut mir so leid, ich wollte schon viel früher da sein." sagte er und richtete sich wieder auf. „Mein blödes Auto ist nicht angesprungen und ich musste schnell in den Bus springen."
„Schon in Ordnung." Mit dieser Begründung verstand ich seine Verspätung und konnte gar nicht sauer sein. „Wollen wir?" Mit diesen Worten betraten wir das süße Café, wobei er mir freundlicherweise den Vortritt ließ. Leider war der Tisch direkt am Fenster schon belegt, daher suchte ich einen anderen aus. Schmunzelnd erinnerte ich mich kurz an das Gespräch mit Hinata - viel Zeit war nicht vergangen, doch es ist viel passiert.

Wir bestellten uns einen Kaffee, bevor er auch schon direkt zum Thema kam. „Also, wegen gestern."
„Es hat mich ziemlich schockiert, muss ich zugeben. Wie geht es deinem Auge?" Tatsächlich war es etwas angeschwollen und farbenfroh geworden, doch es hätte schlimmer aussehen können. „Es tut kaum weh." tat er es ab und seufzte. „Mir tut mein gestriges Verhalten leid, Sakura. Ich habe mich wie der größte Arsch benommen." sprach er das Unausweichliche aus, dem ich nur zustimmen konnte. „Da bist du aber nicht der Einzige." Sein Blick rutschte kurz zur Kellnerin, die unsere Tassen brachte, bevor er die Stirn runzelte. „Was ist das zwischen euch?"

Überrascht sah ich auf. „Was meinst du?" Sein schiefes Grinsen wurde wieder sichtbar. „Ich glaube nicht, dass ein normaler Freund so reagieren würde, wenn ein fremder Typ ein Mädel anmacht." Einen kleinen Rotschimmer konnte ich nicht verhindern, da er sein Interesse an mir direkt ansprach, ohne es zu verheimlichen. Dieses Selbstbewusstsein fehlte mir manchmal. „Er hat kein Interesse an mir, keine Sorge." Anscheinend klang meine Stimme eine Spur verbittert, denn er legte seinen Kopf etwas schräg und sah mich nachdenklich an. „Du aber an ihm." Ich war viel zu leicht zu lesen. „Das ist lange her." gab ich dennoch zu und nahm einen Schluck des Kaffees. Einige Zeit war es still.

„Anscheinend aber noch nicht lange genug." sagte er und nahm plötzlich meine Hand in seine. Meine Augen weiteten sich unmerklich. Es war nicht unangenehm, im Gegenteil. Sie war groß und warm und ließ mich wieder rot werden. Bisher hatte ich es nicht für möglich gehalten, dass mich jemals jemand anderes so berühren würde als Sasuke. Doch dies waren auch immer mehr Wunschvorstellungen als alles andere. Mal abgesehen von dem einen Tanz und eher zufälligen Berührungen hatte ich sonst nie direkten körperlichen Kontakt zu ihm.
Da ich ihm keine Antwort auf seine Aussage geben konnte, lächelte ich schwach. Es war wirklich noch nicht genug Zeit vergangen, um gänzlich über Sasuke hinweg zu sein. Ich wusste nicht, ob es jemals so weit sein würde - dieser Gedanke machte mir Angst.

„Ich könnte dir da helfen." ergänzte er und ließ nach einem sanften Streicheln meines Handrückens diese wieder los. Die Wärme verschwand. Ich wusste, wie er das meinte. Doch war ich bereit dafür? Wahrscheinlich nicht.
„Du musst mir keine Antwort darauf geben. Ich würde mich jedoch freuen, wenn du beim nächsten mal zusagen würdest, wenn ich dich zum Essen einlade." Beinahe verschluckte ich mich an meinem Kaffee, was uns beide kurz zum Grinsen brachte.

Ich musste langsam nach vorne schauen und den nächsten Schritt wagen. Wer wusste schon, wann ich solch eine Chance wieder bekam? Auch wenn es gleichzeitig bedeutete, endgültig loszulassen. Nicht die Freundschaft zu Sasuke, aber die bisher ewig beständige Hoffnung, er wurde jemals etwas für mich empfinden. Wenn er dazu überhaupt imstande war. Außerdem würde Ino mir sicherlich eine reinhauen, wenn ich es nicht wenigstens versuchen würde. Ich hatte schließlich auch nicht wirklich etwas zu verlieren.

„Okay."

Verräterisches HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt