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Ich kam erst relativ spät nach Hause, da Yuma und ich noch viel über das Medizinstudium gesprochen hatten. Er konnte mir wirklich interessante Einblicke in die nächsten Semester geben und spornte so meine Motivation wieder an. Zwar versuchte ich wenigstens unterhalb der Woche regelmäßig die Bücher zu wälzen, doch in den Ferien war der Elan nun mal kaum da. Besonders seit Sasuke und Itachi zurück in der Stadt waren, hatte ich mich weniger mit der Thematik beschäftigt. Vielleicht würde sich das ab jetzt ändern, wo ich einen potentiellen Partner zum Lernen hatte.

In Gedanken an Yuma lief ich die Treppen nach oben zu meiner Wohnung. Auch wenn es Samstagabend war, wollte ich heute wirklich nur auf der Couch bleiben und entspannen. Die letzten Wochenenden waren sehr nervenaufreibend gewesen und ich hatte das Gefühl, meinem Körper mal eine Pause gönnen zu müssen. Vielleicht würde ich mir sogar ein Bad einlassen - der Gedanke an wunderbar duftene Badebomben und übermäßig produzierten Schaum ließ mich wohlig aufseufzen. Ja, der Plan klang vielversprechend. Allerdings schien das Leben immer etwas anderes vorzuhaben, wie ich kurzerhand feststellen musste.

Ich kam am oberen Treppenabsatz an und entdeckte eine dunkle Gestalt vor meiner Tür sitzen. "Sasuke?" Überrascht starrte ich ihn an. Was machte er hier? Und wie lang hatte er gewartet? "Da bist du ja endlich." sagte er und wirkte etwas genervt. Augenblicklich steckte er mich mit seiner miesen Stimmung an - was konnte ich denn bitte dafür, wenn er nicht Bescheid gab? Er hatte schließlich meine Nummer, also hätte er seinen Besuch auch anmelden können. Er stand auf und ließ mich an die Tür treten, um aufzumachen. Ohne ein Wort lief ich hinein und erwartete, dass er mir folgte. Tatsächlich folgte er meiner stummen Anweisung und schloss die Tür wieder hinter sich. Etwas erschöpft schmiss ich die Sachen ab und setzte heißes Wasser auf, um Tee zuzubereiten.

"Was machst du hier?" nahm ich den Faden wieder auf, als er mir anschließend still ins Wohnzimmer folgte. Ich hatte zwar nicht aufgeräumt, doch mittlerweile war mir das nicht mehr so wichtig bei ihm. Schlussendlich sah mein unordentlich immer noch ordentlicher aus, als bei anderen Personen. Er steckte seine Hände in die Hosentaschen und leckte sich kurz über die Lippen, was meine Aufmerksamkeitsspanne wieder verringerte. Ertappt blinzelte ich und schaute bewusst wieder in seine Augen, die vor Schalk glänzten. Dass er auch immer sofort mitbekam, wenn ich schmachtete.

"Ich bin hier, um..." danach murmelte er etwas, sodass ich die Arme verschränkte und eine Augenbraue hob. "Wie bitte?" Er stöhnte genervt auf, als wäre ich nur zu taub gewesen, um es beim ersten Mal zu verstehen. "Ich wollte mich entschuldigen." brach es schnell aus ihm heraus, als er etwas verlegen zur Seite sah. Was? Sasuke Uchiha entschuldigte sich? Bei mir?

"Und wofür?" triezte ich ihn, wobei ich versuchte, das fette Grinsen zu unterdrücken. Vielleicht war es etwas gemein, doch ich musste es ihm ja ein wenig heimzahlen. Ich verschränkte meine Arme. "Für mein gestriges Verhalten. Ich hätte Yorma nicht schlagen sollen."

"Yuma."

"Was?"

"Sein Name ist Yuma, nicht Yorma."

"Ist ja auch egal."

Sein Blick war sofort wieder genervt, was mich jedoch nur zum lächeln brachte. Ich konnte ihm nicht lange böse sein, selbst wenn ich es versuchte. Und zudem wollte ich eh nur eine Entschuldigung hören, die ich nun erhalten hatte. "Okay." sagte ich daher.
"Okay? Es gibt keine Standpauke?" hakte er überrascht nach. Ich stemmte meine Hände in die Seiten und sah ihn gespielt zornig an. "Als ob ich den ganzen Tag nur am Meckern wäre!" Einige Sekunden war es still, bis wir beide in leichtes Lachen verfielen. Genau diese Momente hatte ich vermisst.

Leider erstarb die gute Laune viel zu schnell, als ich kurzzeitig an den Streit wieder dachte. Wir hatten das Thema nicht wieder aufgenommen, daher trübte es meine Stimmung augenblicklich. Sasuke stand ebenfalls nur da und sah nachdenklich zu mir herunter. Ob er auch daran dachte? Diese ausgelassenen Momente wie eben gaben mir Hoffnung, dass er hier bleiben würde. Dass er verstehen würde, dass wir sein Zuhause sind. Doch ich wusste nur zu gut, dass diese Hoffnung trügerisch war.

"Wie geht es deiner Lippe?" unterbrach ich die Stille und lenkte die Aufmerksamkeit auf seine Verletzung. Schließlich hatte ich mich bei Yuma auch danach erkundigt, also sollte ich es bei Sasuke ebenfalls tun. Er hatte zwar weniger abbekommen, aber geblutet hatte es ja dennoch. Er zuckte nur mit den Schultern und berührte kurz die aufgeplatzte Stelle. "Es heilt."

"Gut. Ich habe ansonsten noch eine Wundcreme da, die den Prozess vielleicht beschleunigen könnte." schlug ich vor, bevor ich auch schon ohne Antwort ins Bad ging, um das kleine Medizinschränkchen zu öffnen. Gerade als Medizinstudentin hatte ich immer diverse Medikamente und Salben vorhanden, um auf jede Situation vorbereitet zu sein. "Das ist nicht nötig, Sakura." rief er mir zu, doch ich nahm die Tube dennoch mit ins Wohnzimmer. Inzwischen hatte er sich auf die Couch platziert; er schien wohl noch etwas bleiben zu wollen. Erfreut über diesen Gedanken setzte ich mich neben ihn und quetschte etwas Creme auf meine Fingerspitze. Ich hob meine Hand wieder in seine Richtung, als mir sein intensiver Blick auffiel und ich in der Bewegung innehielt. Was hatte ich bitte gerade vor?

"D-Du kannst das auch selbst machen." sagte ich schnell, da mir die ulkige Situation bewusst wurde. Peinlich berührt färbten sich meine Wangen rosa, als er schmunzelte und mit seinem Gesicht näher an mich heran rückte. Ich betrachtete sein schönes Gesicht, welches meinem viel zu nahe war. Mein schwaches Herz vertrug das nicht, es schlug automatisch schneller. Meine Hand zitterte leicht, als ich meinen Finger an seiner Lippe ansetzte und die Salbe auftrug. Es war nicht zu viel, nur so, dass es einziehen und wirken konnte. Mit Verdruss musste ich feststellen, dass selbst diese minimale Berührung wieder elektrische Blitze durch meinen Körper jagte. Vielleicht eine Sekunde länger als nötig ließ ich meinen Finger dort verweilen, bevor ich die Hand sachte wieder senkte. Der intensive Blick seiner dunklen Augen hielten mich gefangen, da er auch keine Anstalten machte, sich wieder normal hinzusetzen. Hypnotisiert betrachtete ich ihn und stellte mir vor, wie er sich weiter runterbeugen würde, um mich zu küssen. Wie diese weichen Lippen sich auf meine legten und ich auf seinen Schoß gezogen wurde, um mich noch mehr an ihn zu pressen. Wie unser Atem und Herzschlag im Gleichtakt schlagen würden, da wir schon seit Ewigkeiten auf diesen Moment gewartet hatten - Sasuke fing an zu schmunzeln und unterbrach meine dubiosen Gedanken augenblicklich. Inzwischen musste mein Gesicht einer Tomate gleichen, als ich laut einatmete und etwas von ihm wegrückte, um die Tube zu schließen und diese ins Bad zu bringen.

"Oh. Mein. Gott." flüsterte ich, als ich die Schranktüren wieder schloss und mir auf die erhitzten Wangen fasste. Reiß dich gefälligst zusammen, du bist kein Teenager mehr. Ich atmete mehrmals ein und aus, bevor ich meinen Mut ansammelte und zurückging. Tun wir einfach so, als wäre das eben nicht passiert. So, wie es Erwachsene nun mal tun.

"Ähm, möchtest du noch einen Tee..." begann ich, bevor ich das Wohnzimmer betrat und Sasuke gerade etwas vom Boden aufhob. Pink, schwarze Spitze...heilige Scheiße. Ich rannte geradezu durch den Raum und schnappte mir den BH aus seiner Hand, welchen er demonstrativ hochgehalten hatte. Ich wusste nicht, ob ich sauer oder beschämt sein sollte, doch ich entschied mich für beides. "Wo hast du..."

"Der lag unter dem Tisch." gab er zu und hatte wesentlich Mühe, sich das Lachen zu verkneifen. Wenigstens wirkte er etwas peinlich berührt, denn nun zierte auch eine leichte Röte seine Wangen. "Was schaust du auch unter den Tisch!" rief ich aus und warf den BH hastig ins angrenzende Schlafzimmer. Schlimmer konnte der Abend nicht verlaufen. So zum Thema mir war egal, dass ich nicht aufgeräumt hatte. Ich verschränke die Arme und starrte böse zu ihm runter. "Es tut mir ja leid." sagte er lachend und hob beschwichtigend die Arme, als er aufstand und näher an mich heran trat. "Aber mir ist halt die pinke Farbe ins Auge gefallen - hübsche Wahl, übrigens." Ich schaubte laut, bevor ich ihm halbherzig gegen den Arm schlug. "Halt die Klappe!" Inzwischen konnte ich mir das Lachen auch nicht mehr verkneifen; die Situation war zu absurd, um sie nicht witzig zu finden.

Hatte er gerade 'hübsche Wahl' gesagt? Bildete ich es mir nur ein, oder klang das eben ein wenig flirtend? Innerlich schüttelte ich den Kopf - als ob Sasuke mit mir flirten würde. Mein Kopf schien noch immer etwas aufgeweicht von den vorigen Fantasien zu sein.

"Ich hätte aber gern einen Tee, danke." holte er mich wieder aus den Gedanken und schaute erwartungsvoll zu mir herunter. Er wollte noch länger bleiben? Selbst nach der Aktion? Grinsend nickte ich und führte uns zurück zur Küche, in der ich das inzwischen kalte Wasser wieder aufsetzte. Die erhobenen Mundwinkel wollten gar nicht mehr verschwinden.

Verräterisches HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt