Festessen mit Hindernissen
Es sollte ein ruhiges Fest werden an diesem kalten Wintertage, da das ganze Auenland die Wintersonnenwende willkommen hieß. Anders als in den Jahren zuvor hatte Bilbo beschlossen, auf größere Feierlichkeiten zu verzichten und gemeinsam mit Frodo, seinem Lieblingsvetter, in kleinstem Kreise zu schmausen.
Ihm war nicht nach bunter Gesellschaft zumute, und begann man erst mit der Gästeliste, stand man schnell vor der Frage, wo diese wohl enden sollte. Nein, diesmal würde es beschaulich bleiben, kein Trubel, kein Rummel, der ihm nichts als Mühsal bescherte und seine gemütliche Höhle auf den Kopf stellte.
Die Speisen allerdings waren mit Bedacht gewählt, doch auch hier war dem Hobbit in diesem Jahr nicht nach Maßlosigkeit. So sollten neben feinem Eintopf, Pasteten, gefüllten Rinderrouladen und einem prächtigen Gänsebraten lediglich saftige Klöße, Rotkraut, gedämpfte Kartoffeln sowie dreierlei Soßen gereicht werden, gefolgt von ein wenig Wurst und Käse zum Absacken.
Auch die Nachspeise, bestehend aus Bratäpfeln, Gebäck mit Kompott und Zuckerglasur, einen duftenden Gewürzzopf als auch dem Winterkuchen mit Nüssen und Marzipan, war höchst schlicht gehalten.
Seit dem frühen Morgen hatten Bilbo und Frodo gemeinsam in der Küche gestanden und das bescheidene Festmahl gerichtet. Dabei hatten sie gar den Fünfuhrtee ausgelassen, was sich nun bereits schmerzlich bemerkbar machte. Bilbos Magen grollte unheilverkündend, da er einen ungeduldigen Blick aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit warf.
Im Schein des Wintermondes funkelte der Schnee, welcher vor wenigen Tagen ganz Hobbingen unter einer dicken, flaumigen Decke begraben hatte. Frodo hingegen war nicht zu sehen. Wo blieb der Junge nur? Gerade da sie nach all der Arbeit so weit gewesen waren, den festlichen Schmaus zu eröffnen, war es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen.
Schon den ganzen Tag hatte ihm das leise Gefühl im Nacken gesessen, etwas unsagbar Wichtiges vergessen zu haben, und nun war es ihm mit einem Schlag klar geworden.
Die Zwetschgen! Die guten, getrockneten Zwetschgen, die dem mit Äpfeln gefüllten Gänsebraten erst den letzten Schliff verliehen! Auf die konnten sie wahrlich nicht verzichten, und so war sein junger Vetter sogleich davongeeilt, ob nicht irgendwo zumindest eine Handvoll davonaufzutreiben war.
Seufzend strich der Hobbit um die Festtafel herum, sehnsüchtig die knusprige Gans musternd, als endlich das Schlagen der Tür von Frodos Rückkehr kündete. Erleichtert trat der Hobbit seinem Neffen entgegen, dessen Suche ganz offensichtlich von Erfolg gekrönt gewesen war. Er hielt eine Schüssel in der Hand, bis zum Rande gefüllt mit den begehrten Zwetschgen, doch war sein Gesichtsausdruck von derart geplagter Hetze, als säße ihm eine Horde Orks im Nacken.
Im nächsten Moment, da er wieder zu Atem kam und das Wort ergriff, wünschte Bilbo allerdings gar, dem wäre so gewesen. "Lobelia und Otho, sie sind auf dem Weg hierher! Ich bin geeilt, was ich konnte, doch gleichwerden sie hier sein!" Einen Augenblick stand Bilbo wie erstarrt, dann geriet plötzlich Leben in ihn.
„Die Tafel! Rasch, sie muss verschwinden!" Um keinen Preis gedachte er, sich das Festmahl verderben zu lassen. Nicht von der raffgierigen, miesepetrigen Verwandtschaft! Mit den Sackheim-Beutlins verband ihn wahrlich kein freundschaftliches Band, allein die Hoffnung auf Erbschaft und silberne Löffel war es, die diese immer wieder beharrlich in Richtung von Beutelsend trieb.
Unter Schnaufen und Ächzen wuchteten die zwei den voll beladenen Tisch durch den Flur. „Dort entlang", keuchte Bilbo, und mit schwappenden Soßenschüsseln und klirrendem Besteckwankten sie in sein Schlafgemach hinein. In diesem Moment ließ ein energisches Klopfen an der Haustür die beiden zusammenfahren.

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Mittelerde Adventskalender 2020
FanficDer Winter hat Mittelerde fest im Griff und beschert seinen Bewohnern schöne, lustige oder auch nachdenkliche Momente. Ein Gemeinschaftsprojekt von den Autoren: RonjaAlsters, de_Neige, LaraniEleyja, ShirinsStorys, Elbenkriegerin241, Lenya2018, Cynth...