Nost*
Das Dunkel der Nacht legte sich wie eine Decke über Tol Galen, der grünen Insel, welche seit geraumer Zeit die Heimat von Beren Erchamion und Lúthien Tinúviel war. Der Mond und die Sterne leuchteten klar herab und in der Stille der Nacht ging Beren durch den Garten in Richtung seines Hauses.
Der Herbst hatte sich verabschiedet und der Winter zeigte sich in seiner ganzen Pracht. Die Bäume ächzten unter der weißen Last, welche ihre Kronen trugen und Berens Schritte erzeugten das typische Knirschen, während er die letzten Schritte ging und sein Haus betrat.
Das Knistern des Feuers empfing ihn und spendete wohltuende Wärme, als er sich seiner schweren Kleidung entledigte. Vor dem Kamin fand er Lúthien vor, welche das kleine Bündel liebevoll in ihren Armen hielt. Er ging auf sie zu und betrachtete seinen schlafenden Sohn, Dior Aranel. Er war erst wenige Tage alt. Seine Frau sang für ihren gemeinsamen Sohn ein Schlaflied. Tinúviel machte ihren Namen alle Ehre. Sie zog mit ihrer Stimme noch immer alle in ihren Bann.
Seine wunderschöne Frau hatte für ihn der Unsterblichkeit entsagt und nahm das Schicksal der Menschen an, doch hatte sie in all den Jahren nichts von ihrer Schönheit eingebüßt und für ihn würde sie stets das schönste Wesen Mittelerdes sein. Noch heute, wenn sie für ihn tanzte, fesselte sie ihn mit ihrer Anmut und Feinheit.
Einst hatte Beren die Berge erklommen, jung und wagemutig. Als er das fremde Land erkundete, erblickte er, tanzend im Zwielicht, Lúthien Tinúviel und verschenkte sein Herz. Schnell hatte auch sie erkannt, dass er guten Herzens war und ihre Furcht, vor dem Fremden, verschwand.
„Woran denkst du?" Die liebliche Stimme Tinúviels holte Beren aus seinen Gedanken.
„Daran, wie schön du bist und was für einen wunderbaren Sohn du mir geboren hast."
Ihr glockenklares Lachen erklang und Dior regte sich etwas in ihren Armen. Der Kleine schmatzte, erwachte aber nicht aus seinem Schlaf. „Er ist wahrlich ein Geschenk", flüsterte sie und gab dem Jungen einen Kuss auf dessen Stirn. Thingols Erbe war geboren und in Dior floss das Blut der Menschen, Elben und Maiar.
„Als ich draußen durch unsere verschneiten Gärten ging, hing ich meinen Erinnerungen nach. Wie du dich einst aus deinem Arrest befreit hast und mir nachgereist bist. Wie du nach Angband kamst, mich aus meinem Schlaf geweckt hast und es mir so ermöglicht hast den Silmarill aus der Krone zu schneiden."
„Du hast einen hohen Preis gezahlt, um die Verbindung mit mir einzugehen." Lúthien strich über seinen Arm.
„Und du warst so tapfer mir in Mandos Reich zu folgen und deine Unsterblichkeit zu opfern. Nie hat es ein solches Geschenk gegeben und der Preis, den du zahltest, ist nicht mit dem meinen zu vergleichen."
„Tapfer warst auch du. Mein Vater hat nicht damit gerechnet, dass du so wagemutig bist und seine Herausforderungen annehmen würdest. Der Gedanke daran, dass dir etwas zustoßen könnte veranlasste mich zu meinem Handeln und nach all den Steinen, die uns in den Weg gelegt wurden, hast du auf meine Bitte gehört und in den Hallen Mandos auf mich gewartet."
Beren kniete sich vor seine Frau und sah in ihre grauen Augen. „Du hast das schönste Lied gesungen, welches je erklang. Nur dir ist es zu verdanken, dass wir unserem Sohn das Leben schenken konnten."
Lúthien sah auf den Jungen in ihren Armen herab. „Einst dachte ich, dass du mein Herz für dich besitzt. Doch Dior füllt einen Platz, von dem ich nie wusste, dass er leer war. Es scheint, als wäre er unsere sichtbar gewordene Liebe und dieses Geschenk ist mit nichts gleichzusetzen. Es wird eine Zeit kommen, in der wir nicht mehr mit ihm zusammen sein können. Aber wenn wir ihn in unseren Herzen tragen, wird er immer bei uns sein.
„Wir sollten in jedem Jahr, zu dieser kalten Zeit, unser Zusammensein als Familie genießen. Wenn er älter ist, können Dior und ich dir ebenfalls Lieder singen. Obgleich sie nicht so klar und lieblichen k lingen würden wir die deinen", schlug Beren vor und lachte. „Wir können, aber auch an einem gemütlichen Feuer sitzen und ihm Geschichten erzählen."
*Nost = Familie (Sindarin)
geschrieben von de_Neige
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Mittelerde Adventskalender 2020
FanfictionDer Winter hat Mittelerde fest im Griff und beschert seinen Bewohnern schöne, lustige oder auch nachdenkliche Momente. Ein Gemeinschaftsprojekt von den Autoren: RonjaAlsters, de_Neige, LaraniEleyja, ShirinsStorys, Elbenkriegerin241, Lenya2018, Cynth...