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Heimkehr

8 V.Z.



Es war eine Seltenheit für Ithilien, dass der Winter so viel Schnee brachte. Aber in diesem Jahr hatten kalte Winde aus dem Norden für reichlich Schneefall in diesem Land gesorgt, das als der schönste Landstrich Gondors galt.

Auch in dieser Nacht fiel die weiße Pracht in dicken Flocken vom dunklen Himmel herab. Als dichte Decke bedeckte der Schnee Wege, Pflanzen und Häuser. Jeder Laut schien verschwunden zu sein, ausgelöscht von den Flocken. Knirschende Kälte und abwartende Stille war alles, was in dieser Nacht blieb. Zwar waren die Sterne bedeckt von den dichten Wolken, die ihre Last über Arda entluden, dennoch war es nicht dunkel. Denn der Schnee selbst schien zu leuchten. Ein geheimnisvolles Funkeln ging von ihm aus, als wären kleine Sterne auf die Erde herab gefallen.

Kein Lebewesen schien draußen unterwegs zu sein. Tier und Mensch hatten sich in ihren Häusern und Bauten verkrochen und verschliefen diese kalte Nacht.

Ein einziger Reiter jedoch folgte einer verschneiten Straße zu seinem Haus. Das Pferd, eines der edlen Rösser Rohans, suchte sich sorgfältig einen Weg durch den Tiefschnee. Sein Reiter ließ das Tier gewähren und trieb es nicht zur Eile. Er war in einen wärmenden Mantel gehüllt und hatte die Kapuze tief in das Gesicht gezogen. Einer der behandschuhten Hände lag wachsam auf dem Griff eines Schwertes, in den prachtvolle Pferdeornamente eingearbeitet waren. Es war mehr eine Geste der Gewohnheit, denn seit Ende des Ringkrieges war Ithilien wieder zu dem friedlichen Land geworden, das es einst gewesen war.

Endlich tauchten am Schoße eines Hügels die heimatlichen Lichter auf. Und der Reiter, nun doch ungeduldig, endlich wieder heim zu kommen, trieb sein Pferd an. Vor ihnen erschien ein prachtvolles Anwesen. Ein großes Haupthaus, umgeben von einem steinernen Säulengang, lag da neben einem fast ebenso großen Stall und einem Lagergebäude. Ein weiteres Gebäude beherbergte die Dienerschaft des Prinzen von Ihtilien, der hier hauste.

Der Reiter ritt durch ein geschwungenes Tor und direkt zum Stall. Dann stieg er ab. Die Kapuze wurde vom Haupt zurückgeschlagen und darunter kam das Gesicht einer Frau zum Vorschein.

Eowyn, Schildmaid Rohans, Dernhelm, Herrin von Ithilien und Emyn Arnen, sah sich auf dem heimatlichen Hof um. Ihr Blick wanderte zu dem umzäumten Garten, den sie voller Liebe hegte und pflegte. In einigen Wochen würde der Frühling kommen, dann würde die Herrin dieses Hauses wieder in ihrem weithin bekannten Garten arbeiten.

Nachdem Eowyn ihr Pferd im Stall versorgt hatte, ging sie zum Haupthaus. Als sie die große Vorhalle betrat, kam ihr bereits ihr Ehemann, Faramir, Truchsess von Gondor und Prinz von Ithilien entgegen. Sie lächelte, als sie ihn sah und lief ihm freudig entgegen. So sehr sie es liebte, unterwegs zu sein, viel schöner war es doch, nach Hause zu kommen.

Faramir fing sie auf und küsste sie zärtlich. Leise lachte er. „Ich hätte es ahnen sollen, dass du mitten in der Nacht und ohne eine Eskorte zurück kommst. Hat Eomer dir denn keine Krieger mitgegeben? Ich mache mir Sorgen, wenn du allein reist." Sanfter Tadel war aus seiner Stimme zu hören.

Eowyn schüttelte den Kopf. „Er bat mir tatsächlich eine Eskorte an, aber ich habe abgelehnt. Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen, wie ihr beide wisst."

„Und welche Neuigkeiten gibt es aus Rohan?", fragte Faramir.

„Lothiriel hat Eomer einen gesunden Sohn geschenkt. Sie haben ihn Elfwine genannt.", berichtete Eowyn, während sie gemeinsam durch die Gänge ihres Hauses gingen. Ihr Gesicht hellte sich zu einem versonnenen Lächeln auf, als sie an ihren kleinen Neffen dachte. „Ich hätte länger warten können, aber da es in Edoras allen gut geht wurde meine Sehnsucht nach euch zu groß."

Sie hielt an der Tür zum Zimmer ihres Sohnes. Ganz sacht drückte sie die Tür auf und schlich auf Zehenspitzen in den dunklen Raum, Faramir hinter ihr. Ein Strahl des Lichtes aus dem Flur fiel auf das Bett ihres Sohnes Elboron, selbst nur wenige Jahre älter als ihr Neffe.

Sie kniete sich neben das Bett und betrachtete ihren Sohn voller Liebe.

Früher hatte sie sich nichts Größeres vorstellen können, als in der Schlacht Ruhm und Ehre zu erringen. Nun, da sie grausame Schlachten gesehen hatte, war sie eines Besseren belehrt. Hier, in ihrem Zuhause, bei ihrer Familie, bei ihrer Arbeit, der Pferdezucht und dem Garten, fand sie mehr Glück als sie je für möglich gehalten hätte.

Sie stand auf und küsste ihren Sohn auf die Stirn. „Mögest du nie Krieg sehen.", dachte sie und schlich wieder aus dem Zimmer.

Wenig später saß sie in ihrem gemeinsamen Bett, eingehüllt in warme Decken und Felle. Ein knisterndes Feuer im Kamin spendete wohlige Wärme.

Eine Tasse gewürzten Weines in der Hand haltend, beobachtete Eowyn die Schneeflocken, die noch immer am Fenster vorbei trieben. Faramir kam herein und trat zu ihr. In seinen Händen hielt er eine Schale gerösteter Kastanien, eine Speise, die sie erst hier in Gondor kennen gelernt hatte und für die sie schwärmte wie ein kleines Kind. Mit einem strahlenden Lächeln nahm sie ihm die Köstlichkeit ab, schälte die erste Frucht und ungeachtet der Tatsache, wie heiß die Marone noch war, schob sie diese in den Mund. Wohlig lächelnd genoss sie den wunderbar nussigen, süßlichen Geschmack, von Faramir mit einem liebevollen Schmunzeln beobachtet.

Als Faramir schon schlief, saß Eowyn noch immer wach im Bett. Tiefe Zufriedenheit und Dankbarkeit erfüllte sie. Wie viel Glück sie gehabt hatte, nach den Kämpfen und dem Leid der letzten Jahre, hier ein wunderbares Zuhause und eine glückliche Familie haben zu dürfen. Ihr kamen die Worte Theodens in den Sinn, die dieser einst zu ihr gesprochen hatte. „Ich will, dass du wieder lächelst. Du wirst neue Tage erleben, ohne Verzweiflung."

Er hatte Recht behalten.



geschrieben von Varda_92

Mittelerde Adventskalender 2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt