Kapitel 38

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Hyena

Horace hatte mich total überrumpelt. Seine weichen Lippen auf meinen zu spüren, den Duft des frischen, männlichen Deos in meiner Nase, ließ bei mir sämtliche Sicherungen durchbrennen. Dann, blickte ich noch in seine blauen Augen, die so tiefgründig und geheimnisvoll schienen, wie Seen und mich alles um uns herum vergessen ließen.

Der Rothaarige lächelte und half mir schließlich, von der Bank, aufzustehen. Ich fühlte mich benommen, als wäre ich nicht genau dort, wo ich stand, sondern befände mich in einem, wahnsinnig schönen, Traum. Alles fühlte sich so unwirklich an, selbst sein fester Händedruck, mit dem er mich zurück zu seinem Roller zog. Meine Gedanken waren wie umhüllt von pinken Wölkchen.

'War dies Liebe? Nannte man es so, wenn jegliche Kontrolle über den eigenen Körper verloren hing? Empfand Horace ähnliches, wie stand er zu mir? '

Er benahm sich wie immer, keine Spur von Nervosität oder Scheu. Aber vielleicht galten für Jungs auch andere Regeln, möglicherweise bestand da ein Unterschied? Ich wusste es nicht, ... noch nicht, doch nahm ich mir vor, es herauszufinden.

Was in diese Moment jedoch wirklich zählte, war diese unbeschreibliche Freude, dieses Glücksgefühl, dass sich in mir breit machte und mich meines Verstandes beraubte. Es war so angenehm und sollte am besten niemals enden.
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Wir machten uns auf den Heimweg, meine Gedanken ruhten nur auf diesem, einen Moment, auch wenn sich langsam alles wieder beruhigte, ging mir das Geschehene nicht aus dem Sinn.

'Was bedeutete dies nun? Für Horace? Für mich? Waren wir jetzt ein Pärchen, so wie ich es in all diesen Büchern gelesen hatte? Wie ich es mir heimlich, zaghaft...immer wieder wünschte?
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Erst kurz vor der Haustür, stieg mir der verbrannte Geruch in die Nase. Ich reagierte schnell und meine Sinne funktionierten wieder so wie sie sollten. Mich beschlich eine böse Vorahnung, ebenfalls wie ein schlechtes Gewissen, die 'Kleinen' alleine gelassen zu haben. Was war bloß dieses Mal geschehen? Hatten die beiden etwa ein Feuerzeug gefunden, oder Streichhölzer und damit herum gezündet? Doch Tako war mittlerweile groß, er sollte eigentlich wissen, dass...

Ich sprang sofort vom Roller, rannte zum Haus und rechnete mit dem Schlimmsten. Als ich eintrat, befand sich jedoch glücklicherweise nicht allzu viel Rauch im Gang zur Küche, wie ich befürchtete und dieser verflüchtigte sich auch gleich, mit dem Wind, in die freie Luft hinaus.

Ich hastete weiter zur Tür der Küche, in welcher ich den Brandherd vermutete, diese stand schon offen und was ich dort sah verschlug mir erst mal ,kurzweilig, die Sprache.

„Tako? Was ...?" quetschte ich mühsam hervor, versucht, den immer noch permanenten Geruch, nicht zu sehr einzuatmen.

Zu meinem Erstaunen war ich nicht die Einzige, die von dem Bild vor mir sichtlich verstört war. Auch wenn der andere dort wohl schon ein Weilchen länger stand und den Mund auf und zu klappte wie ein stummer Fisch, hatte der Weißhaarige wohl bisher nichts gesagt, oder eingegriffen.

Tako war, in der Zeit in der ich weg war, schon wieder gewachsen. Mindestens fünf Zentimeter!

Der Grünhaarige schritt beschäftigt durch die Küche und fluchte ab und an, unsere Anwesenheit ignorierend, oder schlicht und einfach nicht bemerkend. Neben dem Herd stand ein Sessel und auf der Kochplatte befanden sich eine Pfanne und ein Topf.

„Verdammt, jetzt ist mir der Reis angebrannt, weil ich nur auf die Currysauce geachtet habe und jedes mal den doofen Stuhl verschieben muss, um an alles heranzukommen.", nuschelte er, sichtlich genervt.

Das ganze musste mir Hero jedoch danach übersetzen, denn eigentlich murmelte er: „Kuso, Gohan ga yakarete imasu ... Karēsōsu ni shūchū shitakara. Soshite iso o oshite!"

„Was zum Teufel..., tust du da? Curryreis? Du.. kochen? Wo ist das Rezept dafür?Willst du uns vergiften? Das stinkt bestialisch!", rief Hero aus, dem es, wie mir, bis vor kurzem noch die Sprache verschlagen hatte.

Tako, der eine schwarze Schürze trug, die er beinahe zweimal um sich schlingen hätte können, drehte sich nun zu uns. Und er wirkte etwas überrascht.

„Oh, Hyena , du auch da? Schon zurück? Ich bin noch nicht ganz fertig, aber gleich. Hero, du könntest den Tisch aufdecken." Er ging gar nicht erst auf das ein, was sein Bruder sagte und schien das Thema für abgeschlossen zu halten. Der Weißhaarige machte einen Schmollmund, tat dann jedoch wie ihm geheißen, als sein Magen, fordernd, knurrte.

So aßen wir gemeinsam, wobei Hero natürlich vorher noch einmal davor warnte, zu essen, was sein Bruder gekocht hatte, da man ja nicht wissen könnte, was er da alles hinein warf.

Als der Grünhaarige jedoch nur die Augen überdrehte und sich eine Portion des Reises in den Mund schob, hielt der Weißhaarige seinen, manchmal etwas vorlauten, 'Schnabel' und gab sich geschlagen. Kurz darauf merkte man ihm an, dass ihm das Mahl schmeckte. Es war sehr gut, auch wenn ich dies schlecht beurteilen konnte, da ich noch nicht oft zuvor Curry gegessen hatte. Dieses hier jedoch, war auf jeden Fall das Beste.
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Leider blieb es nicht so friedlich.
Die kommenden Tage wurden zunehmend anstrengender. Tako wuchs immer weiter und war bald so groß wie ein, ungefähr 14 jähriger, Teenager, das alleine wäre akzeptabel, doch verhielt er sich auch sehr wie einer. Soweit ich das, mit meinem Wissen aus Büchern und Filmen, beurteilen konnte.

Horace musste, bald darauf, wieder zur Schule und so blieb für unsere Ausflüge keine Zeit mehr und ich bekam den Rothaarigen immer seltener zu sehen. Dies verwehrte mir auch meine Chancen ihn nach dem Stand unserer Beziehung zu befragen.

Nicola war, was den Grünhaarigen betraf, ähnlich ratlos wie ich, wobei sie zumindest bereits einen Jungen großgezogen hatte, der bis vor kurzem noch in der Pupertät steckte.

Sie, die bestimmt hätte irgendwie helfen können, konnte jedoch auch nur Abends einmal vorbei kommen um nach dem Rechten zu sehen, da sie die Arbeit doch gehörig auf Trapp hielt.

Hero hielt nun eher Abstand zu seinem großen Bruder, in Angst, dass er ihn, in seinen Launen, wieder einmal scharf anfahren, oder zurecht schimpfen würde. Die beiden schliefen nun auch getrennt, da der Ältere eindeutig etwas groß für sein Bettchen geworden war und nicht mehr in das Bücherregal passte.

Stattdessen bezog er das Sofa und trug, da er, in der Größe, bis zu meiner Brust reichte, Taros vergessene T-Shirts und Shorts, auch wenn er sich anfangs strikt weigerte, etwas zu nehmen, 'was ihm nicht gehörte und ein anderer schon vor ihm an hatte'. Ich sollte es, dennoch, das nächste Mal nicht versäumen, Horace um Wechselkleidung für den grünhaarigen Jungen zu bitten.

I'm the UnderdogWo Geschichten leben. Entdecke jetzt