Kapitel 34

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PoV Levi
Während Erwin und ich tranken und uns unterhielten zogen die Stunden nur so an uns vorbei. Wir bekamen es nicht mal mit. Es war schön mal über den Knast reden zu können, über Eren, über die Unsicherheiten, die ich hatte. Natürlich würde Eren mir auch zuhören, doch ich wollte ihn nicht noch mehr belasten, als er es eh schon war.

Ihn jetzt noch mehr zu stressen – und ich war mir ziemlich sicher, dass er das als Stress ansehen würde – war absolut nicht meine Absicht. Ich wollte für Eren da sein und ihm aus dem Stress raushelfen, nicht noch mehr Stress für ihn bedeuten.

Er hatte nach meiner Zeit im Gefängnis gefragt. Und war nicht so, dass ich nicht drüber reden wollte. Es war eher so, dass ich es bei Eren nicht wollte. Ich wollte zwar, dass er mich kannte, dass er verstand, warum ich so war, wie ich eben war. Doch ich wollte ihn nicht verschrecken. Wollte ihm keine unnötigen Sorgen machen und vor allem wollte ich das mit uns nicht aufs Spiel setzen, nur weil ich einen ungünstigen Zeitpunkt ausgewählt hatte, um Eren von meiner Zeit im Knast zu erzählen.

Die ersten Monate dort waren hart und ich habe gegen viele Regeln verstoßen. Wollte nicht alles auf mir sitzen lassen. Hatte mich mit Wärtern geprügelt, mit anderen Insassen. Erwin war damals die einzige Methode mich ruhig zu halten. Er war stärker als ich, konnte mich ohne Probleme überwältigen und hatte sich einen gewissen Status angeeignet. Kaum hatten sie mich mit ihm in eine Zelle gesteckt, waren die Wutausbrüche und Gewalt zurückgegangen. Ich konnte es mir nicht mehr erlauben, wenn ich keine Probleme mit Erwin und seinen Leuten haben wollte.

Eren würde sicherlich nachfragen, was genau ich getan hatte. Gegen welche Regeln ich verstoßen hatte. Und mit diesen Details wollte ich nichts riskieren. Eren war sensibel. Er war schüchtern und teilweise konnte er sich und seine Gefühle kein bisschen einschätzen. Ich wollte ihn nicht wegen einer unüberlegten Aussage verlieren. Ich wollte ihm keine Angst machen.

„Levi?" Ich brummte nur zustimmend. „Dein Chef, ist der der Vermieter der Wohnung oder ist sie nur im selben Block?" – „Keine Ahnung, ich hab's ja schon abgelehnt."

Er nickte nur nachdenklich. „Brauchst du was zum Unterkommen?" – „Noch habe ich was, aber wenn mein Bewährungshelfer rauskriegt, wo ich bin, geht's gleich zurück ins Kittchen.", er trank noch einen Schluck seines Drinks. Leerte das Glas.

Die Bar war inzwischen gefüllter. Die Barkeeperin hatte eigentlich alle Hände voll zu tun mit neuen Bestellungen und auch die Tische und Sitzbänke waren größtenteils von Kleingruppen belegt. Im Normalfall würde ich es unangenehm finden so öffentlich über das Gefängnis zu sprechen, doch Erwin nahm mir diese Blockade. Er sagte einfach, was er dachte. Und das bewunderte ich. Ich hielt mich eher zurück. Wollte keine unnötige Diskussion anfangen.

„Ich kann ihn nochmal fragen, wenn du willst.", erklärte ich dann stumpf und Erwin nickte. Sagte nichts mehr zu seinem aktuellen Wohnort. Es wäre wahrscheinlich eh besser, wenn ich nichts davon wissen würde. Die Bewährungshelfer gemeinsamer Insassen standen auch nach den Entlassungen in Kontakt. So hatte Hanji auch mit Erwins Typen zu tun. Sie tauschten sich gegenseitig aus. Und wenn Erwin Probleme wegen seinem Wohnort bekommen würde, würde Erwins Helfer sicherlich den Weg zu mir finden und mich ausfragen.

Wir mussten unsere Helfer darüber informieren, wann wir uns mit wem treffen würden. Jedenfalls für die erste Zeit. Hanji interessierte es nicht wirklich, da sie mir vertraute und mich kannte. Bei Erwin sah es wieder anders aus. Den Vertrauensbonus hatte er leider nicht.

Gerade war der Blonde mit neuen Drinks an den Tisch zurückgekehrt. „Dir ist bewusst, dass du das alles bezahlst, ja?", murrte ich und nahm mir einen Drink. „Klar, wer sonst."

Und so floss ein Drink nach dem anderen. Ein Bier nach dem anderen. Die Stunden wurden kürzer, die Nacht kam immer näher.

Und als ich am nächsten Morgen in meinem Bett aufwachte und in ein völlig verzweifeltes Gesicht sah, konnte ich mich an eigentlich nichts mehr aus der vorherigen Nacht erinnern. Ich sah nur Eren, der mich mit Tränen in den Augen ansah und zitternd seine Hand am Türgriff hielt. 

I don't know you yet [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt