Kapitel 35

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PoV Eren
Schweißgebadet saß ich aufrecht in meinem Bett. „Fuck.", murmelte ich leise und fuhr mir durch die nassen Haare. Lange hatte ich nicht mehr so schlecht geträumt. Lange hatte ich nicht mehr solche Angst in einem Traum gehabt. Vielleicht schaffte ich es Levi zu überreden ein wenig vorsichtiger auf dem Motorrad zu sein.

Mein Blick fiel auf mein aufleuchtendes Handy. Dann zur Uhr. 05:12
Seufzend stand ich auf, ging zum Schreibtisch und nahm das Gerät an mich. Versuchte den Traum von Levis Motorradunfall zu vergessen.

„Hey.", sagte ich und setzte mich wieder aufs Bett.

Wahrscheinlich würden viele sagen, dass wir uns mal ein bisschen voneinander entfernen sollten, doch noch schien es nicht so, als würde es einen von uns interessieren.

„Eren", säuselte Levi und kicherte leicht. Hatte er getrunken? „weißt du was ich jetzt am liebsten tun würde?", lachte er und ich hörte es laut rumpeln. War er irgendwo gegen gelaufen? „Was denn?", ich entschloss mich dieses betrunkene Spielchen seinerseits mitzumachen. Immerhin hatte ich mich ihm betrunken auch schon sehr genähert. Und es war gut nach diesem Alptraum seine Stimme zu hören.

„Ich will dich ficken.", seine Tonlage war plötzlich total ernst und ruhig. Schwer schluckte ich, war Levi immer so, wenn er wirklich betrunken war? Ich würde mit dem Alkoholeinfluss wahrscheinlich schon im Krankenhaus liegen. „Ich will, dass du hier bist. Ich will dich gegen die Wand drücken, dich küssen, deine Stimme hören."

„Levi, komm wieder ins Bett.", hörte ich es. Wer war das?!

Die Stimme war dunkel, es war ein Mann. Wieso war ein anderer Mann bei Levi? „Ich kann jetzt nicht.", murrte Levi und kicherte leise. „Levi wer ist da bei dir?", fragte ich, spürte die steigende Unsicherheit. „Niemand."

Ohne noch ein Wort zu sagen legte ich auf, starrte auf mein Handy.

Levi war betrunken. Er war nicht alleine. Da war ein anderer Mann, er hatte mich angelogen.

Ich wusste nicht, ob es an der unruhigen Nacht, der Sorge oder der Eifersucht lag, doch so schnell ich konnte zog ich mir geeignete Kleidung über, sprintete aus der Wohnung und nahm mir das erste Taxi zu Levis Wohnung.

Es regnete. Es war dunkel. Dunkler als sonst. Im Normalfall würde nun die Sonne aufgehen. Doch der Regen hielt sie versteckt. Die grauen Wolken hielten das Licht gefangen. Und das half nicht wirklich bei meiner Stimmung. Ich war zeitgleich wütend und traurig. Ich war verzweifelt und außer mir. Ich hatte Angst.

Angst, dass er mich immer nur angelogen hat. Angst, dass er mich nur ausgenutzt hatte, damit er mit mir schlafen könne. Angst, dass ich nicht gut genug für ihn war. Angst, dass ich ihn verschreckt hatte. Was war es, dass ich getan hatte? Wieso war da ein anderer Typ bei ihm? Wieso schliefen sie in einem Bett? Und wieso log er mich an?!

Die Zeit im Taxi schien nicht umgehen zu wollen. Es war so, als würde sie stehen bleiben. Mit jedem Meter, den ich mich Levi näherte, schien die Zeit langsamer zu werden. Es dauerte eine Ewigkeit, bis der Taxifahrer hielt, sich zu mir umdrehte. „15,40", sagte er. Ich gab ihm Geld, zitterte dabei. Hatte Angst das Geld fallen zu lassen.

Die Angst übermannte meinen Körper, ich spürte die Tränen in meinen Augen. Mit jeder Stufe, die ich stieg, wurde es mehr. Und als ich an Levis Wohnungstür ankam und den Klingelknopf betätigte, war es urplötzlich vorbei. Die Tränen waren verschwunden.

Eine völlig verschlafene Brünette öffnete mir die Tür, sah mich verwirrt an. „Du?" Ich nickte nur. „Komm rein, er schläft aber." Wieder nickte ich. Wusste sie nicht, dass jemand hier war? Wusste sie nicht um meine und Levis Beziehung? Wusste sie irgendwas, das in der Situation wichtig war?

Ich trat ein, ging sofort auf Levis Schlafzimmer zu. Streckte meine Hand aus. Wollte ich das wirklich? Wollte ich wirklich diese Tür öffnen und sehen, wovor ich solche Angst hatte? Wollte ich sehen, dass ich wirklich nicht gut genug war? Dass er dort mit jemandem anderen liegen würde, die Körper eng umschlungen, friedlich und glücklich beieinander. Wollte ich mir das antun? Nein, das wollte ich nicht. Ich wollte nicht leiden. Doch auf der anderen Seite musste ich sicher gehen. Ich musste sicher gehen, warum er mich angelogen hatte. Warum er mir verschweigen wollte, dass jemand dort war.

Mit zitternder Hand drückte ich die Türklinke runter, öffnete leise die Tür und sah in den dunkeln Raum. Ich sah die Silhouetten der Möbel. Sah das Bett. Zwei Körper. Unsicher schaltete ich das Licht an, ließ den Türgriff nicht los, brauchte einen Halt.

Dort lag er, neben einem großen blonden Mann.

Levi verzog das Gesicht, setzte sich auf und rieb sich die Augen, grummelte.

Er trug kein Shirt. Der Rest seines Körpers war von der großen Decke verdeckt. Mein Blick fiel auf den Boden. Dort lagen Klamotten. Zwei Pullover. Zwei Jeans. Schuhe. Hatte er das wirklich getan?!

„E-eren.", hörte ich es und richtete meinen Blick wieder auf den Schwarzhaarigen. Die Tränen liefen über meine Wangen. Ich wollte es nicht sehen. Ich wollte, dass ich es mir nur eingebildet hatte. Ich wollte nicht so leiden. Ich wollte gut genug für ihn sein.

„Eren.", sprach er fest und sprang aus dem Bett, er trug Unterwäsche. Ging auf mich zu und wollte seine Hand in mein Gesicht legen, doch ich schlug sie weg. Sah nur auf den großen Mann in Levis Bett. Wer war das? War das sein Chef? Ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Nur den breiten Rücken. Das wollte Levi also? Ein aufgepumptes Tier?

„Was hast du?", fragte Levi und versuchte Blickkontakt zu mir aufzubauen. Doch ich sah weg. Ich konnte ihn nicht ansehen. Er sagte mir, dass er mich mögen würde, zeigte von Anfang an so viel Verständnis für mich, kümmerte sich. Und nun? Nun war das alles eine Lüge und er wollte mich gar nicht? Was war ich denn dann für ihn? Ein Spielzeug? Eine Ablenkung?

„Eren, rede mit mi-", fing er an. „Wer ist das?!", platzte es aus mir heraus. Meine Stimme zitterte. Die Tränen brannten in meinen Augen, mein Gesicht wurde heiß. „Was? Das ist niemand. Nur ein alter Freund. Was ist denn mit dir?"

Hatte er vergessen, was passiert war? War überhaupt etwas passiert?

Wieder versuchte er seine Hand in mein Gesicht zu legen. Wollte mir vermutlich die Tränen wegstreichen. „Fass mich nicht an!", fauchte ich und schlug seine Hand erneut weg. Mein Blick fiel wieder zu Levis Bett, wo sich der große blonde Kerl gerade aufsetzte und uns verwirrt ansah. „Wer ist das?", murrte er und nickte mir zu.

Levi sah zwischen mir und dem Blonden hin und her. Sah auf den Boden. Sah mich an. Schien zu verstehen, was ich dachte. „Warte kurz.", murrte er dem Blonden zu und schob mich aus dem Zimmer. Schloss die Tür.

„Dachtest du, dass ich mit ihm geschlafen habe?", fragte er ernst. Ich nickte, drehte den Kopf weg. War es nicht so? Hatte ich mich reingesteigert und total blamiert?

Ich rechnete mit einer Standpauke. Rechnete mit einem Streit über meine Überreaktion und meine Eifersucht. Doch es kam nichts dergleichen. Er kicherte nur. Levi kicherte leicht und fuhr sich durch die Haare. „Ich kann's verstehen.", sagte er. „Es sah ja wirklich danach aus."

Ich nickte nur. Fühlte mich fehl am Platz. Fühlte mich überfordert. Meine Emotionen waren ein einziges Durcheinander. Wie ein Wirbelsturm rasten sie durch meinen Kopf. Verunsicherten mich. „Wieso denkst du, dass ich dir sowas antuen würde?", fragte der Kleinere leise. Schaffte es endlich seine Hand in mein Gesicht zu legen und mir die Tränen von den Wangen zu wischen. „W-weil", ich stoppte. Sollte ich es sagen? Sollte ich einfach sagen, was ich dachte? Sollte ich mich so verletzlich zeigen? „Weil ich dachte, dass ich nicht gut genug für dich bin. Dass du jemanden anderen willst. Dass ich für dich nur ein Zeitvertreib war."

Er schwieg. Sah mich müde an. Schmunzelte schief.

„Eren?" – „Mhm?"

„Ich liebe dich."

I don't know you yet [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt