Episode.01

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Bad -- The Cab

Kühler Wind bließ mir durch die zerzausten Locken und fuhr in meine lockere Kleidung. Mein Körper durchschüttelte sich, als sich auf meiner Haut eine feine Gänsehaut bildete. Mit dröhnendem Kopf und schmerzenden Augen lief ich weiter die leere Gasse entlang, bis ich zur befahrenen Straße kam.

Die meisten Autofahrer, die jetzt unterwegs waren, fuhren entweder zu ihrer Arbeit oder zum Bäcker. Das laute Gehupe der Deppen machte meinem Kopf noch viel mehr zu schaffen, sodass ich etwas entspannter aufseufzte, als ich wenig später in die Underground stieg und mir einen freien Platz am Fenster suchte. Für die paar Statioen schloss ich meine Augen und ignorierte alles um mich herum. Die Mutter, die versuchte ihr Kind zu beruhigen. Die beiden Mädchen, die sich lauthals über irgendeinen Typen austauschten. Die Gruppe an Jugendlichen, die einen kleinen dicken Jungen fertig machten. Das alte Ehepaar, dass sich versucht leise aus der Zeitung vorlas.

Das Gefühl, dass alle Geräusche immer lauter wurden, ließ mich nicht mehr los. In meinem Kopf tobte ein überfüllter Zoo und drohte auszubrechen, weshalb ich entnervt aufstöhnte und die Augen schlussendlich öffnete und starr aus dem Fenster sah.

"Für die Schule hast du ganz schön wenig mit", eine kindliche Mädchenstimme riss mich aus meiner Abwesenheit. Erst dachte ich nicht daran, ich könnte gemeint gewesen sein, aber als ich einen leichten Fußtritt gegen mein Bein bekam, wand sich mein Blick vom Fenster ab und dem Verursacher des Hiebes an.

"Was?", etwas verwirrt musterte ich das junge Mädchen mit den langen strohblonden Haaren, die mich frech angrinste. Scheinbar hatte sie eine ziemlich besorgte Mutter, da sie total warm in eine viel zu dicke Jacke eingepackt war und zwei Handynummern 'für den Notfall' auf ihrer Hand geschrieben hatte.

Sie deutete auf mich und meinte, sie könnte keine Tasche erkennen und erst da fiel mir ihr großer Schulranzen auf. Unmittelbar musste ich grinsen, so einen hatte ich früher auch mal, aber mit Fußballmotiven statt mit Prinzessinen.

"Ich gehe nicht zur Schule, ich fahre nach Hause", erklärte ich ihr, auch wenn ich eigentlich keine sonderbare Lust auf eine Konversation hatte. Die Kleine war ja ganz niedlich.

"Mama sagt aber, Leute die nicht in die Schule gehen sind dumm", kam es trotzig und doch zuckersüß aus dem Mund des Mädchens. Vielsagend hob sie eine Augenbraue und grinste.

Ich zuckte nur mit den Schultern und suchte mir einen Filter aus meiner Jackentasche, den ich mir zwischen die Lippen steckte. "Dann richte deiner Mama liebe Grüße aus, ich bin fertig mit der Schule"

Darauf sagte sie nichts mehr, beobachtete mich nur still, wie ich auch meine Papes und den Tabak heraussuchte und mir eine Kippe drehte. Mit meinem Feuerzeug spielend verbrachte ich den restlichen Teil der Fahrt, da mein Unterhalter aussteigen und zur Schule musste. Mit der Station der Schule wurde es im gesamten Wagon etwas leiser und ich konnte mich etwas entspannen.

Kaum steig ich aus der Underground, zündete ich meine Zigarette an und machte mich auf den Weg zu meiner Wohnung. Um mich herum schwirrten lauter Menschen, die noch versuchten ihre Bahn zu bekommen, vergeblich drückten noch einige auf den längst nicht mehr leuchtenden Knopf zum Öffnen der Türen.

Als ich die letzten Stufen zu meiner Wohnung erreichte, spürrte ich, wie unglaublich fertig ich war. Ich hatte kaum geschlafen, fühlte mich schlapp und brauchte endlich eine heiße Dusche.

Aus den Tiefen meines Portemonnaies suchte ich meinen Schlüssel und schloss meine Wohnung auf.

"Hey Bab-", versucht freudig wollte ich nach meiner Freundin rufen, brach jedoch ab, als ich die gepacken Koffer im Flur sah. Nach kurzem Betrachten stellte ich zufrieden fest, dass es nicht meine waren. "Babe?", fragte ich, als ich ins Wohnzimmer kam und Jasmine in den Armen ihrer besten Freundin sah. Als sie laut aufschluchzte wurde mir alles klar. Ihre langen blonden Haare fielen ihr ins Gesicht und ihr Körper war von mir abgewandt, ich konnte sie nicht von vorne sehen, aber mir war klar, dass sie so schon eine ganze Weile auf der Couch saß.

"Jas", murmelte ich und trat näher zu den beiden Freundinnen, doch ehe ich meine Freundin berühren konnte sprang ihre beste Freundin auf und starrte mich zornig an.

"Lass deine dreckigen Finger von ihr du verdammter Wichser", schrie sie und klatschte mir eine. Oder eher hätte sie, wenn sie lange Arme hätte. So war es nur ein Hauch ihrer Fingerspitzen, weshalb ich grinsen musste.

Nun stand auch Jasmine auf, drehte sich zu mir und begann mir lauter Beleidigungen an den Kopf zu werfen. Kurz gesagt: alles war ein bisschen zu viel für mein verkatertes Ich. Während Jasmine heulend fluchende Wörter ausstieß und versuchte sie auf mich zu werfen, stand ich wortlos vor ihr und stöhnte ab und zu in der Hoffnung damit meine Kopfschmerzen etwas zu verdrängen, zwecklos.

Nach einer Weile wurde es still, aus unheimlich verheulten Augen sah meine Freundin zu mir auf und zwang sich regelrecht wieder gleichmäßiger zu atmen.

"Hast du denn nichts dazu zu sagen?", sie schüttelte leicht den Kopf, erneut stiegen ihr die Tränen in die Augen, erstrecht, als ich den Kopf schüttelte.

"Mein Gott, was soll ich da noch groß sagen?! Jas du kennst mich, ich liebe dich, aber wenn ich nunmal feiern bin, dann bleibe ich eben nicht nüchtern. Es tut mir leid, aber ich kann es nicht mehr ändern!", rief ich genervt und seufzte laut auf, als ich meine Rede beendet hatte.

Bei den Worten, dass ich sie liebte, erhellte sich ihr Blick leicht. Langsam, als würde sie dabei nachdenken, nickte sie. "Ich kenne dich ja...", murmelte sie.

"Genau das ist das Problem!", schrie ihre beste Freundin neben ihr und funkelte mich dabei böse an. Ich ging gar nicht wirklich darauf ein, erhob nur die Hand und deutete auf die Haustür.

"Du hälst jetzt mal die Fresse und verschwindest oder wohnst du seit neustem hier?!", meine Stimme war lauter, als ich es erwartet hatte, aber scheinbar gab mein Gebrüll den letzten Antrieb für Jasmine. Für einen Moment bawahrte sie Ruhe, atmete tief ein und aus, schloss kurz die Augen und sah mich dann finster an.

"Nein genauso wenig, wie ich noch hier wohne, es ist aus Ashton Fletcher Irwin", murmelte sie und griff nach meiner Hand. Mir war klar, dass sie jetzt nur hören wollte, wie sehr ich doch alles bereute und wie sehr ich sie doch liebte, aber ich beließ es bei der Stille, die meinem Kopf so gut tat.

"Machs gut, muss ich noch beim Koffer tragen helfen?!"

Als die Haustür ein letztes Mal laut zuschlug, ließ ich mich endlich unbeschwert, mit einem Wasserglas und einer Tablette Aspirin in den Händen, auf meine Couch sinken.Lange saß ich einfach still da und genoss wortlos die neu gewonnene Freiheit.

Es sollte so dreist und komisch klingen, wie es wollte, aber es stimmte nun noch mehr.

Jetzt war ich wirklich frei.

Ich lief langsam durch meine Wohnung, erkundete jeden Zentimeter neu, der nun ganz alleine mir gehörte. Es kam mir so vor, als hätte ich nun das, was ich die gesamte Zeit vermisst hatte. Sanft ließ ich meinen Zeigefinger über die schwarztattoovierte Haut der Innenseite meines linken Unterarms streichen. Eine kleine schwarze Schwalbe prankte dort, ich ließ sie mir stechen, kaum dass ich endlich von zu Hause ausgezogen war und mich so frei wie noch nie fühlte. Diese Freiheit war nun vollkommen. Ich würde zu der einen Schwalbe ein, zwei weitere machen, davon fliegende, weltentdeckende.

~ Man muss ein Teil von sich töten um lebendig zu sein ~

Apartment 69 - LashtonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt