„Ich kann es noch gar nicht glauben, dass heute schon die Aufführung ist", sage ich, während meine Fingerspitzen unruhig auf meinen Knien herumtippen, „das ist ja fast wie im Flug vergangen."
Tante Gab dreht sich mit einer Stofftasche in der Hand zu mir um und nickt. „Ich weiß ganz genau was du meinst, aber du solltest jetzt wirklich in dein Kostüm, sonst wird das heute gar nichts mehr, oder?"
Nur Millimeter vor meinem Gesicht, durch das ich eigentlich reiben will, hält sie meine Hände zurück und zieht eine Augenbraue hoch.
„Ach ja", murmele ich. Die Arbeit, welche sie in der letzten dreiviertel Stunde in mein Make up investiert hatte, sollte ich lieber nicht wegen meiner Nervosität verwischen. Tief atme ich aus, versuche mich dadurch zu beruhigen und die Menschenmassen, welche draußen einlaufen und von Platzanweisern auf ihre Plätze gebracht werden, auszublenden. Was sind schon ein paar Fernsehkameras und Journalisten?
„Okay." Ich straffe meine Schultern und sehe zu meiner Tante, welche die Tasche nun öffnet und das wirklich kurze, aber auch wirklich wunderschöne Kostüm herauszieht.
„Dann wollen wir das mal anziehen", sagt sie mit einem funkeln in ihren Augen, welche mich an meine alten Wettbewerbszeiten erinnern, bei denen sie mir auch immer beim Einkleiden geholfen hatte.
Ehrfürchtig halte ich meine Hände ein Stück von dem Kostüm weg. „Wow", flüstere ich und drehe mich vor dem Spiegel hin und her, sodass Tante Gab mit aller Müh und Not versucht die kleinen Haken aneinander zu befestigen.
Die Farben des Kleides sind in dunkelblau und weiß gehalten, was so aussieht, als wäre dunkelblaues Wasserfarbenwasser über ein weißes Blatt Papier gelaufen.
Der Rock besteht aus ungefähr 20 Zentimeter langem Tüll und der Brustbereich und Rücken sehen aus, als wären sie mit weißer und dunkelblauer Farbe ineinander verschlungen direkt auf meinen Körper gepinselt worden. Die weißen Ärmel, auf welchen tausende von kleinen Glitzersteinchen befestigt sind, sind mit einer Schlaufe an meinem Mittelfinger fest gemacht, welcher in einem dünnen blauen Handschuh steckt.
Von der Tür des Raumes, welche kein wirklicher Raum, sondern auch nur ein umfunktionierter Pavillon ohne Fenster ist, kommt ein überraschter, aber anerkennender Laut und im Spiegel sehe ich, dass Niko, in einem leichten Hemd und einer schwarzen Hose steht. Die Farben seines Oberteils sehen aus wie meine, nur etwas schlichter, also ohne den Glitzer.
„Du siehst sehr gut aus", sage ich und drehe mich zu ihm um, damit er mich von allen Seiten bestaunen kann.
„Wir sehen beide sehr gut aus", nickt er und fährt sich durch seine schwarzen Haare, die im leicht ins Gesicht fallen, aber von der Farbe her genau zu der Hose und seinen Schlittschuhen passen. Seine dunklen Augen blicken mich mit einem Blick an, der mir durch Mark und Bein geht. Auf eine gute Art und Weise.
„Klopf, Klopf", kommt es von draußen und gleichzeitig rufen Tante Gab und ich „herein."
Herein kommen dann zu meinem großen Erstaunen Hana und Gou, welche ich von allen Anwesenden auf dem Gelände, wirklich als letztes erwartet hätte.
„Hey ihr beiden", sagt Hana freundlich und schiebt ihren Mann ein Stück nach vorne. „Gou wollte euch vor eurem großen Auftritt noch etwas mitteilen, nicht wahr, Gou?"
Etwas mürrisch, aber auch leicht zerknirscht sieht er Hana an und atmet dann tief durch. „Ich möchte mich bei euch entschuldigen, vor allem bei dir Callie. Es war nicht richtig, dich für das Karriereaus meines Sohnes verantwortlich zu machen. Das war nicht fair. Ich kann verstehen, warum du nicht mehr weitermachen konntest. Nicht zuletzt, weil meine Frau mir mehrfach euer Unfallvideo vorgespielt hat."
DU LIEST GERADE
Crystal Christmas - Adventskalender 2020
RomanceWeihnachten zu Hause. Eigentlich könnte es nichts Schöneres geben, wenn die eigene Mutter einen nicht eiskalt für eine Spendengala wieder zurück auf das Eis schicken würde. Genau jenes, auf welchem man vor zwei Jahren einen Unfall hatte und seitdem...