9. Dezember

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Mit dem Mittelfinger male ich kleine Kreise auf den Holztisch vor mir und seufze genervt auf. Seit geschlagenen drei Stunden sitzen wir schon im Restaurant der Pauls und diskutieren über die Weihnachtsspendengala.

Naja, eigentlich diskutieren die Damen, welche sich freiwillig zur Organisation gemeldet haben, da Niko und ich nur gelangweilt am Rand sitzen und auf einem imaginären Tic-Tac-Toe Feld spielen.

„Du bist dran", seufze ich und verziehe den Mund zu einem unechten Lächeln.

„Ich habe wieder gewonnen", kommt es in dem gleichen Tonfall zurück, während Niko mit dem Finger ein X irgendwo auf den Tisch malt und mich Beifall heischend ansieht. Entnervt werfe ich ihm einen Blick aus dem Augenwinkel meiner grünen Augen zu und vergrabe mit einem lauten Aufatmen mein Gesicht in den Händen.

„Und ich habe keine Lust mehr. Weder zu spielen, noch hier zu sitzen. Können wir nicht irgendwie abhauen?"

Nikos rechte Hand legt sich auf meine linke Schulter, als er sich vorbeugt. „Wir könnten was erfinden. Sowas wie plötzliche Übelkeit oder ein dringender Termin."

„Toll, dann bist du fein raus und ich kann alleine hier vergammeln. Meine Mutter weiß, dass ich keine Termine habe. Ich lebe ja eigentlich ganz woanders."

Er schürzt die Lippen und legt seinen Denkerblick auf, was man daran erkennt, dass er sich mit dem linken Zeigefinger an das Kinn tippt. „Wie wäre es, wenn ich einen Termin habe, zu dem du unbedingt mit musst?"

Durch meine Finger hindurch sehe ich ihn an. „Und was für ein Termin wäre das?"

„Ich muss meine Eltern vom Bahnhof abholen", er sieht auf die Uhr an seinem Handgelenk, „und das ist nicht mal gelogen."

„Was? Das kann jetzt nicht dein Ernst sein. Deine Eltern kommen doch nicht etwa wegen unseres Auftritts oder?"

Niko weicht meinem Blick aus und leckt sich über die Unterlippe. „Ähm, vielleicht habe ich es beiläufig erwähnt oder irgendeine ihrer alten Freunde aus der Stadt hat es meiner Mutter erzählt. Jedenfalls kommen sie vorbei. Und ich bräuchte tatsächlich jemanden, der für mich den gemieteten Schaltwagen fährt, weil mein Dad sich weigert mit meinem Automatikwagen zu fahren, weil das neumodisches Zeug ist und bla bla. Bitte fahr mit mir hin. Ich will nicht mit ihnen alleine in einem Auto sitzen."

Ein Grinsen schleicht sich in mein Gesicht und ich hebe den Kopf wieder an, um unauffällig meine Mutter zu suchen, der ich vielleicht kurz Bescheid geben sollte. „Aber natürlich fahre ich mit dir hin, Nikolein. Wird deine Schwester auch kommen?"

„Kazumi hat vor ein paar Monaten ein Baby bekommen und möchte lieber mit ihrem Mann gemeinsam die Festtage verbringen. Außerdem findet sie es zu gefährlich mit dem Baby zu reisen. Ich bin mir nur nicht sicher, ob sie es einfach nur gefährlich findet meinen Eltern zu begegnen, weil sie und ihr Mann irgendwie geheiratet haben, ohne den Beiden Bescheid zu geben, aber so ganz genau habe ich bei der ganzen Geschichte auch noch nicht durchgeblickt", sagt er, als er meinen verwirrten Blick sieht.

„Nun ja, das sind Neuigkeiten", sage ich langsam und räuspere mich kurz, als meine Mutter, anscheinend auf dem Weg zur Toilette, an uns vorbeigeht. „Mom?"

„Ja mein Schatz?", ihre Augen switchen kurz auf Nikos Hand, welche noch immer auf meiner Schulter ruht, welche er sofort fallen lässt.

Ich hole tief Luft und lächele mein freundlichstes Lächeln. „Niko und ich müssen jetzt leider los. Seine Eltern kommen in ungefähr 30 Minuten am Bahnhof an und nein, wir können danach leider nicht wieder kommen, da sie uns beide unbedingt zum Essen einladen wollen."

Crystal Christmas - Adventskalender 2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt