Crystal Christmas - Adventskalender 2020

15. Dezember

„Ich glaube ich muss kotzen", kommt es stoßweise von mir, während ich versuche mich an der Wand abzustützen und gleichzeitig tief ein und auszuatmen. Meine andere Hand ist auf meinen Magen gepresst, der sich anfühlt, als wäre er zu fest zusammengequetscht worden und alles, was ich heute zu mir genommen hatte, war dem Anschein nach bereit, wieder hochzukommen.

Vorsichtig lehne ich meinen Kopf an die Wand und die Tränen schießen in meine Augen, als ich versuche das Würgen zu unterdrücken. Wenn ich könnte würde ich mich jetzt auf dem Boden zusammenrollen, doch da mir das gerade nicht möglich ist, bleibe ich in dieser Position einfach stehen.

Hinter mir ertönt Nikos leises Kichern und als ich mich gequält zu ihm umdrehe, die Augen zusammengekniffen und bereit ihn fauchend zur Schnecke zu machen, kommt er zwei Schritte auf mich zu und legt mir eine Hand auf die Schulter.

„Fass mich jetzt bloß nicht an", schüttele ich sie wieder ab und schlucke, bevor ich noch einmal tief durchatme.

Niko beißt sich auf die Wangen und versucht eindeutig ein Grinsen zu unterdrücken, was ich ihm mit einem Schubser austreiben will, jedoch völlig im Nachteil bin, da ich in einem Flaschenzug hänge und nicht er, weshalb ich auf einmal wieder einen Meter höher in der Luft hänge, als zuvor.

„Wir müssen das jetzt noch mindestens zwanzig Mal machen, du bist ja anscheinend gar nichts mehr gewohnt."

Mit weit aufgerissenen Augen, starre ich auf ihn hinunter und strampele mit den Beinen, was mich leider auch nicht wieder auf den Boden zurückbringt. „Nikooo", sage ich schmollend und verschränke meine Arme, „das kannst du mir nicht antun. Noch zwanzig Mal? Nein. Wirklich nicht."

Unerbittlich nickt der Schwarzhaarige und seine hohen Wangenknochen wirken aus dieser Perspektive noch schärfer, als zuvor.

„Du musst den Axel perfekt draufhaben, bevor es dich auf der Eisfläche total zerlegt, was du schließlich nicht willst. Und ich bin mir sicher, dass du es so langsam wieder drauf hast. Wir trainieren ja schließlich schon seit zwei Wochen. Also los jetzt", fordert er mich auf, bevor er mich wieder auf den Boden hinunter lässt.

Ich nicke und schließe kurz die Augen, um mich komplett auf die nun bevorstehende Übung zu konzentrieren. Eine so schnelle Drehung in ein paar Sekunden durchzuführen und danach eine ganze Kür weiterzulaufen ist der absolute Wahnsinn und ich kann absolut nicht verstehen, wie ich es früher geschafft habe, mich davon überhaupt nicht beeinträchtigen zu lassen.

„Okay, ich bin bereit", murmele ich und stelle meine Füße in Position, bevor ich hochspringe, gleichzeitig von Niko in die Luft gezogen werde und ungefähr zwanzig Mal um mich selbst rotiere, bevor er mich langsam wieder absetzt.

Selbst als ich stehe, dreht die Welt sich ein paar Meter weiter und wenn Niko mich nicht in diesem Gurt festhalten würde, wäre ich schon längst umgefallen. Ich breite die Arme zu beiden Seiten aus und kaum habe ich mich gefangen, zieht er mich erneut mit den Worten „okay, los" nach oben.

Dieses Mal fixiere ich mich auf einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand und halte kurz die Luft an, welche das Atmen während der rasanten Geschwindigkeit während des Drehens, sehr umständlich macht.

Zwanzig Wiederholungen und ein paar Zerquetschte später stehen wir wieder auf dem Eis.

„Was willst du hören?", fragt er mich quer durch die Halle und hält den iPod in der Hand, von welchem wir immer die Musik in der ganzen Halle steuern dürfen, wenn wir alleine dort sind, was der Fall ist.

Meine Schultern zucken nach oben und ich ziehe die Löcher der Ärmel meines Thermopullovers über meine Daumen, damit meine Handgelenke nicht über das Eis ratschen, falls ich hinfalle. Meine dunklen Locken habe ich in einem Bauernzopf nach hinten geflochten und um meine Ohren zu wärmen auch noch mit einem grauen Stirnband überdeckt.