18. Dezember

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Mit weit aufgerissenen Augen starre ich auf den Adventskalender und zähle noch einmal die noch übrig bleibenden Tage bis zu Nikos und meinem Auftritt am Heiligen Abend.

„Was, nur noch sechs Tage?", stammle ich und drücke das Türchen, welches ich gerade geöffnet habe, wieder zu. Auf der Rückseite, genau auf dem Geschenk, dass unter dem Weihnachtsbaum liegt, steht eine in fett gedruckte 18.

Wie soll ich in sechs Tagen auch nur die Hälfte der Kür, die Niko sich ausgedacht hat, drauf haben? Zwar haben wir heute wieder stundenlang trainiert und das, nachdem ich auch schon am frühen Morgen wieder alleine auf dem See meine Drehungen und auch Sprünge geübt habe, jedoch fühle ich mich in keinster Weise auch nur annähernd in der Lage, vor so vielen Menschen aufzutreten.

Missmutig sehe ich in die Richtung meiner Mutter, die gerade vollkommen unschuldig ein Backblech mit den wunderbar duftenden Brune Pinner aus dem Backofen zieht, den Tante Gab und sie schon seit gestern Nachmittag backen. Dabei stehen jetzt schon fünf große Körbe auf dem Boden herum, die bis zum Rand mit der Leckerei gefüllt sind.

„Ach Callie", hält meine Mutter mich zurück, als ich gerade durch die Tür nach oben in mein Zimmer verschwinden will, um mich ein wenig vom Tag auszuruhen.

Ich drehe mich um, natürlich nicht ohne vorher meine Augen zu verdrehen. Immer, wenn ich nach oben gehen möchte, hält sie mich irgendwie auf, um mir dann irgendeine Haushaltsaufgabe aufzudrücken. „Ja?"

„Ich wollte mit dir noch über etwas sprechen. Setz dich doch nochmal kurz."

Schlagartig gehe ich alle Dinge des Tages durch, bei denen ich etwas hätte falsch machen können oder vergessen, weil sie mich mit dem Du-hast-etwas-vergessen-Blick ansieht. Den kenne ich nämlich nur all zu gut.

Langsam lasse ich mich auf die Holzbank sitzen und drücke meinen Rücken durch, damit sie mir nicht wieder sagt, wie schlecht meine Haltung ist, obwohl es mir kaum möglich ist, im Hohlkreuz da zu sitzen.

Ich schlucke und werfe ihr einen auffordernden Blick zu. „Was ist denn Mom?"

„Callie, deine Vermieterin hat hier angerufen. Und sie hat auch etwas vorbeigeschickt, aber ich hatte vergessen dir früher davon zu erzählen."

„Okay. Und was wollte sie?", frage ich irritiert. Warum sollte meine Vermieterin hier anrufen. Die Miete hatte ich pünktlich überwiesen und- . „Shit, die Miete."

„Was? Nein. Davon hat sie nichts gesagt. Sie sagte, dass sie die Wohnung für Eigennutzung angemeldet hat und du möglichst bald ausziehen solltest. Und das hat sie dir schriftlich mitgeteilt. Vor drei Monaten", sagt sie vorwurfsvoll und sieht mich mit ihrem Momblick an.

Ich stütze meinen Kopf in die Hände und zermartere mir das Hirn darüber, wann ich diese Information bekommen hatte. Vielleicht war es einer der Briefe, den ich ungeöffnet gelassen hatte, weil man nie gerne Post von der Vermieterin bekam.

„Wie auch immer", winkt meine Mutter ab und ich sehe sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an, „sie hat deine Wohnung ausräumen lassen und alles an Kleidung und Dingen, die keine Möbel sind, weil du die ja sowieso von ihr übernommen hast, nach hier schicken lassen."

Meine Kinnlade sackt nach unten. Wow. Keine Arbeit und keine Wohnung. Herzlichen Glückwunsch Callie. Du hast es mal wieder geschafft. „Aber-", beginne ich und lasse es dann doch. Ändern kann ich es jetzt sowieso nicht mehr. „Mom?"

„Ja, Callie?"

„Kann ich eine Zeit lang hier wohnen bleiben? Also auch nach Weihnachten? Bis ich etwas neues gefunden habe?"

Schmunzelnd sieht sie mich an und legt ihre weiche Hand auf meine. „Natürlich mein Schatz", sagt sie sanft und lächelt mich dabei so nett an, dass ich am liebsten weinen möchte. Was ich natürlich nicht mache.

Crystal Christmas - Adventskalender 2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt