19. Dezember

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„Was ist das?", fragt Leo mich mit gerunzelter Stirn und hält eins der Geschenke, das er eigentlich einpacken soll, vor mein Gesicht.

Überall auf dem Boden liegt Geschenkpapier, Geschenkband und Schleifen, die er und ich heute aus dem Haushaltsraum nach oben in mein Zimmer geschleppt hatten und mittendrin sitzen wir beide und packen, genau wie früher, die Geschenke für unsere Freunde und Familie ein.

„Das ist ein Teesieb." Meine Hand greift nach dem kleinen orangen Männchen und kurz bevor ich es ihm wegreißen kann, zieht er die Hand weg, sodass ich aus meinem Schneidersitz nach vorne kippe und mit dem Gesicht voran auf den Boden knalle. „Au."

Seine Hände umfassen mein Gesicht und ich kneife die Augen zusammen, als er mich umdreht. Eigentlich bin ich nur auf meinen Boden gefallen, doch trotz dessen fühlt sich mein Kiefer an, als hätte mir einer mit voller Wucht ins Gesicht getreten. „Oh mein Gott, das tut mir Leid. Geht es?" Seine Stimme klingt besorgt und ich lege meine Hände auf seine Handgelenke, um sie von meinem schmerzenden Kiefer wegzuziehen.

Stöhnend öffne ich die Augen. „Das war echt dämlich", fange ich an zu lachen, „so viel zu Koordination und Gleichgewicht."

Verwirrt sieht Leo mich an, während ich lachend seine Hände von mir weghalte. „Brauchst du einen Arzt oder so? Bitte hab keine Gehirnerschütterung."

„Nein, nein", lache ich und setze mich mit seiner Hilfe auf, „tatsächlich habe ich schon schlimmere Unfälle gehabt. Schau mal bitte, gibt das einen blauen Fleck? Ich will nicht überall herumerzählen müssen, dass wir uns geprügelt haben und du mich voll erwischt hast."

Sorgsam und mit einem Grinsen auf den Lippen inspiziert er mein Gesicht und ich lege meinen Kopf in den Nacken, damit er bessere Sicht auf die Stelle hat, die Schaden genommen hat. „Nein, alles gut. Sieht wie immer super aus."

„Ach", antworte ich mit einer hochgezogenen Augenbraue und schnappe mir dann das Teesieb, welches nun am Boden liegt, um es ihm direkt vor das Gesicht zu halten. „Dieses Teesieb ist so cool, das glaubst du mir gar nicht. Man füllt den Tee da rein und dann hängt man das so an die Tasse, dass es aussieht, als würde das kleine Männchen in deiner Teetasse baden höhö."

„Oh, das ist echt cool. Wird das mein Geschenk?"

„Wer sagt, dass du ein Geschenk von mir bekommst?", grinse ich und schüttele den Kopf.

Leo verschränkt die Arme über seinem wortwörtlich hässlichem Weihnachtspullover, den ich verbrennen wollen würde, wenn ich nicht einen ganz ähnlichen tragen würde, weil das Tradition ist und diese Ugly Christmas Sweater einfach dazugehören. „Dann ist es ja gut, dass ich auch kein Geschenk für dich habe, liebste Callie. Und jetzt reich mir mal bitte das rote Geschenkpapier, ich will das hier perfekt einpacken."

Ich verdrehe die Augen und reiche ihm die Rolle mit dem roten Papier, auf dem kleine weiße Schneeflocken abgebildet sind, deren Kapazitäten in den letzten Minuten ziemlich geschrumpft sind. Nicht, weil Leo und ich dieses besondere Geschenkpapier so sehr lieben, sondern weil er offensichtlich keine Ahnung davon hat, wie man die genaue Papiergröße für das Geschenk ermittelt.

„Du musst übrigens nicht immer einen halben Meter von dem Papier nehmen und davon dann wieder die Hälfte abschneiden, weil es viel zu groß ist", starte ich einen Versuch und lächele dabei sogar ein bisschen.

„Wer bist du ?", schnaubt er, „die Geschenkverpackpolizei?"

Bestürzt lege ich mir eine Hand auf die Brust und sehe ihn mit einem schockierten Gesichtsaufdruck an. „Nein, aber ich sehe meinen Bildungsauftrag darin, dir wenigstens beizubringen, wie du ein Geschenk so verpackst, dass du keine überschüssigen Reste mehr hast. Und wenn ich beim Julenissen leben würde, wäre ich definitiv in der Verpackungsabteilung."

Crystal Christmas - Adventskalender 2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt