Mit einem lauten Gähnen strecke ich meine Glieder und drehe mich auf die linke Seite des Bettes. Meine Hand streicht über das warme Bettlaken und tastet nach dem Handy, welches ich Nachts immer zum laden an die Steckdose hänge.
Mit noch geschlossenen Augen betätige ich den Einschaltknopf und blinzele dann mehrfach in das Licht des viel zu hellen Bildschirms, um mich selbst zu zwingen nicht wieder in einen tiefen Schlaf zu fallen.
Meine Wimpern sind leicht verklebt, da ich die Mascara, welche ich gestern nach langer Zeit wieder benutzt hatte, leider nicht wieder richtig herausbekommen hatte und nach dem langen, anstrengenden Abend auch keine Lust mehr hatte mich für mehr als zwanzig Sekunden damit zu beschäftigen. Was mir in dem Moment viel wichtiger war, war mein weicher Flanellschlafanzug und die High heels von meinen Füßen zu bekommen.
Überrascht sehe ich auf die Uhrzeit und stelle fest, dass es bis zum Sonnenaufgang anscheinend noch mehr als drei Stunden sind, was ich wirklich nutzen sollte. In den letzten Tagen hatte ich es irgendwie vernachlässigt draußen an der frischen Luft zu sein und vor allem hatte ich in den letzten zwei Jahren nicht die Gelegenheit gehabt die wunderschön geschmückten Häuser in der Nachbarschaft zu betrachten, was in meiner Kindheit und auch später immer ein festes Ritual meinerseits war, wenn ich viel zu früh aufwachte, da der Muskelkater des achtstündigen Trainings mich wach hielt.
Möglichst leise versuche ich mich aus dem Bett zu rollen und nicht durch das unmöglich laute Knarzen meines Lattenrostes die restlichen Anwesenden im Haus zu wecken. Als dies erfolgreich geschafft ist, ziehe ich mir meine weichen Kuschelsocken über, fahre mir noch einmal durch meine Locken und starre mich in dem Spiegel, der über meiner Kommode hängt, an.
„Wow Callie", sage ich mit leicht kratziger Stimme und räuspere mich, „heute siehst du ja besonders beschissen aus."
Zugegebenermaßen habe ich mich in den letzten Tagen etwas hängen lassen und weder meine morgendliche Gesichtswaschroutine durchgeführt, noch meine wöchentliche Maske aufgelegt, weshalb sich meine Haut ziemlich trocken anfühlt, als ich mit meinen Händen durch mein Gesicht fahre.
Okay, neuer Tag, neue Callie. Ich straffe meine Schultern, schenke meinem Spiegelbild ein gewinnendes Lächeln und stehe dann mit einem Ruck vom Bett auf, um meine Kleidung aus dem Kleiderschrank zu nehmen und damit im angrenzenden Badezimmer zu verschwinden.
Fünfzehn Minuten später stehe ich in meinem fast bodenlangen Wintermantel gehüllt vor dem Haus und hole tief Luft. Es ist noch stockdunkel und in der Nacht hat es wieder begonnen zu schneien, weshalb die freigeräumten Straßen schon wieder mit einer zehn Zentimeter hohen Schneedecke bedeckt sind.
Die Treppenstufen der Veranda sind vereist und um nicht voll auszurutschen und mir das Steißbein zu brechen, halte ich mich vorsichtshalber am Geländer fest.
Das erste geschmückte Haus, neben unserem natürlich, lässt nicht lange auf sich warten und zeigt in einer weihnachtlichen Darstellung, wie der Weihnachtsmann mit seinem Schlitten und den Rentieren, im Garten landet. Grinsend betrachte ich die Szene und schieße ein Bild von zwei der Rentiere, die sich anscheinend zanken, da das eine Rentier dem anderen in das Hinterteil beißt.
Langsam gehe ich weiter und an all den verschiedenen Häusern hängen entweder ein paar Wichtel oder ein Weihnachtsmann an einer Leiter am Dach. Manche haben auch draußen einen Weihnachtsbaum geschmückt, welcher hell leuchtet und mir das Gefühl von Nostalgie und Kindheit, in der alles noch so unbeschwert war.
Der Schnee knirscht bei jedem Schritt unter meinen Stiefeln und obwohl ich mich in der Stille sehr alleine fühle, muss ich mich die ganze Zeit zurückhalten nicht wie eine Verrückte vor mich hin zu lächeln, da sich alles so euphorisch anfühlt, wieder durch die Straßen zu gehen und einfach wieder Zuhause zu sein. Auch, wenn meine Mutter im Moment absolut verrückt spielt. Nicht, dass sie sonst weniger anstrengend wäre, doch in den letzten Tagen hat sie wirklich jedes Mal aufs Neue den Vogel abgeschossen.
DU LIEST GERADE
Crystal Christmas - Adventskalender 2020
Storie d'amoreWeihnachten zu Hause. Eigentlich könnte es nichts Schöneres geben, wenn die eigene Mutter einen nicht eiskalt für eine Spendengala wieder zurück auf das Eis schicken würde. Genau jenes, auf welchem man vor zwei Jahren einen Unfall hatte und seitdem...