11. Dezember

185 22 31
                                    

Mit einem Ächzen schiebe ich den vollen Einkaufswagen um die Ecke des Geschäfts und drücke mit meinem gesamten Gewicht in die Gegenrichtung, damit er nicht in einen der kunstvoll gestapelten Dosentürme fährt. An jeder Ecke steht ein supertolles Sonderangebot und der Wagen füllt sich immer mehr, weshalb ich schon fast befürchte, dass Tante Gab einen zweiten benötigt, auch wenn ich nicht weiß, warum sie für eine fast zehnköpfige Familie einkauft, obwohl wir nur drei Personen sind und meine Mutter noch immer denkt, dass ich eine Diät brauche.

Quietschend kommt der Einkaufswagen zum Stehen und ich sehe mich leicht verloren nach Tante Gab um, die zwischen den ganzen Regalen umherhuscht und auch nur ohne einen Ansatz von System irgendwelche Dinge einsammelt.

Mein Nacken knackt, als ich mein linkes Ohr zu meiner linken Schulter drücke, um die rechte Seite zu dehnen.

Das gestrige Training ging acht Stunden und zum Auftakt zwang mich Niko acht Kilometer laufen zu gehen, damit ich mich aufwärmen konnte. Ich war gelaufen, aber nur unter Protest und der Bedingung, dass er mitkommen würde, weshalb sich die ganze Angelegenheit um weitere 20 Minuten verzögerte, weil er andauernd versuchte mich mit einem Sprint zu überholen und dann nach dreißig Metern Seitenstiche bekam, die er mit einer kurzen Geh pause quittierte.

Bei dem Gedanken daran muss ich lächeln und lecke mir über meine trockene Unterlippe, die durch die ganze Kälte und Heizungsluft vollkommen überfordert ist. Obwohl ich weiß, dass es das nicht verbessern wird, weigere ich mich innerlich, erneut einen Lippenpflegestift zu kaufen, da sie nach einem Gebrauch auf wundersame Weise verschwinden und dann Wochen später auftauchen, wenn ich etwas vollkommen anderes suche.

„Bist du das Callie?", werde ich aus den Gedanken gerissen und Svea, Leos Mom, taucht lachend neben mir auf. „Ich hätte dich fast nicht erkannt mit der Mütze und dem Schal. Hast du Angst, dass dir die Menschen ein Autogramm abluchsen wollen?"

„Nicht wirklich, mir ist einfach nur kalt", stelle ich lächelnd fest und merke, wie meine trockenen Lippen nun anfangen zu bluten.

„Wir stehen hier ja auch in der Kühlabteilung." Svea wirft mir einen Beifall heischenden Blick zu und ich grinse sie mit einem Nicht-dein-Ernst-Blick an. Sie schüttelt den Kopf. „Wie auch immer. Wann kommst du noch einmal vorbei? Leo redet nur noch von dir. Wenn ich nicht wüsste, dass ihr schon einmal zusammen wart und euch wieder getrennt habt, könnte man denken, dass er total in dich verliebt ist, aber was weiß ich schon von Männern?"

Nun kann ich mir ein Grinsen wirklich nicht mehr unterdrücken. „Naja, er ist dein Sohn und ich dachte immer, dass Eltern immer so ein besonderes Gespür von ihren Kindern haben, aber was weiß ich schon von Kindern?"

„Oh Callie", lacht sie und knufft mich leicht in die Seite, „ich brauche dich einfach als Schwiegertochter."

„Miss, wenn sie sich zur Seite bewegen würden, könnten wir alle weiter unsere Einkäufe tätigen", unterbricht uns die herrische Stimme eines älteren Mannes, der so aussieht, als würde er uns mit seinem Rollator gleich in die Hacken fahren, nur damit wir ihm aus dem Weg gehen, obwohl rechts von Svea noch genug Platz ist.

Svea rollt mit den Augen. „Ich muss jetzt eh los. Aber wir unterhalten uns nochmal, nicht wahr?"

„Natürlich", nicke ich und beobachte, wie sie um die nächste Ecke biegt, während der ältere Herr mit einem selbstgefälligen Grinsen an mir vorbei geht. Meine Hände umklammern den Griff des Einkaufswagens und ich presse die Lippen aufeinander, damit ich nicht aus Versehen einen bösen Kommentar ablasse. Schließlich ist es die Vorweihnachtszeit und man sollte seinen Mitmenschen gegenüber nett und zuvorkommend sein.

Hinter einem Regal entdecke ich Tante Gab, welche mich mit einer Packung Spekulatius zu sich winkt. „Sieh dir nur diese große Auswahl an. Ich weiß gar nicht, welche ich nehmen soll", sagt sie mit leichter Verzweiflung in der Stimme.

Crystal Christmas - Adventskalender 2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt