Crystal Christmas - Adventskalender 2020

17. Dezember

„Du willst aber nichts mit einem von beiden anfangen, oder ?", fragt Lilli skeptisch und sieht mich mit zusammengezogenen Augenbrauen vom Bildschirm meines Laptops an. Ihre kurzen dunkelblonden Haare, hat sie zu einem kleinen Zopf im Nacken zusammengebunden und ihre schmalen, ungezupften Augenbrauen ziehen sich so zusammen, dass die Falte, welche man auch als Zornesfalte bezeichnet, klar zu sehen ist.

„Verzieh das Gesicht nicht so", erinnere ich sie, wie auch schon unser ganzes Leben lang,  und weiche, meiner Meinung nach,  sehr gekonnt der Frage aus, die sie mir gestellt hat.

Sie seufzt auf und schaut mit einem kurzen Blick aus ihren blauen Augen auf ihr Handy, um zu kontrollieren, ob ihr Freund sich nicht bei ihr gemeldet hat.

Auch ich seufze auf. „Ich würde dir doch was sagen, wenn ich es selbst wüsste."

„Und eigentlich würde ich mich freuen, wenn du mit beiden gleichzeitig etwas laufen haben würdest, aber erstens ist sowas echt beschissen und zweitens bist du mit beiden schon so lange befreundet oder nicht mehr zusammen, dass es irgendwie auch etwas zerstören könnte, wenn du dich mit egal wem auf mehr einlassen würdest."

„Ich weiß", jammere ich und stütze meinen Kopf auf meinen Händen ab. Er fühlt sich so unendlich schwer an.

Lilli war schon immer meine beste Freundin und auf ihren Rat zu hören, ist manchmal eine der besten Entscheidungen, die man treffen kann. Aber auch nur manchmal. 

„Andererseits", kommt es von ihr, wobei sie das „A" ziemlich lange dehnt und mich mit einem Grinsen ihres perfekten Zahnspangenlächelns ansieht, „andererseits musst du vielleicht auch einfach dein Herz entscheiden lassen. Beide sind ziemlich heiß geworden in den letzten Jahren. Und bevor du fragst. Ja, ich habe gestalkt."

Ich lecke mir über die Unterlippe und lehne mich ein Stückchen vor, weil ich ein wenig Angst habe, dass meine Mutter und Tante auf einmal hereinkommen könnten, da sie schon seit ein paar Stunden beim Treffen ihres Komitees sind, welchem ich heute geschickt mit einer Migränevortäuschung und der Unterstützung Tante Gabs entgehen konnte. „Oh. Ja. Es ist ja nicht so, als würde ich Menschen nur nach ihrem Äußeren bewerten, aber sie haben sich tatsächlich sehr gut entwickelt. Also wirklich gut."

Lilli nippt an einer Teetasse und lehnt sich auch ein Stückchen nach vorne, sodass wir uns Auge in Auge gegenüber sitzen würden, wenn sie nicht ganz woanders wäre und nur zweidimensional in meinem Bildschirm. „Ich habe aber auch diese komische Isa gesehen. Seine neue Partnerin. Offensichtlich verstehen sich die beiden ja richtig gut miteinander."

„Keine Ahnung", zucke ich mit den Schultern, „jedes Mal, wenn ich sie sehe bringt sie einen gemeinen Kommentar. Sie hat nicht einmal versucht nett zu mir zu sein, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich es jetzt auch nicht wirklich versucht."

„Vielleicht steht sie ja auf dich. Aber egal, du hast ja schon eine beste Freundin und man muss auch nicht mit jedem befreundet sein", stellt sie abschließend fest, bevor sie mit einem Augenrollen erneut auf ihr Handy sieht. „Du, ich muss los. Ich habe noch ein Treffen mit ein paar Arbeitskollegen. Sie haben die Weihnachtsfeier natürlich in den Dezember gelegt. Ist ja nicht so, als wären alle Termine im Dezember und die ganze Zeit, die man auch nur ein wenig haben könnte, wird dadurch aufgesaugt, dass man von einer Weihnachtsfeier zur nächsten hopst."

„Dann wünsche ich dir viel Spaß. Hab dich lieb", beende ich das Gespräch und nachdem sie es erwidert und wir uns zuwinken, was irgendwie komisch ist, weil man sich im echten Leben beim Abschluss eines Gespräches auch nie zuwinkt, lege ich auf.

Tief durchatmend streiche ich meine Haare, welche über die Schulter gerutscht sind, wieder zurück an Ort und Stelle. Die Luft ist sehr trocken und riecht nach Glühwein, da Tante Gab vor zwei Tagen eine Kerze mit Glühweinduft angezündet hatte und der Geruch seitdem im Wohnzimmer herumwaberte, obwohl wir andauernd die Fenster öffneten, um durchzulüften.