Der Wecker klingelte. Wie an jedem gleichen, monotonen Morgen brachte ich ihn mit meiner Faust zum Schweigen. Es war ein Tag wie jeder andere. Langweilig. Voller Arbeit.
Ich zwang mich aus dem Bett und nach dem Beenden meiner Morgenroutine begab ich mich auf den Weg in die Arbeit - das Krankenhaus. In letzter Zeit war mein Job sehr stressig gewesen. Viele Op's in kleinen Zeitabständen, einige meiner Kollegen hatten gekündigt.Zuerst dachte ich, das würde mir helfen mich zu verbessern und den ständigen Konkurrenzkampf unter uns ein wenig besänftigen. Aber genau das Gegenteil trat ein. Jeder Morgen an dem ich in die Arbeit musste fiel mir schwer, da ich nicht wusste, was an diesem Tag auf mich zukommen würde, geschweige denn wie lange der Arbeitstag sein würde. Mir war bewusst, dass niemand auf mich warten würde wenn ich nach meinem anstrengenden Tag das Haus betrat. Der Gedanke, dass es niemanden auffallen würde, verschwände ich, verletzte mich. Meinem Vater war ich egal, Freunde hatte ich wegen der Fremdgehsache damals, welche ich - genauso wie die Beziehung mit Ella - erfolgreich verdrängte, auch nicht mehr. Mein Leben war einfach nurnoch leer und einsam.
Im Krankenhaus angekommen verschwand ich in meinem Büro, kümmerte mich dort um einige Berichte, Unterlagen und zog mich danach schließlich um. Kurze Zeit später ging es für mich in den OP, der Eingriff nahm viel Zeit in Anspruch. So viel, dass mein Arbeitstag danach eigentlich vorbei gewesen wäre, wäre da nicht dieser Zwischenfall passiert.
Eine der Schwestern kam aufgeregt zu mir: "Dr. Kestner, eine Ihrer früheren Herzpatientinnen hatte heute einen schweren Autounfall. Sie liegt im Koma und die Ärzte auf der Intensivstation sind sich nicht sicher ob ihr Herz das übersteht, ihre Herztöne scheinen nicht besonders gut zu sein."
Ich verdrehte genervt die Augen. Kann ich auch einmal pünktlich Schluss machen!?, dachte ich mir.
"Sie wissen schon, dass ich jetzt Feierabend habe und mir diesen, nach meiner mehr als erfolgreich durchgeführten OP, auch verdient habe?"
"Sind ihre ehemaligen Patienten Ihnen denn so egal?", sagte die Kollegin schockiert.
Ohne ein Wort zu antworten riss ich ihr die Patientenakte aus der Hand und machte mich auf den Weg Richtung Intensivstation. Lust hatte ich keine mehr, aber was will man machen wenn man der einzige kompetente Mitarbeiter auf der Kardiologie ist?Vor dem Zimmer angekommen schlug ich die Akte der Patientin auf. Der Name, den ich dort zu sehen bekam, schockierte mich. Ella Mondie. Ich las erneut, und daraufhin gleich nochmal, weil ich meinen Augen nicht trauen konnte.
Nein, sprach ich zu mir selbst, nein, das ist nicht wahr. Das ist einfach nur ein böser Albtraum und wenn du aufwachst ist alles wieder vorbei.
Ich atmete tief ein und aus und versuchte mich zu sammeln. Ich war mir nicht sicher, ob ich das konnte. In ihr Zimmer gehen und so tun als wäre alles normal, als wäre nichts passiert. Sie hasste mich, was ich verstehen konnte. Aber wirklich gerne hatte ich sie mittlerweile auch nicht mehr. Wenn sie mich wirklich geliebt hätte, hätte sie mir verziehen. Hat sie aber nicht.Das redete ich mir in den letzten Jahren immer wieder ein, um mein schlechtes Gewissen zu minimieren. Und es funktionierte auch. Irgendwie.
Schließlich nahm ich all meinen Mut zusammen und klopfte an der Tür, welche ich anschließend öffnete. Auch wenn sie im Koma lag wollte ich nicht einfach so in ihr Zimmer platzen.
Sie lag da und schlief friedlich. Ihr zerkratzes Gesicht war teilweise überdeckt mit einem Sauerstoffschlauch und trotzdem war sie so schön wie ich sie in Erinnerung hatte. Nein, sogar noch schöner.
Der Anblick der sich mir bot war wie ein Stich ins Herz. Ich starrte auf das EKG, welches ihre Herztöne zeigte und sah, dass diese wirklich nicht besonders gut waren.
Mir wurde plötzlich schwindelig, was ich nicht verstand. Ich musste mich hinsetzen, sonst wäre ich vermutlich umgefallen und mein eigener Patient geworden.Während ich, schockiert von Ellas Anblick, auf dem Stuhl im Raum saß, überlegte ich fieberhaft nach einem Medikament, das ihr helfen könnte.
Als es mir wieder ein wenig besser ging begab ich mich auf den Weg, dieses zu holen und verabreichte es ihr schließlich, als ich wieder im Raum ankam.
Sie atmete schwer und ich hatte Angst sie würde damit aufhören.
Den Raum hätte ich am liebsten verlassen, da mir nun wieder Fragen in den Kopf kamen wie: Warum hast du das damals gemacht? Liebst du sie immer noch?
Ich schüttelte den Kopf und stellte den Stuhl, der nah beim Fenster stand, neben Ellas Bett.
"Ach Ella", fing ich an auf sie einzureden, wollte es aber sofort wieder lassen, da es mir komisch vorkam, mich mit jemanden zu unterhalten, der im Koma lag und mich, noch dazu, wahrscheinlich immer noch hasste. Irgendwas in mir wollte aber nicht aufhören.
"Was machst du denn für Sachen..Jetzt mal ehrlich. Du siehst noch schlimmer aus als damals...Als wir uns zum ersten mal gesehen haben. Weißt du noch? Du warst total verschwitzt und aufgeregt, weil du mich so toll fandest", scherzte ich.Ich konnte sehen, wie sich die Herztöne wieder ein wenig besserten. Vielleicht ja, weil sie mich vermisst hat und sich freut mich wieder zu sehen, besser gesagt zu hören, dachte ich, verbannte diesen Gedanken aber ganz schnell wieder aus meinem Kopf. Nein Frank, das Medikament wirkt einfach nur, denk nicht so dummes Zeug.
Ich beugte mich langsam nach vorne an ihr Ohr, ohne wirklich darüber nachzudenken, was ich da gerade tat und ob es das Richtige war.
"Ella", flüsterte ich sanft, "es tut mir so schrecklich leid."
Ich schloss die Augen und ließ meinen Oberkörper langsam wieder nach hinten fallen, sodass ich in einer geraden Position auf dem Stuhl saß. Ich bildete mir ein, ein Lächeln auf ihren Lippen gesehen zu haben bevor ich mich erhob und, ohne den Stuhl aufzuräumen, zur Tür ging.
"Bitte werd' wieder gesund", verabschiedete ich mich von Ella bevor ich schließlich das Zimmer und anschließend das Krankenhaus verließ und mich gerührt in mein Auto setzte. So viele Erinnerungen, Erinnerungen die ich in den letzten Jahren immer wieder verdrängte, kamen in mir hoch.
Ich musste immer wieder daran denken, wie schlimm die Zeit damals für mich war und fühlte mich in die Situation und meine damalige Gefühlslage hineinversetzt.
Ein Betrüger bleibt ein Betrüger. Oder?------------------
Was sagt ihr dazu?
Wacht Ella wieder auf?Euch noch einen schönen Sonntag :)
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Herzschmerz
RomanceIn Ellas Leben läuft alles bergab. Richtig schlimm wird das Ganze, als sie auch noch ihren Job verliert und plötzlich eine schwere Krankheit bekommt. Als sie letztendlich im Krankenhaus landet, lernt sie den arroganten Arzt Dr. Frank Kestner kennen...