Kapitel 48 - Frank

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Der nächste Arbeitstag war stressig. Ich rannte die ganze Zeit wie aufgescheucht auf der Kardiologie umher und kam so kaum dazu, meine Büroarbeit zu erledigen.
Wieder wurde ich von einer Schwester in ein Patientenzimmer gerufen: "Dr Kestner, wir brauchen Sie hier!" Und erneut eilte ich los.
Die Stunden vergingen schneller als sonst und fast hätte ich vergessen, Ella zu besuchen. Als sich der Stress am Nachmittag minderte und ich schließlich am Schreibtisch saß, kam sie mir allerdings wieder in den Kopf.
Ich entschloss mich also kurzerhand dazu, ihr einen kleinen Besuch abzustatten.

Wieder stand ich tief ein-und ausatmend vor ihrer Tür und trat nach kurzem Klopfen ein.
Als ich sie erblickte erschrak ich: "Ella!"
Sie starrte mich mit großen Augen an.
"Du bist ja wieder wach! Endlich! Du glaubst gar nicht wie froh ich darüber bin", sprach ich glücklich.
Sie sagte nichts. In ihrem Gesichtsausdruck konnte ich Trauer und Wut erkennen.
Mit schwacher Stimme ergriff sie nun doch das Wort.
"Geh", war alles was sie mir mitteilte.
Ich ignorierte ihre Aufforderung und näherte mich ihrem Bett.
"Wie geht's dir?"
"Was willst du hier? Wer oder was gibt dir die Erlaubnis, die ganze Zeit in mein Zimmer zu kommen? Du solltest mittlerweile verstanden haben, dass ich dich nicht mehr sehen will!", schrie sie mich an.

An ihrer Körperhaltung konnte ich deutlich sehen, wie sie immer schwächer wurde. Das Reden kostete ihr offensichtlich sehr viel Kraft.
"Ella beruhige dich! Du hast nicht die nötige Kraft dazu, dich so aufzuregen!", redete ich besänftigend auf sie ein.
Meine Bitte schien sie aber nicht sonderlich zu interessieren, da sie direkt wieder ausrastete: "Wenn du willst, dass ich mich beruhige, dann verschwinde doch jetzt endlich!"
"Ella bitte be-"
"Nein!! Geh!!", unterbrach sie mich.
Langsam wurde auch ich wütend.
"Wie kann man eigentlich so nachtragend sein? Ich weiß, das was ich getan habe war verletzend! Aber es ist schon Jahre her! Und ich mache mir vielleicht Sorgen um dich, wenn du tagelang im Koma liegst!? Du denkst aber auch anscheinend nie darüber nach, welche Konsequenzen dein Verhalten für andere hat und welche Gefühle es bei ihnen auslöst! Für dich zählen immer nur die Fehler der Anderen! Weil die tolle Ella ja so perfekt ist und nie was falsch macht!", platzte es aus mir heraus.
Getrieben von meiner Wut stürmte ich aus ihrem Zimmer ehe sie mir antworten konnte, was sie wahrscheinlich auch nicht vorhatte.

Während des restlichen Arbeitstages hatte ich genug Zeit mich ein wenig zu beruhigen, sodass mein Gemüt sich von Zeit zu Zeit besänftigte.

Nachdem ich all meine Arbeit erledigt hatte, kam mir Ella erneut in den Kopf. Die besuch' ich heute ganz sicher nicht mehr, dachte ich mir, während ich in meine Alltagskleidung schlüpfte. Nachdem ich das Krankenhaus verlassen hatte und mit dem Auto auf dem Weg nach Hause war, schlich sich bei mir trotzdem langsam ein schlechtes Gewissen ein. Ella ist krank. Sie hatte einen schweren Unfall und das Koma war sicherlich kein Zuckerschlecken. Ich hätte sie nicht so anschreien dürfen..
Zuhause angekommen erweiterten sich diese Gedanken, sodass ich sie einfach nicht mehr verdrängen konnte.
Ob beim Kochen oder Fernsehen, mein Gewissen ließ mich nicht mehr in Frieden. Nein Frank! Ella hätte auch freundlicher zu dir sein können, sprach ich zu mir selbst, außerdem ist sie viel zu nachtragend!, versuchte ich mein eigenes Verhalten zu rechtfertigen.

Ein weiteres Mal plagten mich meine Gedanken wegen Ella, als ich versuchte einzuschlafen. Die Situation erinnerte mich an früher. Ella schaffte es ja schließlich nicht zum ersten Mal, dass ich wegen ihr nicht einschlafen konnte. Ob im positiven oder negativen Sinn...

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Endlich ist Ella wieder wach! :)
Wie findet ihr Franks Reaktion auf ihr gereiztes Gemüt? Hat er Recht oder nicht?
Über eure Votes und Kommentare freuen wir uns sehr ;)

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