Teil 33

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"Ich habe dich gewarnt", flüstert Toni leise im Aufzug zum Empfang. Doch seine Worte dringen nicht bis in mein Gehirn vor, ich fühle mich, wie in Watte gepackt, es ist alles so unendlich weit weg.

"Oh Gott Linda", ruft Lilly aufgeregt, springt sofort auf und kommt ein paar Sekunden später mit dem Erste-Hilfe-Koffer aus dem kleinen Büro zurück. "Setz dich, ich sage Andy Bescheid." Ich lasse mich ausgelaugt auf ihren Stuhl fallen und Toni stellt sich so hin, dass mich niemand auf den ersten Blick erkennt. Andy taucht auf und bleibt wie angewurzelt stehen.

"Du? Ich habe gedacht, es hat sich ein Gast verletzt?! Lass mal sehen", er dreht mein Kopf ein Stück zur Seite, um meinen Hals zu begutachten. "Geh ins Büro, wir brauchen keine Zuschauer", er hält mir helfend seine Hand hin und platziert mich auf einen der Stühle. Zieht ein paar Handschuhe an, holt Tupfer und Desinfektion aus dem Koffer. Vorsichtig tupft er das Blut weg und betrachtet den Schnitt genauer.

"Das sieht schlimmer aus, als es ist. Ich verklebe es mit einem großen Pflaster und in ein paar Tagen ist davon nichts mehr zu sehen."

"Danke Andy", krächze ich, "ich gebe eine Runde in der Bar aus, kommt ihr?!" Alle nicken schweigend und folgen mir.

Ich bestelle Tequila Shots und direkt eine Zweite hinter her. Bis mir siedend heiß einfällt, dass Aleks über meinen Abgang nicht Bescheid weiß. Umständlich hole ich mein Handy aus der Clutch und versuche, sie anzurufen.

"Wo steckst du?", fragt sie aufgeregt.

"Im Rose, soll Tom dich abholen?"

"Flo bringt mich gerade nach Hause, er sucht dich schon überall. Linda, was ist passiert?"

"Ich erkläre dir morgen alles. Hat der Vater noch etwas zu dir gesagt?"

Sie lacht herzhaft: "Und ob, Marin war so brav wie ein Schoßhündchen. Flo und sein Vater sind dermaßen aneinandergeraten, dass wir befürchtet haben, die bringen sich gegenseitig um, die Mutter ist aber dazwischen gegangen und hat die zwei Kampfhähne auseinandergetrieben. Ich bin zuhause und schicke Flo zu dir."

Bevor ich ablehnen kann, hat sie schon aufgelegt. Noch mehr Drama vertrage ich an diesem Abend nicht. Ich lasse mir von Jule die ganze Flasche Tequila geben und nehme sie mit hoch in mein Büro. Toni sitzt mir gegenüber auf der Couch, die indirekte Beleuchtung, lässt ihn noch gefährlicher wirken und ich wappne mich für seine Ansage.

"Es gibt eine neue Spur. Steffi wollte morgen früh mit dir darüber sprechen, aber ich bin der Meinung, du musst es jetzt erfahren. Es handelt sich nur um eine Vermutung, aber es sieht so aus, dass der Clan etwas mit der Ermordung von deinem Vater zu tun haben könnte. Dieser Cousin, Tarik, steckt wohl mächtig in der Scheiße, die bekommen kalte Füße -", ich unterbreche Toni mit einem Handzeichen.

"Halt! Stop! Du erzählst mir so nebenbei, dass die den Mordfall eventuell neu aufrollen, nach über fünfzehn Jahren?!"

"Steffi und ich haben ein Feierabendbier zusammen getrunken, sie hat mich gefragt, wo du heute Abend bist. Sie war ebenfalls nicht begeistert, dass du mit Aleks ohne Begleitung dort hingegangen bist, denn Tarik hat bis gestern noch in U-Haft gesessen."

"Willst du auch noch einen?", ich schwenke den Tequila und Toni schüttelt mit dem Kopf. "Danke das du mich abgeholt hast, du kannst mich jetzt allein lassen, ich bin mit Mister Tequila in bester Gesellschaft", sage ich müde und trinke einen großen Schluck direkt aus der Flasche.

"Für mein Mädchen immer", er gibt mir zum Abschied einen Kuss auf den Scheitel und schließt leise die Bürotür. Ich kicke die High Heels von den Füßen, ziehe die Haarnadeln aus der Frisur und werfe sie auf den Tisch. Mit den Fingern versuche ich alles aufzulockern, doch die Knoten lassen sich nicht so einfach entfernen. In der obersten Schublade vom Schreibtisch habe ich eine kleine Bürste, die ich mir hole und im Spiegel des Fensters meine Haare vernünftig durchkämme. Es klopft vorsichtig. "Herein", rufe ich matt.

Dark Rose Band 1 ~ Du und ich ~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt