Generation Antihero 3

Wie lang zwei Stunden sein können

Koi stopfte seine Tasche in den Fußraum vom Lamborghini. Shota stellte sich mit seinem Koffer hinter ihn: "Und wohin soll ich eigentlich?". Der jüngere Bruder sah den Zweisitzer an und verzog den Blick: "Gute Frage...". Lucky setzte sich ans Lenkrad und schmunzelte gemein: "Ihr könnt doch in eurem Auto fahren und ich habe eine gerechte gute Fahrt alleine". Koi schubste Shota weg und setzte sich stur auf den Beifahrersitz: "Ich hab das Teil finanziert!". An Zigz Wagen stand Shark, welcher versuchte, Jurij auf dem Kindersitz anzuschnallen. Kiki hockte auf dem Beifahrersitz und beobachtete ihn dabei: "Du musst die Schnalle zum unteren Gurt bringen. Es sind zwei, siehst du es?". Zigz lachte, derweil er nachtankte: "Ich habe dafür auch viele Anläufe gebraucht". "Warum muss ich versuchen, wenn er schon fertig war?", hinterfragte Shark gereizt. Shota schliff sich zu ihnen rüber: "Ihr seid schon voll, oder?". "Also auf der Rückbank sitzen nur Jurij und Spenc-", lächelte Kiki erst, sah sich Shark an und brach dann ab, "Ja, wir sind voll". Zigz witzelte: "Oder du setzte dich zwischen die Ziege und den Papageien". Shark knurrte defensiv: "Nein".

Arrow hüpfte aufgeregt vor Ilus: "Ich fasse es nicht, dass du mir einen Wagen gegeben hast! Mit Sicherheit war das die schlimmste Entscheidung deines Lebens!". "Du kannst besser fahren als ich. Sieh es als Dienstwagen an und mach ihn bitte nicht kaputt. Ich weiß, dass bei dir unter anderem Jolly mitfährt. Übernehmt euch nicht", wies er hin. "Ach, als hätten wir schon etwas kaputt gemacht!", winkte er ab. Ilus drehte ihn um: "Ich wüsste Ehrlichkeit übrigens sehr zu schätzen". Schließlich kam Shota bei ihm an: "Weißt du, ob irgendwer noch Platz für einen schwulen Durchgeknallten hat?". "Ich hab meinen Platz doch schon", hob Ilus eine Augenbraue. "Noch durchgeknallter und mit einem hübscheren Hintern", konterte Shota schlecht gelaunt. Henry guckte hervor: "Ich bin auch hier". Ehe Shota weiter ins Detail ging, sprach Dexter auf der Rückbank dazwischen: "Ist es möglich, sich einen eigenen Wagen innerhalb zwei Minuten zu kaufen - jetzt?". 

Ilus beantwortete Shotas Frage: "Eigentlich habe ich gesagt, dass ihr das unter euch klären sollt. Ansonsten wüsste ich gerade nur, dass bei uns-". Shota schmiss sich neben Dexter auf die Rückbank. "Dann sollten ja alle versorgt sein...", so setzte Ilus sich hin und hupte zwei Mal, um die Abfahrt anzukündigen. Shota sah Dexter flirtend an: "Wie alt bist du eigentlich?". Dexter schielte ihn schief an, stellte den Koffer zwischen ihnen hochkant, zog seinen Hut auf die Nasenspitze runter und versteckte sich im Fell von Vanilla auf seinem Schoß. Henry sah Shota auch scharf im Rückspiegel an: "Er wird dieses Jahr zwanzig...". "Oh Gott, alle so jung. Wo sind denn die Menschen meines Alters hin?", machte Shota große Augen. Ilus gab als Tipp: "Die meisten über dreißig findest du in der zweiten Liga". "...Ich bin noch nicht dreißig...", murrte Shota leicht beleidigt.

Henry warnte: "Wenn du jetzt schlechte Laune versprühst, dann werfe ich dich mitten auf dem Highway raus". "Wurdest du soeben von deinem Bruder fallen gelassen?", verteidigte er sich. Ilus beruhigte ihn: "Es sollte verständlich sein, dass Koi mit dem alten Wagen keine drei Stunden fahren will. Außerdem steht er immer hinter dir - mit einer scharf gezogenen Sniper Rifle. Er wird es begriffen haben, dass du wegen ihm kurz vor knapp vom College geflogen bist. Du bist für ihn ohne Waffen und ohne Schutz in einen sehr gefährlichen Kampf gerannt, um ihn da raus zu zerren. Also wird er dich mit seinem gesamten Arsenal schützen". "Wirklich?", leuchteten Shotas Augen auf. "Wenn nicht, dann gebe ich ihm den Auftrag. Schließlich haben sich Brüder gegenseitig zu schützen. Egal, wer der Ältere ist und egal, wie weit entfernt man voneinander lebt", säuselte Ilus, in Gedanken an Mitya, welcher vor wenigen Stunden in den Flieger zurück nach Russland gestiegen war. 

Er sah in den Rückspiegel, wo alle brav und geordnet hinter ihm fuhren. Was er nicht wusste - Genau in dem Moment fragte Lucky: "Willst du die neue Musikanlage testen?". "Du hast eine installiert?", fragte Koi großäugig. Stolz nickte Lucky: "Sogar mit Bassverstärker". Doch Koi war nicht so glücklich: "Du hast an diesem Auto rum geschraubt?!". "Und es fährt noch!", konterte er. "Ich werde dich töten, wenn hier etwas kaputt geht", drohte Koi ihm an und koppelte die Anlage mit seinem Handy. Eine Minute später driftete der Sportwagen in Highspeed zu "Tokyo Drift" an Ilus vorbei. Shota regte sich auf: "Das nächste Mal setze ich mich einfach auf's Dach!". Henry neigte seinen Kopf: "Das sieht nach Der erste Abend ist ohne sie aus". Ilus kramte im Handschuhfach rum: "Ich kann zwar nicht auf die gleiche Geschwindigkeit kommen wie deren Hypercar, aber sie dürfen gar nicht die Höchstgeschwindigkeit annehmen". Unwohl sah Henry auf die CD, die Ilus ins Radio schob.

Er bekam Erinnerungen an ihre Fahrt zu Ilus' Heimatstadt. Immerhin konnte er sich sicher sein, dass hier kein Panzer quer über die Straße gerollt wäre. Von der Musik wurde Dexter, der anscheinend schnell eingeschlafen war, genau so schnell wieder wach. Er nahm den Hut von seinem Gesicht und sah sich um: "Dreht Ilus gerade durch oder werden wir einfach so sehr schnell?". Henry warnte: "Halt dich fest". Zum Refrain holte Ilus weit aus und driftete vor den Lambo. Aus dem Fenster rief er: "Wir haben ausgemacht, dass alle hinter mir fahren! Das betrifft auch euch Drama-Queens!". Shota lehnte sich nun zurück: "Ein normaler weiterer Donnerstag...". Dexter fragte: "Wir überleben das doch, oder?". Henry sah aus dem Fenster: "Wenn sie jetzt nicht weiter provozieren, dann haben wir eine Chance". Zu ihrem Glück gaben die beiden tatsächlich nach und machten nicht weiter Stress.

Aber auch nur, weil Koi wieder mal gedrängt hatte: "Wir sind jetzt auf einer langen Fahrt zu zweit. Erzähl mir, was los ist". Lucky nahm Geschwindigkeit raus und seufzte stark auf: "Fein... Als ich im Militär diente, habe ich noch bei meinen Eltern gewohnt. Meiner Familie hat es halt nicht so gefallen, dass ich den Job wegen der Spielsucht und einen gefolgten Amoklauf im Casino verloren habe. Vor allem, weil mein Vater schwer krank und ich zu dem Zeitpunkt die einzige Einnahmequelle war... Ich habe es nicht ausgehalten, wie meine Mutter geweint und wie meine Schwester mich angeschrien hat. Vor allem hat meine Schwester ja schon tausend mal gesagt, dass ich gar nicht erst nach Hause kehren zu brauche. Also habe ich alles weg geworfen und mich dem Straßenleben gewidmet. Ich frage mich nur... hoffe, dass es ihnen gut geht. Und dass mein Vater noch lebt". Still und mit weiten Augen schielte Koi ihn an.

Als er endlich dazu kam, Worte zu finden, vibrierte sein Handy. Er sah drauf, zog stark zusammen und wies hektisch an: "Wir sollten ganz schnell voraus fahren!". "Ich habe jetzt wirklich keine Lust, von Ilus geköpft zu werden", sank sein Blick ein. "Werden wir sowieso! Zwei wahrscheinlich wütende Weiber tracken gerade mein Handy!", schob er Panik und packte schon seinen Laptop aus. Er schloss sein Handy am Laptop an und gab irgendwelche komplizierten Formeln ein. Lucky verstand von dem ganzen Kram sowieso nichts und brauchte nicht nachzufragen. Koi sah sein Handy bemitleidend an: "Das wird mir mehr weh tun als dir". Danach öffnete er das Fenster, schnallte sich ab und setzte sich auf den Rahmen. Lucky schrie auf: "Komm wieder runter!". 

Zwei Wagen hinter ihnen fuhr Zigz und Kiki sah sich das Geschehen schief an: "Was machen die da?". Zigz zog die Schultern hoch: "Ich würde es mit Lucky auch nicht länger als eine Stunde auf so engem Raum aushalten. Deswegen bin ich ja so selten in meinem Zimmer". Shark merkte an: "Koi klettert auf das Dach". Ilus war zu sehr auf die Straße fokussiert, jedoch sah Shota im Rückspiegel, was passierte. Rasch drehte er sich um und sah durch die Heckscheibe. Auf einer anderen Spur lachte Faye auf: "Emily, er hat es gemerkt". Sie stöhnte genervt am Lenkrad: "Kannst du ihn nicht so hacken, dass er es nicht merkt?". Sie war etwas enttäuscht: "Er sieht nicht glücklich aus... Und tut mir ja leid, dass ich in der Schule nicht besser beim Thema illegales Tracking aufgepasst habe, um es mir heute selbst beizubringen". Plötzlich flog etwas durch ihre Frontscheibe. Erschrocken sahen sie auf das Handy der Rückbank. War der Blick wieder vor ihnen, sahen sie direkt eine Waffe an. Drei Schüsse fielen und schon mit dem zweiten Schuss hörte ihr Wagen auf zu fahren. 

Koi kroch zurück in den Innenraum des Lambos und knurrte vor sich hin: "Wie verdammte Kakerlaken!". Lucky war aufgebracht: "Mach das nie wieder! Am Ende wäre das meine Verantwortung gewesen, dass du vom Dach geflogen bist!". Ein Schnauben kam zurück: "Als könntest du dir meine Einäscherung nicht leisten!". Im Auto vor ihnen fragte Shota: "Habt ihr das auch gesehen?". Ilus fragte: "Was denn?". "Ach egal...", versuchte er sich zu entspannen.