Selbstsicher abstürzen

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Kaum einer konnte die Performance glauben, die Henry in den vergangenen Tagen darlegte. Seine Pläne waren ausgeklügelt und weit um die Ecke gedacht. Sie hätten eigentlich alle schon ausbrechen können, aber Henry ging eine Stufe höher und sicherte noch etwas ihre Gewissheit ab. Er zeichnete auf, wie welche Wachen in Dienste und wo in Pausen gingen. So konnten sie am Ende den meisten Gefahren umgehen. Wie Faye es gesagt hatte, holte sie Shota mit Geld raus. Es war nach Henrys Plan der letzte Tag, den sie in diesem Gebäude verbrachten. Jetzt war es nur noch wichtig, dass keiner alleine in deren Zelle war. Eigentlich schlug Henry den einfachen Weg vor, dass Zigz zu Koi geschoben wurde. Jedoch bestand Lucky darauf, dass er mit Koi in eine Zelle kam. Henry wollte ihm das Vertrauen geben und überließ ihm, wie er die Wachen dazu überredete.

So ging er mit Koi zu einer weiblichen Wache hin, weil er dort auf mehr Sanftmut hoffte. Aber sie wurden sofort rau angesprochen: "Was wollt ihr?". Lucky hielt sich direkt: "Es geht um unsere Zellenaufteilung. Auf einen längeren Zeitraum gesehen wäre es besser, wenn ich zu meinem Freund könnte". "Warum zur Hölle sollten wir das beachten? Ihr habt genug Zeit und könnt euch von der jeweiligen Zelle aus sehen", schnaubte sie abwertend. Lucky rechnete eben mit einem simplen Ja, weshalb ihm kein Argument einfiel. Also schritt Koi ein, indem er Luckys Taille umgriff: "Ich tendiere dazu... einsam zu werden... Ich denke keiner von uns will, dass ich nachts nach Aufmerksamkeit schreie, hm?". Sie stöhnte genervt: "Habt ihr Prinzessinnen noch irgendwelche extra Bedürfnisse?". Koi antwortete mit: "Tatsächlich ja", woraufhin die Wächterin laut seufzte. Koi erklärte schnell: "Unser Großer ist ebenfalls nicht gerne ohne seinen besten Freund. Er kann sehr stark und offensiv werden, wenn er nicht mit ihm reden kann".

Auch wenn Koi glatt am laufenden Fließband log, sie bekamen ihr erwünschtes Ergebnis. Am späten Abend wurde die Spannung größer und kaum einer konnte abwarten, raus zu kommen. Ilus war feste überzeugt: "Dein Plan ist perfekt und makellos. Ich bin auf der einen Seite zwar unglaublich stolz, aber auf der anderen Seite bewundere ich dich nur mehr. Du bist unglaublich, Henry". Er sah ihn über seine Schulter an: "Ich weiß das sehr zu schätzen, aber es kann immer noch so einiges schief laufen... Koi und Lucky haben auf der anderen Seite einen unterschiedlich ausgelegten Bauplan, sie könnten durcheinander kommen und sich verlaufen. Wir könnten immer noch spontan erwischt werden. Es könnte noch so viel passieren, wir sollten nichts unterschätzen". Mit großen faszinierten Augen sah Ilus ihn an: "Wenn du wirklich so viele Zweifel hast, dann will ich dir noch sagen, dass ich dich unendlich liebe...". Vollständig drehte Henry sich zu ihm und lockerte seine Schultern etwas: "Ich dich auch...".

Die Uhr tickte und die Nachtruhe brach an. Genau zum Glockenschlag von 23 Uhr fing ihr Plan an. Allesamt standen sie von ihren Betten auf und entfernten die Gitter der Belüftung. Ilus und Henry waren genau so schnell durch wie Lucky und Koi. Wobei Ilus und Henry aber die einzigen waren, die dem ausgemachten Plan wirklich folgten. Lucky zog Koi direkt in eine andere Richtung: "Wir müssen hier lang, sonst verlaufen wir uns!". Koi vertraute ihm damit und folgte ihm ohne zu zögern. Zurück hingen Zigz und Shark, weil Shark schon mit seinen Schultern nicht durch die Öffnung des Schachtes passte. Kritisch wurde es dann, als eine Wache ertönte: "Hey, was macht ihr da?! Keine Bewegung!". Daraufhin schubste Shark Zigz den Schacht alleine runter und musste den Umweg nehmen, als die Wache seine Zelle öffnete. Innerhalb weniger Sekunden hörte man Schüsse und den Alarm losgehen.

Henry und Ilus sahen sich erschrocken um. Sie hatten keine große Wahl, da sie nicht wussten, was los war. Ilus wies an: "Wir müssen durchziehen und den anderen vertrauen!". Also rannten sie weiter. Koi war bei Lucky anderer Meinung: "Wir müssen zurück!". Doch Lucky ließ ihn nicht: "Wenn wir zurück kehren, sind wir tot! Das Risiko der anderen müssen wir jetzt eingehen!". Unwohl liefen auch sie weiter. Zigz rannte ebenfalls, aber nicht nach Plan. Er nahm die nächstbeste Möglichkeit, um die Wege mit Shark wieder zu kreuzen. Sobald er aus einer Tür zum Hauptraum rannte, wurde er direkt drei Mal angeschossen. Shark sah ihn aber und griff ihn im Sprint schnell mit. Zu dem Zeitpunkt trug Shark schon unzählige Schusswunden.

Ungeduldig warteten Ilus und Henry neben einer ausgeknockten Wache in einem Polizeiauto, dessen Zündschlüssel sie auf dem Weg nach Plan geklaut hatten. Für die anderen hatten sie die Autos auch schon vorbereitet. Schon alleine, dass sie die Zeit hatten, es für die anderen zu tun, beunruhigte sie. Die Alarmanlage machte es nicht besser. Immerhin wussten sie, wo zwei von vier waren, als ein Helikopter in die Lüfte stieg. Ilus schrak auf: "Das ist doch nicht deren Ernst!". Henry regte sich auf: "Dem Ginger-Kopf kann man auch nichts ausreden, oder?!". Koi gefiel die Idee selbst nicht, da er sich am Sitz festkrallte: "Hast du sie noch alle?! Hast du vergessen, dass ich Höhen nicht abkann?!". Lucky versicherte ihm: "In der Luft haben wir alles unter Kontrolle. Außerdem, wenn wir den Heli haben, dann können die anderen mit Vorsprung fliehen". Koi wurde lauter: "Lucky, ich kann Höhen nicht ab!".

Wieder hatten die einzig Vernünftigen keine Wahl, als viele bewaffnete Wachen die beiden entdeckten. Sofort gab Henry auf's Gas. Ein paar Schüssen konnten sie trotz der schnellen Reaktionszeit nicht entkommen, einer fiel in Henrys Schulter. Was ungünstig war, da er als Fahrer das Lenkrad oft reißen mussten. Also waren vier von sechs vom Grundstück runter. Zigz und Shark waren stark verletzt und Shark befürchtete, dass er beim sturen Rausrennen drauf gegangen wäre. Also zogen sie sich zu zweit in einem dunklen Versteck zurück und warteten ab, bis die Lage sich beruhigte. Und auch wenn alle vom Grundstück runter waren, so waren Lucky und Koi noch in offensichtlicher und unüberhörbarer Reichweite. Lucky fühlte sich so selbstsicher, was ihm im Endeffekt nichts brachte.

Es rumste einmal laut, folgend ertönte ein alarmierender Ton vom Schaltpult des Helikopters. Koi beruhigte das gar nicht: "Was ist das für ein Geräusch?". Lucky sah auf die Anzeigen und meinte dann: "Äh... Das Geräusch weißt dich an, deine letzten Gebete abzugeben, meine Hand zu halten und mir zu sagen, dass wir eine wunderbare Freundschaft hatten". "Ist das dein Ernst?!", schrie er auf. Nun doch plötzlich unsicher nickte Lucky: "Es ist mein Ernst und es tut mir so leid, dass deine Leiche nicht in einem Anzug begraben werden kann, auf dem wiederholt Fickt euch alle drauf steht". "Hör auf Witze zu machen!", da sah Koi im Rückspiegel, dass der Helikopter hinten brannte, "Wir stehen in Flammen! Wo sind die Fallschirme in diesem Ding?!". Als keine Antwort kam, sah er beunruhigt zu Lucky rüber, welcher dem Druck nicht standhielt und ohnmächtig wurde.

Nach einem kurzen Aufschrei schnallte Koi sich vom herab stürzenden Helikopter ab. Lucky nahm er mit sich. Während er ihn abschnallte, knurrte er: "Ich werde ganz bestimmt nicht so drauf gehen, Idiot!". Mit ihm stellte er sich an die offene Tür und hatte nicht viel Zeit zum Nachdenken - vor allem nicht über seine Akrophobie. Er hielt Lucky, so gut wie er konnte, fest und stürzte sich rückwärts mit geschlossenen Augen raus.

Mit quietschenden Reifen kamen Henry und Ilus als erste und erst mal auch einzige am verlassenen Parkplatz an. Weil Dexter und Shota allen von ihren Plänen erzählt hatten, wurden sie schon erwartet. Sie stiegen aus dem Wagen aus und Ilus ließ die anderen gar keine Fragen stellen, er schleppte Henry direkt zu Fischkopf. Da er sämtliche Fragen ignorierte, kümmerte Emily sich pyromanisch um den Polizeiwagen. Immerhin hatte Dexter eine Chance, wenigstens mit Henry zu reden, während er verarztet wurde. Besorgt fragte er: "Wo sind die anderen?". Keuchend schüttelte Henry mit dem Kopf: "Wissen wir nicht. Irgendwer wurde gesichtet, so viel wissen wir. Erst mal bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten. Wie geht es dir?". Dexter fasste sich kurz: "Bei den ersten Versuchen, meine Eltern anzurufen, gingen sie nicht ran. Aber als in den Medien bekannt wurde, dass ich auf Unschuld freigelassen wurde, ließen sie es mich erklären. So weit ist alles in Ordnung". Ein kleines Bisschen beruhigter nickte Henry ab.

Fischkopf hielt sich die Nase zu: "Eurgh, als gesagt wurde, ihr wolltet durch die Kanalisation flüchten, dachten wir, das war ein Scherz". "Es war der sicherste Weg zu den Polizeiwagen", erklärte Henry knapp. Shota war natürlich krank vor Sorge: "Was ist mit Yasuo?". "Der letzte Ort, wo wir ihn gesehen haben, war in einem Helikopter mit Lucky", mehr konnte Henry nicht sagen. Hoffend behielt Shota von dort an seinen Blick in den dunklen Nachthimmel gerichtet. 

Generation Antihero 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt