Kapitel 24 • Vergangenheit •

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Die darauffolgende Stunde wollte ich so schnell wie möglich vergessen.
Nur grob beantwortete ich die Fragen über Nox. Schließlich wusste ich nicht, was Ethan ihnen alles erzählt hatte.
Außerdem half ich ihnen den toten Vampir raus zu schaffen - aber nicht ohne seine Finger abzuschneiden.
Angewidert verzog ich das Gesicht und wollte mich am liebsten übergeben. Ja, ich hatte vielen Vampiren den Tod gebracht, aber noch nie hatte ein Vampir so furchtbar gestunken. Ich wollte gar nicht wissen, wie lange er da schon lag.

Nun war ich mit Ethan in der Küche und wir unterhielten uns.
Einige Male hatte er flüchtig meine Hand berührt und ich spürte, wie die Wärme in mir aufstieg.
Immer wieder blickte er mich grinsend an.
Ich konnte seinen Blick nicht deuten.
Fast kam es mir vor, als würde ich nackt vor ihm stehen. Seine Augen funkelten und seine Zähne blitzten auf, als würde er jeden Moment bereit sein, sich auf mich zu stürzen.

"Ethan, du schuldest mir eine Erklärung.", sagte ich schließlich.

"Tu ich das?", fragte er provokant.

Ich rollte mit den Augen.
"Das mit der Spieluhr, der Geist,... Wie? Wie kam es zu alldem?"

Ethan schluckte schwer und lehnte sich gegen die Wand. Das Mondlicht schien in die Küche und sein Haar glänzte silber. Am liebsten wäre ich mit meinen Fingern durch seine Haare gefahren und hätte so viel Unordnung wie nur möglich hinein gebracht.
Seufzend und nervös wippte er herum.
"Das ist eine lange Geschichte."

"Ich hab Zeit.", meinte ich und setzte mich auf den Tisch.

Erneut glitten seine Augen an mir hinab und prägten sich jede Kleinigkeit ein.

Als ich mich räusperte, hob er den Kopf und grinste verschmitzt.
"Na gut."
Noch einmal atmete er tief ein, um sich zu sammeln.
"Als meine Mutter früh verstarb, hatten Jake, Katy und ich ihre Spieluhren als Erinnerungsstücke behalten. Sie hatte den Uhren ihre Melodie verliehen. Eine wirklich schöne und beruhigende Musik, doch die Erinnerung allein reichte meinem Vater nicht aus. Von der Trauer und dem Verlust geleitet, entschied er sich falsch. Ich war erst 9 Jahre alt, als wir dieses Ritual machten."
Seine Muskeln spannten sich an.
"Eines Nachts hatten wir uns alle vier auf den Boden gesetzt, Kerzen angezündet und die Spieluhren in einem Dreieck aufgestellt. Jänemi gehörte Jake. Kalidr Katy. Und Ezari mir."

Er atmete tief durch.
"Mein Vater wollte den Geist meiner Mutter beschwören, doch wenn man keine Ahnung davon hat, kann das ganz schön schief gehen. Als er anfing Kontakt mit dem Jenseits aufzunehmen, flackerte das Feuer der Kerzen und eine bittere Kälte legte sich um uns. Ich werde diese beißende Kälte nie vergessen."

Er hielt inne.
Etwas in seinem Ausdruck veränderte sich. Sein Körper zuckte zusammen und ich erkannte die Leere in seinen Augen.
Er fixierte einen Punkt im Nichts und sein Brustkorb hob und senkte sich unnormal schnell. Seine Augen waren weit aufgerissen und er zitterte, als hätte er gerade Todesangst.
Er hatte wieder einen Anfall.
Genauso wie damals, als wir in den Scherben knieten.

Sofort überbrückte ich die letzten Zentimeter zwischen uns.

Er kniff die Augen zusammen und krallte seine Finger in den Tisch.
"Was ist mit Jake los? Katy? Katy! Seine Augen. Wieso sagt er nichts?...aber das ist doch nicht Jake."

"Ethan! Hey! Beruhig dich."
Behutsam legte ich ihm meine Hand auf die Wange. "Es ist vorbei. Du bist hier."
Er presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf.
"Aber wieso bewegt er sich nicht? Das ist nicht seine Stimme...Katy, ich hab Angst...Katy? Deine Augen...wieso sind sie weiß?"

Entschlossen nahm ich sein Gesicht in meine Hände.
"Ethan. Hör mir zu. Du bist im Gutshaus. Du bist in Sicherheit."

Es vergingen einige Sekunden in vollkommener Stille.
Erst als sich Ethans Atmung beruhigte, blinzelte er einige Male und ließ die Schultern hängen.
"Ich..." Er fuhr mit seiner Hand über die Stirn und schüttelte den Kopf, als müsse er seine Gedanken ordnen. "Die Anfälle sind seltener geworden.", flüsterte er.

Hunters of Night - Moonlight Lovers FF {ABGESCHLOSSEN}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt