Kapitel 19 •Zeremonie•

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Ich wurde in einer Welt aus gebrochenen Magie geboren. 

Magie, die nur aus Legenden, Aberglauben und Geschichten bestand.
Nichts als verwunschene Ruinen, wahnsinniges Flüstern und gedämpfte Gebete.
Magie, die kein normaler Mensch glauben würde, denn dann sei man doch verrückt, oder?
Ich bin es nicht.
Was bedeutete Magie in einer Welt, die nicht daran glaubte? Waren wir nicht alle ein Teil davon? 

Kann man die Menschheit tatsächlich in Gut und Böse aufteilen? Früher dachte ich, ich wüsste, wo ich stehe. Ich dachte, ich hätte einen Plan von der Welt. Und ich dachte, ich stehe auf der Seite des Guten. Doch in Wahrheit kann man diese beiden Seiten nicht deutlich abgrenzen. Wie denn auch? Gut und Böse ruht in jedem von uns. Wir sind nicht vollkommen, nicht perfekt und das werden wir auch nie sein. Wir müssen uns nur entscheiden, welche Seite wir mehr gewichten. 

Mason und ich gingen in den kleinen Garten, wo die Zeremonie stattfand. Ich trug das Armband meines Vaters und die Kette von Ethan um meinen Hals. So hatte ich ein wenig das Gefühl, dass zumindest ein kleiner Teil von ihm bei mir war.

Als ich jünger war, bedeutete mir diese Zeremonie alles. Ich hatte es mir magisch und unvergesslich vorgestellt. Doch nun stehe ich in diesem kleinen Garten, wunderschöne Blumen und atemberaubende Deko, und ich fühle rein gar nichts. 
Nichts bis auf ein mulmiges Gefühl in meinem Magen. 

Als Mason mich nach vor begleitete, wo der längliche Tisch stand, hinter dem die Vorsitzenden saßen, fühlte es sich so an, als würde er mich zu einem Altar führen. Es hatte etwas zauberhaftes an sich, keine Frage. Doch es fühlte sich nicht richtig an. Und ich war froh, dass ich Masons Hand halten konnte, denn ich sah kaum etwas unter der schwarzen Kapuze.
Mason hatte mir einen schwarzen Umhang mit Spitze auftreiben können. Es war Tradition, dass die werdenden Hunters ihr Gesicht bis zum Brandmalakt verstecken mussten. 
Auf der einen Seite fühlte ich mich wie auf einer Hochzeit und dann wieder wie eine Witwe.

Die Vorsitzenden erhoben sich und ich verbeugte mich. Es dämmerte bereits und ich konnte die Sonne auf meinem Rücken spüren, als ich mich wieder erhob. Der kleine Innengarten der Akademie war bis zum letzten Platz voll. Ich erkannte einige Gesichter der Hunter wider. Manche hatten mit mir die Ausbildung begonnen, andere wiederum sind erst seit wenigen Monaten Teil unserer Familie. Familie. Ich sah Mason, der sich an die Seite stellte und mich aufmunternd anlächelte. Von meiner Mutter war keine Spur. Und Sage durfte bei solchen Veranstaltungen noch nicht dabei sein. Größtenteils weil sie nicht zu den Hunters gehörte, weil sie noch nie einen Vampir persönlich getroffen hatte.

Ich versuchte, etwas aus dem feinen Stoff vor meinen Augen zu erkennen und als ich meinen Blick schweifen ließ, musste ich schlucken.  Alle Augen waren auf mich gerichtet.

Augenblicklich sprachen die Vorsitzenden über mich. Sie lobten mich, sprachen mir ihren Stolz aus oder andere liebgemeinten Floskeln. Doch die meiste Zeit über hörte ich nicht zu.

Die Spieluhr...sie ist in dem Büro meiner Mutter. Wenn ich hiermit fertig bin, dann werde ich sie mir holen und so schnell wie möglich zurück bringen. Wenn das stimmte, was meine Mutter sagte, dann ist die Spieluhr weitaus gefährlicher als ich dachte. Ich bin schon öfter in ihr Büro eingebrochen, Schlösserknacken ist wirklich nicht allzu schwer. 

Plötzlich hörte ich zischendes Eisen hinter mir und ich zuckte zusammen. Das war mein Stichwort.

"Aliza Minuit, zweite Tochter der Minuit Familie, ich frage dich, schwörst du der Akademie ihre Treue?" Die Stimme des Vorsitzenden war laut und eindringlich.

"Ja.", erwiderte ich. 

"Kämpfst du für den Schutz der Unwissenden und dem deines eigene Bluts?" 

Hunters of Night - Moonlight Lovers FF {ABGESCHLOSSEN}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt