Kapitel 10 • Träume •

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Es war der nächste Tag. 

Als ich Ethans Brandmal gesehen hatte, bin ich aus dem Raum gestürmt und habe mich in meinem Zimmer eingeschlossen. Ich wusste nicht, ob er mir gefolgt war, aber in dem Moment war es mir egal. Ich hatte mich in die Ecke gekauert und meine Beine angezogen. Es fühlte sich alles so falsch an. Meine Gefühle und meine Gedanken waren nicht auf einer Ebene, sie flogen wild umher und ich konnte sie nicht einordnen. 

Ethan ist ein Hunter. Er war einer. Und dann wurde er zum Vampir. Anders kann ich mir das nicht erklären. Familiengeschäfte. Oh ja, ich verstehe schon. 

Du erinnerst mich an sie. An meine Schwester. 

Tat ich das? Wusste er von meiner Identität? 

Du wirst mein Leben zerstören. Und ich deines. 

Aber das war doch das Problem! Er zerstörte mein Leben nicht im geringsten, er machte es auf jede erdenkliche Weise erträglicher und schöner. Wenn ich bei ihm war, wenn ich sein Lächeln sah,...sein Lächeln. Ich musste daran denken, wie oft er gelacht hatte, als wir im Moondance waren. Wie er mich ansah, als ich mir den fünften Tequila hinunter leerte.
Als er mir eine Hand auf den Oberschenkel legte, während ich über meinen Vater sprach und mich die Erinnerungen einholten. 

Und gestern Abend hat mich das Gefühl von Glück erfasst. Ich wollte nicht nur überleben, wenn ich bei ihm war. Ich wollte leben. 

Und wieso hätte er nicht eingegriffen, wenn er wusste, dass eine Huntress in dem Gutshaus war? 

Es ergab alles keinen Sinn. 

Nichts. Rein gar nichts.

Ich hatte meinen Kopf in die Kissen gesteckt und wollte am liebsten meine Schädeldecke aufschneiden und mein Hirn in den Eimer neben mir schmeißen.
Das war zu viel. 
Das war alles zu viel.

Wenn ein Hunter zu einem Vampir wurde, dann hätte man ihn getötet.

Ich hätte immer das Leben vorgezogen., hatte er gesagt.

Vielleicht konnte er von den Fängen der Hunters fliehen.

Nach den wenigen Stunden in denen ich nur in meinem Bett lag und nachdachte, brauchte ich eine Erklärung. Es war die Nacht wieder heran gebrochen und ich ging auf den Flur.

Ich klopfte an Ethans Tür und wartete einen Moment.
Was sollte ich sagen, wenn er aufmachte?
'Hey, ich hab gesehen, dass du dasselbe Zeichen wie ich auf dem Rücken hast. Das bedeutet, dass wir beide Vampirjäger sind oder nicht? Willkommen im Club!'

Oh ja, besser geht es ja nicht.

Ich klopfte erneut.
Keine Reaktion.

Ich legte mein Ohr an die hölzerne Tür und lauschte, ob ich vielleicht etwas hören konnte. Nur Stille breitete sich aus.
Ich könnte versuchen, die Tür wie beim letzten Mal aufzubrechen, doch das würde zu weit gehen. Zumindest bei so einem Gesprächsthema.

Langsam legte ich meine Stirn an die Tür. Ich merkte gar nicht wie ich Ethans Namen flüsterte. Immer wieder und wieder.

Meine Augenlider fielen zu und ich versuchte mich auf die Stille zu konzentrieren.
Kein Mucks. Nichts.

Enttäuscht drehte ich mich um und machte einige Schritte vorwärts, als plötzlich ein klirrendes Geräusch von brechenden Scherben ertönte.

Das kam von unten!

Ich schlich mich die Treppen hinab, lugte in den Eingangsbereich, doch entdeckte niemanden.

Im nächsten Moment durchdrang erneut ein Ton von zerbersten Scherben. 

"Wer ist da?", fragte ich.

Wieder trat Stille ein, die durch Mark und Bein fuhr. 

Langsam bewegte ich mich weiter in dem Gutshaus und dann hörte ich abermals das Geräusch von Scherben.

In der Küche!

Als ich einen Blick hineinwarf, gefror mir das Blut in den Adern.

Ich entdeckte Ethan, der in einem Haufen von Scherben stand.
Er rührte sich nicht, stand nur da und blickte auf den Boden. 
Die Splitter waren Teller und Gläser, die auf der Arbeitsfläche gestanden hatten. Er dürfte sie hinunter geworfen haben.

Als ich näher trat, hob er schnell seinen Kopf.

Seine Augen waren weit aufgerissen, tiefe Augenringe zierten sein Gesicht und als er in meine Richtung blickte, hob und senkte sich sein Brustkorb viel zu schnell, als könne es sich um eine normale Atmung handeln.
Schweiß war in seinem Gesicht zu sehen und sein Körper bebte, die Hände hatte er zu Fäusten geballt und winzige Bluttropfen bahnten sich den Weg zum Boden.

Doch seine Worte waren das, was mich am meisten schockierte.

"Katy? Bist du das?", fragte er. 

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Hunters of Night - Moonlight Lovers FF {ABGESCHLOSSEN}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt