Kapitel 4 • Heilung •

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Wenn ich mich entscheiden müsste, ob ich in einem Raum voller hungriger Löwen gesteckt werde oder ein Vampir mit schneeweißen Haaren in meinem Zimmer auf mich wartete, dann würde ich mich für ersteres entscheiden.
Ethan war an der Wand gelehnt und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein rechter Fuß wippte nervös auf und ab, als hätte er schon ewig gewartet. Als ich das Zimmer betrat, waren meine Haare noch nass von dem Bad und meine Kleidung klebte an meinem Körper. Sie hatten mir glücklicherweise Kleidung zur Verfügung gestellt und dafür war ich wirklich dankbar gewesen.

Als er seinen Kopf hob, glitt sein Blick an mir hinab. Er prägte sich jedes Merkmal ein und als ich mich räusperte, wanderten seine hellen Augen zu mir.
"Endlich ist die edle Prinzessin fertig mit ihrem Bad.", sagte er in hoher Stimmlage. "Ich hatte schon gehofft, dass du vielleicht ertrunken wärst."
Ich rollte mit den Augen und Strich mir eine nasse Haarsträhne hinter das Ohr. "Oh glaube mir, wenn das möglich wäre, dann hätte ich es längst getan, damit ich deine Wenigkeit nicht länger ertragen muss.", erwiderte ich übertrieben.

"Wie reizend von dir, mein Schatz.", sagte er kühl und setzte sich auf das Bett. "Ich hab nicht die ganze Nacht Zeit. Also setz dich, damit ich deine Verbände neu binden kann."

"Das könnte ich auch selber, wenn du mir die Materialien dafür zu Verfügung stellst."
Er hob eine Augenbraue, als er meine Handgelenke nahm. "Und du dann einen Fehler machst und ich dich noch länger am Hals habe? Das kannst du vergessen."

Ich verdrehte die Augen und er strich mit seinen behandschuhten Fingern über mein Handgelenk. Nach einigen Sekunden griff er in seine Hosentasche und holte ein kleines Fläschchen hinaus.
Der Geruch schlug mich wie eine Peitsche ins Gesicht.

"Ist das Hanf?", fragte ich verwundert.

Ein feines Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. "Riecht man doch oder? Es ist das Öl der Pflanze. Sie hat eine außergewöhnliche heilende Wirkung."
Als er die schmierige Flüssigkeit auf meine Haut strich, fühlten sich seine Handschuhe ungewöhnlich warm und angenehm an.

"Ich weiß.", sagte ich nach einer Zeit. "Wenn du es mit getrocknetem Efeu mischst, hast du eine Substanz, die sogar desinfiziert."

Ohne aufzusehen, hob er eine Augenbraue, doch ich konnte seinen überraschten Gesichtsausdruck erkennen. "Kennst du dich mit Heilpflanzen aus?"

Ich zuckte mit den Schultern, während er das Fläschchen wieder weg packte und die Verbände in die Hand nahm.
"Ein bisschen, aber das ist nicht der Rede wert. Früher hat mir mein Bruder einiges darüber erzählt." Ich stockte.

Eigentlich wollte ich nichts über mein Privatleben erzählen. Scheiße. Scheiße. Scheiße.

Und das nennst du unauffällig bleiben? Nichtsnutz..., hörte ich im Inneren meine Mutter.

Ethan blickte weiterhin auf meine Arme. "Du hast also einen Bruder? Sehr gut zu wissen.", sagte er leise. "Hast du noch andere Menschen in deinem Umfeld von denen ich wissen muss?"

Ich knirschte mit den Zähnen und zog meine Hände weg. "Das geht dich einen Scheiß an!", fauchte ich.

Er hob seinen Kopf, allerdings nur leicht, nur so weit, sodass seine Augen meinen Blick fanden und mich böse anfunkelten.

Er packte meine Hände und zog sie zu sich. "Ich muss doch wissen, wen ich aus dem Weg räumen muss, wenn sie dich suchen kommen. Schließlich bist du einige Zeit hier."

"Sie werden mich nicht suchen."

"Ah? Eine schlechte Beziehung in der Familie? Interessant."

Ich ballte meine Hände zu Fäuste, sodass die Knöchel weiß hervortraten.
"Ich denke nicht, dass es dich etwas angeht."

Hunters of Night - Moonlight Lovers FF {ABGESCHLOSSEN}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt