Kapitel 8

15 1 0
                                    

Ich lief durch den Irrgarten im Schloss. Es war mitten in der Nacht und ich konnte kaum etwas erkennen, doch ich rannte immer tiefer in ihn rein...anhalten konnte ich nicht. Plötzlich stand der König vor mir und fixierte mich mit seinen grell grünen Augen. Er griff nach mir und in seiner rechten Hand sah ich etwas silbrig Glänzendes aufleuchten. Dann packte er mich und stieß mir den kleinen Dolch in meine Rippen. Ich schrie laut auf und dann... dann war da Farin. Verschlafen, erschrocken und ungekämmt saß er vor mir und sah mich mit großen Augen an.

„Ist alles in Ordnung bei dir?"

Ich fuhr mir mit meinem Handrücken über die schweißnasse Stirn und versuchte mich kurz zu sammeln. Es gelang mir nicht.

„Ich- Ich. Da war mein Va... der König und- und er wollte mich umbringen." Ich musste tief ein- und ausatmen. Farins Blick wurde weicher und er sah mich mitleidig an.

„Komm, geh dich fertig machen. Ich wollte dich sowieso gleich wecken. Es geht bald los."

Mit zittrigen Knien stand ich auf und lief ins Badezimmer, wo ich mich wusch und mir einen enganliegenden Trainingsanzug anzog. Dann trat ich wieder aus dem Raum und sah Far staunend an. Er hatte die silbrigen Flügel wieder ausgebreitet und bereitete etwas an der Küchentheke vor. Von den anderen hatte ich mich gestern Abend schon verabschiedet und auch bei Merlin waren Far abends noch einmal gewesen, um sich zu verabschieden und damit er ihm diesen Brief geben konnte. Ich sah Farin immer noch an, aber schnell fasste ich mich und sagte mit vielleicht etwas zu lauter Stimme und einem leichten Lächeln auf den Lippen:

„Was genau machst du da? Und wie willst du mit diesen Flügeln aus der Haustür rauskommen?"

Er zuckte erschrocken zusammen und drehte sich langsam zu mir um, wobei er seine Flügel so nah an den Rücken zog, sodass er nicht umstieß.

„Ich mach dir ein Frühstück und ich muss mich erst wieder an das Gewicht dieser Dinger gewöhnen. Sie sind zwar wirklich wunderbar und so, aber auch verdammt schwer", er lächelte kurz, „Geht's dir etwas besser?"

Ich nickte ihm zu und holte dann Teller, Besteck und Gläser aus den Schränken und während ich den Tisch deckte, stellte Farin Brot, Obst, Butter und andere Leckereinen auf den Tisch, bevor er sich zu mir setzte. Fast schon gierig fing ich an zu essen, aber immer noch bedacht darauf nur kleine Bissen zu nehmen, denn seit diesem komischen Traum hatte sich ein Kloß in meinem Hals gebildet und ich hatte nicht vor mich heute noch zu übergeben. Schweigend aßen wir und räumten die Küche auf. Immer noch schwiegen nahm ich meine gepackte Tasche und lief mit Farin runter vor die Tür. Draußen ging langsam die Sonne auf und es war schon jetzt warm. Far stellte sich in eine passende Position und erhob sich in die Luft. Ich konnte mir ein beeindrucktes „Wow" nicht verkneifen und starrte fasziniert in den Himmel, wo er sich geschickt mit der leichten Sommerbrise bewegte und sich bei jedem neue Flügelschlag seine Muskeln erneut anspannten. Viel zu schnell steuerte er wieder zum Landen und ich konnte meinen Blick trotzdem nicht abwenden.

„Bist du dir sicher, dass du dort hinwillst? Wenn wir jetzt losfliegen, kannst du dich nicht mehr umentscheiden."

Ich sah ihn an. Eigentlich war ich mir total unsicher und wäre lieber wieder rein gegangen, um heute den gewohnten Tagesplan anzutreten, aber stattdessen erwiderte ich viel selbstsicher als ich es war:

„Ja... Ja, ich will."

Und bevor ich überhaupt realisieren konnte, was jetzt geschah, legte Farin eine seiner Hände an meinen Rücken, die andere an meine Beine und zog mich eng an sich, bevor wir beide in die Lüfte stiegen. Ich stieß einen erschrockenen Schrei aus, drückte ganz fest meine Augen zusammen und ließ beinahe meine Tasche fallen, bis ich mich langsam an die gleichmäßigen Bewegungen von Farin hinter mir gewöhnte und ich die Augen vorsichtig wieder öffnete. Ich sah meine Umgebung an. Es war einfach unfassbar. Man konnte es nicht in Worte fassen. Es war...Es war so atemberaubend. Die kleinen Gebäude, das Gras, die winzigen Bäume und vor uns der riesige Slyther. Ich ließ mir den Wind durch meine gold schimmernden Haare wehen und fing an zu grinsen. Und dann lachte ich. Ich stieß einen Freudenschrei nach dem anderen aus und kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Ich hatte mich noch nie so... so frei gefühlt. Immer noch lächelnd drehte ich meinen Kopf nach hinten und sah Farin an. Er konzentrierte sich weiter auf das Fliegen, aber ich bemerkte ein kleines zucken um seine Mundwinkel, als er das Strahlen in meinen Augen sah. Ich richtete meinen Blick wieder nach vorne. Ich fühlte mich unglaublich frei. Ich flog wirklich durch die Luft...verdammt noch mal ich hatte keinen festen Boden unter meinen Füßen und wenn ich fiel, würde ich vermutlich sterben, aber ich vertraute Far. Ich vertraute ihm blind. Und den Rest des Weges beobachtete ich weiter meine Umgebung und drehte mich hin und wieder sogar zu Farin um, nur um ihm in die Augen zu sehen und das leichte Lächeln, was seine Lippen umspielte, zu beobachten...

The ElimentiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt