Irgendwann später, es war vermutlich schon weit nach Mitternacht, lag ich in meinem Bett und starrte an die mit Sternen bemalte Decke. Vermutlich hatte ich heute noch ziemliches Glück gehabt, aber der Gedanke, dass ich vor 4 Monaten noch hilflos gewesen wäre, brachte mich um den Verstand. Ich hörte wie sich die Tür leise öffnete und im ersten Moment zuckte ich zusammen, bis ich die zierliche Gestalt erkannte.
„Du solltest längst schlafen, meilleure ami."
Ihre Stimme klang leicht rau vor Müdigkeit, aber ansonsten schien sie hellwach.
„Ich kann nicht, aber du solltest auch schon längst im Bett sein, Louise."
Sie kam näher an mein Bett und ich spürte, wie sie meine Bettdecke hochhob und sich zu mir kuschelte, sodass wir Nase an Nase lagen. Früher hatten wir das oft gemacht.„Die Besprechung wie es jetzt weitergeht waren bis gerade eben. Und, mon dieu, ich würde Hugo am liebsten den Kopf abreißen. Diesmal kommt er noch so davon, da alle gemeinsam entschieden haben, dass es wohl besser für alle ist, wenn dieser Vorfall unentdeckt bleibt. Beziehungsweise, eigentlich war dein Vater dafür und Maman und Papa haben einfach nur zugestimmt."
Sie betonte das Wort Vorfall ganz besonders, sodass ich erst bemerkte, wie es selbst sie innerlich beschäftigte, was ihr Bruder da getan hatte.
„Es tut mir schrecklich leid, Abby. Wirklich. Ich hätte nie gedacht, dass er so, naja so dumm ist. Wenn wir erstmal zurück in Frankreich sind, wird Mutter ihn umbringen... und Vater erst. Er wird sich vermutlich wünschen hier im Keller zu verrotten."
Das entlockte mir ein kleines Kichern und ich umarmte Lou, soweit es eben ging.
„Danke, dass du hergekommen bist."
Ich flüsterte, aus Angst, dass meine Stimme diesen Moment zerbrach. Denn genau so wie Cassy meine Freundin geworden ist, war auch schon Louise immer eine wahre Freundin gewesen. Fernab von dem königlichen Trubel.
„ich bin auch froh, dass ich hier bin. Obwohl das eine ganz schöne Arbeit war, an deinen Wachen vorbeizukommen."
Ich musste leicht vor mich hin grinsen und so ging es noch eine Weile weiter. Wir erzählten uns gegenseitig, was in der letzten Zeit passiert, wobei Louise eindeutig mehr sagte, da ich versuchte ihr möglichst nichts von meinem Abenteuer zu erzählen. Auch wenn es mir wirklich schwerfiel. Doch irgendwann schliefen wir ein. Fest aneinander gekuschelt, wie wir es auch als wir klein waren gemacht hatten.
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Der Abschied am nächsten Morgen, war schwerer als gedacht und wir versprachen uns gegenseitig Briefe zu schreiben. Dank Ryan hatte ich heute einen Tag frei, da er den König dazu überreden konnte und so machte ich mich auf den Weg in die Bibliothek, in der ich hoffte, irgendwelche nützlichen Informationen zu finden.
Es hatte etwas magisches den Raum zu betreten. Die Stille die mich umfing und der leichte Geruch nach abgestandener Luft und alten Büchern. Die hohen Regale, die einen förmlich einschlossen und diese vielen ungelesen Geschichten, die schlussendlich vielleicht doch nicht nur ausgedacht sind, wie ich immer annahm. Fast automatisch lief ich zum Regal mit meinen Lieblingsbüchern. Die Geschichten über magische Wesen, die in den Wäldern lebten und Schreckenskreaturen, die dir deinen Tod brachten. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich entdeckte einen Einband, der mir noch unbekannt war. Ich zog es aus dem Regal und das Buch sah tatsächlich nicht aus, als hätte es je schon jemand gelesen.
„Mythologie der Hexen" Ich flüsterte den Titel leise vor mich hin und vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber ein kühler Wind schien durch die Bibliothek zu wehen. Ich sah mich nach meinem alten Lieblingsplatz um und entdeckte gleich den dunkelroten Ohrensessel in einer eher abgelegen Ecke unter einem der wenigen Fenstern. Schon die ersten Seiten des Buches wirkten ungewohnt, fast so als wäre dies nicht von einem normalen Autor verfasst worden. Es beschreibt die Entwicklung der Hexen und wie genau sie lebten. Denn Hexen starben nicht wie andere Wesen. Das wichtigste war die Seele. Diese konnte durch alle Welten wandern, doch immer bedacht auf der Suche nach einem Körper und wenn dieser dann starb, suchte sich die Seele einfach einen neuen Wirt sozusagen. Außerdem beinhalteten die Hexen ihre Magie nicht in sich selbst, wie zum Beispiel die Aós sí, sondern zogen sie aus ihrer Umwelt. Die Zeit. Die Natur. All das war der Quell ihrer Magie, weshalb sie sich wohl auch lange Zeit hier in Irland aufgehalten hatten, bevor die Magie verschwand und somit auch die Hexen. Ich war so vertieft in die Geschichte gewesen, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie es draußen schon dämmerte. Heute Abend würde ich mich mit der Frau aus dem Büro des Königs treffen, aber vorher wollte ich mich noch einmal kurz mit Merlin unterhalten. Ich schloss mich, zurück in meinem Zimmer, wieder im Ankleidezimmer ein und konzentrierte mich ganz auf das kleine Haar in meiner Hand. Es fühlte sich wieder an als würde ich durch Schlamm waten und umso glücklicher war ich dann, als ich endlich sein vertrautes Gesicht erblickte.
„Guten Abend, Großherr Merlin."
Er lächelte mich leicht an.
„Hallo Aideen. Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?"
„Bis auf ein paar wenige Zwischenfälle kaum was. Ich habe lediglich herausgefunden, dass dieser Raum im Arbeitszimmer des Königs tatsächlich existiert, aber die Bücher waren zu zerrissen und vergilbt, dass ich nicht mehr erkennen konnte, welche Dinge der König wirklich benutzen wird und welche nicht. Und ich hatte eine Begegnung mit einer seltsamen Frau. Ich werde sie heute Abend treffen."
Merlins Augen weiteten sich leicht, bevor er langsam nickte.
„das habe ich vermutet. Diese Frau, Aideen, könnte eine Verbündete werden. Höre ihr heute Abend gut zu und versuch du sie weiter zu überzeugen. Wir sprechen uns dann am besten Morgen nochmal."
Ich nickte. War es nicht seltsam, dass Merlin mir nichts genaueres über sie erzählen mochte?
„Ruh dich noch ein wenig aus. Gute Nacht."
Ich hatte nicht einmal die Chance etwas zu erwidern, bevor er verschwand. Ich aß noch schnell eine Kleinigkeit, bevor ich mich auf mein Sofa setzte und versuchte mich noch ein wenig auf ein Buch zu konzentrieren, doch meine Gedanken schweiften immer wieder zu der seltsamen Frau und Merlins Andeutungen...
Ich dachte dieses Mal würde es schwerer werden sich aus meinem Zimmer zu schleichen, doch die Wachen schliefen. Schlechte Idee, wenn sie ihren Posten nicht verlieren wollten. Dennoch störte es mich aber nicht sonderlich. Schließlich konnte ich ja mittlerweile auf mich selbst aufpassen. Der geheime Gang war genauso dunkel und modrig wie auch beim letzten Mal, doch diesmal schien ich nicht die erste zu sein. Die Frau saß auf einer der Liegen und flüsterte leise vor sich hin. Obwohl es mehr nach einem Lied klang. Ihre Stimme so süß wie Honig, aber gleichzeitig so rau wie Ebenholz. Ich versank in den Wörtern und die Frau schien ich kaum noch wahrzunehmen, doch plötzlich stoppte sie mit ihrem Gesang.
„Oh Prinzessin. Ich hätte gedacht du bist stärker, aber schließlich bist du genau so ein Mensch wie jeder andere hier in diesem Schloss."
Ihr schwarzes Haar floss wie Tinten um ihren Kopf, als sie diesen schüttelte.
„Ich-ich bin nicht nur ein Mensch."
Die Frau sah von ihren Händen auf und als ich in ihre dunklen Pupillen blickte, lief mir ein Schauer über den Rücken.
„Ich weiß doch, Mädchen. Ich weiß doch. Aber vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen. Petronilla de Meath. Freut mich dich kennenzulernen, Aideen. Die Flammen haben mir deine Ankunft zugeflüstert."
Mir stockte leicht der Atem. Ich kannte den Namen irgendwo her und vielmehr fragte ich mich, woher sie meinen kannte.
„Was wollen sie von mir?"
Meine Stimme klang mutig, obwohl ich am liebsten weglaufen wollte.
„Oh ich will nur reden. Es ist wirklich wundervoll jemanden kennenzulernen, bevor man sich auf dem Schlachtfeld wiedersieht."
Ich hob fragend eine Augenbraue.
„Guck doch nicht so. Als ob du nicht wüsstest wer ich bin."
Als ich immer noch antwortete, gluckste sie kurz.
„Merlin hat euch doch tatsächlich gar nicht erzählt. Komm setz dich zu mir, diese Geschichte könnte ein wenig länger dauern..."
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The Elimenti
FantasyAls Prinzessin von Irland hat die 18 jährige Abigail schon ziemlich viele Probleme. Zum Beispiel ihr sturer Vater, oder ihr Verlobter, der ziemlich alt ist. Doch als sie dann von einem unbekannten Jungen lea Aós sí in eine andere Welt gebracht wird...