Kapitel 7

550 24 0
                                    

Es war seltsam, morgens aufzustehen und anstelle sich zu schminken einfach einige Zauber auf sich zu wirken. Genauso seltsam war es, sich nach der Dusche die Haare einfach trocken zu hexen, anstelle mühsam mit einem Föhn zu arbeiten. Gleiches galt auch für die Ordnung im Zimmer, das Tragen von schweren Koffern und allerlei andere Sachen, bei denen Jane erst jetzt wirklich klar wurde, wie sehr sie sie vermisst hatte. Wohl fühlte sie sich trotzdem nicht.
Jane wusste Magie zu schätzen, hatte es immer getan. Nach dem Krieg war ihr die Zeit ohne sie jedoch wie eine Wohltat für die Seele vorgekommen. So viel hatte sie gekämpft, verletzt, verteidigt. Mehr schlechte als gute Erinnerungen waren mit ihrem Zauberstab verbunden.
Nach drei Jahren war es Normalität gewesen. Von Hand schminken, den Föhn benutzen, aufräumen und mühsames Schleppen von Koffern. Umgeben von gewöhnlichen Menschen hatte sie verzweifelt versucht, ein Teil der Gemeinschaft zu werden. Hätte Dumbledore ihr nicht geschrieben, sie hätte nie wieder ihren Stab angefasst und wäre mit der Masse verschmolzen. Irgendwann vielleicht - so hatte sie es zumindest immer gehofft - würde sie die Magie mehr als Märchen abtun, so wie die Menschen um sie herum.
Erst mit dem Abstand, den sie innert weniger Wochen gewonnen hatte, wurde Jane klar, dass sie an einer Posttraumatischen Belastungsstörung gelitten hatte. Sie hatte in dem Moment, in dem sie zurückgekehrt war, begonnen, ihre Ängste und Erinnerungen zu konfrontieren. Bis jetzt war alles gut gegangen, doch Jane wunderte sich schon, fürchtete sich gar, wann ihr Körper realisieren würde, was sie tat.
Immerhin, so hatte sie lachend bei einer Tasse Tee mit Minerva feststellen müssen, hatte Gabi vollends recht gehabt. Sie war keineswegs überrascht. Diese Frau war wirklich meisterhaft in dem, was sie tat. Und selbst persönliche Gefühle wie eine wundervolle Freundschaft ließen sie nie die Wahrheit aus dem Auge verlieren. Gerade hier konnte Jane Unmengen von ihr lernen.
Die Tage der Ruhe in Hogwarts, der Gedankenexperimente und Unterhaltungen, der Experimente und der vielen Ruhezeit, waren zwei Tage vor Schulbeginn beendet. Das Frühstück der wenigen anwesenden Lehrer war wie immer heiter gewesen. Schnell war Ruhe eingekehrt, als die Eulen den Tagespropheten vorbeigebracht hatten.
Jane war überrascht gewesen, dass sie noch nicht auf der Titelseite gelandet war. Bis auf eine kleine Randnotiz auf der vorletzten Seite war ihr Name nicht aufgetaucht und auch da wurde angezweifelt, dass es sich wirklich um sie handelte. Jane konnte mit Glück sagen, dass Rufus Scrimgeour auf sie aufpasste.
Ein weiterer Brief war an diesem speziellen Morgen jedoch zu ihr herab gesegelt. Er war vom Minister höchstpersönlich, wie sie mit einem schnellen Blick feststellte. Bevor einer ihrer Sitznachbarn noch das Siegel sah und allzu neugierig wurde, riss sie es auf und las die wenigen Zeilen durch.
Ein lautes, fröhliches Lachen durchbrach die Stille.
"Was haben Sie da?", knurrte der Tränkemeister genervt. Der laute Lärm am Morgen war ihm nicht zuträglich und noch viel weniger seinem brummenden Schädel. Der Abend war lang gewesen, die Nacht genauso. Er sollte sich von Lucius nicht immer überreden lassen, auf ein Glas Feuerwhisky zu bleiben.
"Briefgeheimnis, Severus." Strahlend lächelte sie ihn an. Kurz zuckte etwas in ihren Augen auf, er meinte, Furcht zu erkennen. Ihre Züge erschlafften und die Mundwinkel sanken gen Boden. Irritiert hob er die Augenbraue. "Ihr entschuldigt mich."
Jane sprang auf und stürzte förmlich aus der Halle. Ihre Füße trugen sie zielstrebig zu ihren Wohnräumen. Den Auftrag hielt sie fest umklammert, merkte gar nicht, wie das Pergament in ihre Hand schnitt. Erst als die Tür hinter ihr zugefallen war, konnte sie tief Luft holen.
Die Nachricht war gut. Sie war glücklich. Ein erster Auftrag, hier, in Hogwarts. Nichts besonders schwieriges - zumindest vorerst. Der Minister versprach, ihr bald höherstehende Aufgaben zu übertragen, doch Albus Dumbledore hatte sie persönlich angefordert. Der Potter-Junge. Ein weiteres Augenpaar, das die Umgebung untersuchte, Auffälligkeiten beobachtete und allenfalls meldete, war nicht zu verachten.
Doch zugleich hatte sich auch Panik in ihr breit gemacht. War sie bereit? Natürlich, die Aufnahmetests waren leicht gewesen. Mehr oder weniger. Doch sie war vorbereitet gewesen, hatte mit dem Schlimmsten gerechnet. Was, wenn sie jetzt unvermutet kämpfen musste? Würde sie es schaffen, einen Zauber abzufeuern?
Mehrer Male atmete sie tief ein und aus, wie sie es immer mit ihren Patienten geübt hatte. Panikattacke. Ein. Aus. Tief ein. Tief aus. Atmen. Ihr Herzschlag beruhigte sich langsam und sie konnte die Worte des Ministers erneut durchlesen.
Es klang gut. Nicht allzu schlimm. Vorerst keine Gefahren.
Erst beim dritten Lesen wurde Jane klar, warum der Minister den Auftrag von einem Auroren ausführen ließ. Rufus Scrimgeour war sicherlich nicht erfreut, einen seiner Leute für einen solchen Job ins Nirgendwo zu kommandieren.
Sie würde nicht nur an der Schule leben und auf die Schüler achtgeben, sie würde auch Mitglied im Schulbeirat sein. Die hohen Herren (und - keine - Damen) saßen dort und besprachen so viel mehr als nur das, was in Hogwarts momentan geschah. Man sprach über das, was wichtig war, wichtig werden würde. Man sprach über Dumbledore. Sehr viel, sogar. Ihr Vater war selbst Schulbeirat gewesen, wenn auch nur für kurze Zeit.
Minister Fudge fürchtete sich vor Dumbledore, dass er ihm den Posten wegschnappen würde. Jane konnte ihn sogar verstehen - in seiner kleinen, verdrehten Welt natürlich. Wenn er nun sie im Beirat hatte, kam er immer an die neuesten Informationen und würde zudem, sollte es einen Vorfall geben, sie beauftragen, Albus' Absetzung zu beantragen.
Gewieft. Jane lächelte. Wenn Minister Fudge nur wüsste! Wenn er nur wüsste.
Einem plötzlichen Drang nachgebend setzte Jane sich an ihren Schreibtisch und holte Tinte und Feder heraus. Das vergilbte Pergament wäre zwar geeigneter und ihr war wohler damit, jedoch würde Gabi sicher Fragen stellen, die sie noch nicht beantworten konnte. Und selbst wenn - per Brief würde sie so etwas nie tun.
Schwungvoll begann sie zu schreiben.

Liebe Gabi

SarinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt