Kapitel 14

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"Wag es nicht, jemals wieder die Stimme gegen mich zu erheben." Lucius sah sie zornig an, seine Stimme war kaum mehr als ein bestialisches Knurren.
Narzissas Körper bebte. Zusammengesackt saß sie auf dem Stuhl, den Blick gesenkt, die Hände in die Tischdecke gekrallt. Alles an ihr verströmte Furcht. Abfällig sah Lucius sie an. Wie tief sie gefallen war. Wie tief sie gefallen war. Eine solche Frau.
"Hast du mich gehört?" Es war kaum mehr als ein Flüstern. Sie reagierte nicht, starrte abwesend auf den Weihnachtsbraten. "Hast du mich gehört?", brüllte er plötzlich laut auf. Sie zuckte, hob kurz den Blick. Panik leuchtete ihm entgegen.
Kein Widerwort zu hören. Sie nickte.
Lucius ließ sich zurück in seinen Stuhl sinken und wandte seinen Blick an Draco. Auch er saß geduckt da, als erwarte er einen Schlag. So etwas würde Lucius nie tun. Die Hand erheben - niemals. Sein Vater hatte es getan. Zu solchen Mitteln wie er würde er nie greifen. Niemals.
Das Weihnachtsessen verlief in absoluter Stille. Lucius beobachtete seine Familie genau. Draco sah wie ein verängstigtes Reh aus. Wenn jemals ein anderer Zauberer ihn so sehen würde - er würde keine zwei Sekunden überleben. Man würde ihn bei lebendigem Leibe zerfleischen. Doch Lucius ermahnte ihn nicht. Es war Weihnachten. Es würde noch genug Zeit bleiben, bis die Schule wieder begann, ihn daran zu erinnern, wer er war und wie er sich zu verhalten hatte. Lucius wollte ihn nur schützen. Vor seinen Mitmenschen.
Als auch endlich der Nachtisch vorbei war, lehnte Lucius sich zurück. Frau und Sohn warteten nur darauf, entlassen zu werden. Jegliche Haltung spiegelte ihre Furcht wieder. Lucius war froh darum. Wenn sie ihn fürchteten, kämen sie nicht auf dumme Ideen. Er musste seine Familie schützen.
"Geht." Fast schon gleichgültig hatte er den Befehl von sich gestossen.
Narzissa stand auf, elegant und mit der Klasse einer vollendeten Frau. Würdevoll ging sie, das Kinn nach vorn gereckt, langsam aus dem Speisesaal. Draco sprang mehr auf, als dass er ging. Ein weiterer Fehler, den er korrigieren musste. Sein Sohn musste manierlich sein. Egal wann, wo, wem gegenüber oder warum.
Als endlich die Tür hinter seiner Familie zufiel, lehnte Lucius sich zurück und gab ein gequältes Stöhnen von sich. Es war so kompliziert. Einerseits war da dieser Wille, würdevoll zu leben, eine Familie im Sinne der Malfoys zu führen. Narzissa, Draco und er konnten diese Lücken so perfekt ausfüllen. Und andererseits war da diese unsägliche Einseitigkeit, Langeweile, Ödheit. Er kam nicht gerne nach Hause. In Situationen wie dieser gerade eben, da wünschte er sich manchmal, dass sie ihm Widerwort gab. Dass sie sich streiten würden. Doch nein, so unbeherrscht war Narzissa nicht. Ein normaler Streit, Gifteleien, Zänkereien. Eine Frau, die ihm widersprach, die ihm anderes entgegenhielt. Eine Frau, mit der er sich nicht langweilte.
Ein junges Gesicht blitzte vor ihm auf. Jane Sharpe. Diese Frau. Er verabscheute sie. Und zugleich war er hingerissen. Nicht ihr Äußeres war es, dass ihn so faszinierte. Natürlich, sie hatte etwas, etwas typvolles. Die dunkelbraunen Haare mit den haselnussbraunen Augen. Die Nase, der Mund, der nur so zum Küssen einlud. Doch es war ihre raffinierte Art, die ihn in ihren Bann zog.
Sie gab Widerwort, sie stritt fast schon mit ihm - auf einer höflichen Ebene natürlich. Unweigerlich stellte sich ihm die Frage, wie sie wirklich war. War sie auch so aufgeweckt? Hatte sie auch diese kritische Ader? Würde sie mit ihm schimpfen, wenn er etwas in ihren Augen Dummes tat? Er hoffte es.
Sein letztes Treffen mit ihr war noch nicht allzu lange her. Und dennoch kam es ihm wie eine Ewigkeit vor. Noch so viele Tage lagen vor ihm, bis er das nächste Mal einen bissigen Kommentar hören würde, einen Seitenhieb einstecken musste.
Es störte ihn. Unfassbar. Und zugleich zog es ihn auch an. Sie war so intelligent, ihre Worte so gerissen, dass wohl keiner im Schulbeirat überhaupt verstand, was sie wirklich von sich gab. Darüber war Lucius froh. So bestand kein Grund für ihn, sie zurechtzuweisen.
Jetzt schon sehnte er die nächste Schulbeirat-Sitzung herbei. Er würde ihr zeigen, dass er kein Einfaltspinsel war und ein Mann mit Klasse. Diese Frau war so eigenwillig, er würde ihr zeigen, was sie brauchte.

Seine schwarze Robe wehte hinter ihm her. Die Blicke der Angestellten folgten ihm, Überraschung und Furcht stand in den Augen. Wenn Lucius Malfoy im Tagespropheten erschien, konnte das nichts Gutes bedeuten.
Er wusste, wo seine Füße ihn hinführen mussten. Das Büro des Chefredakteurs war zwar geschlossen, doch mit einer einfachen Handbewegung wischte er sie auf. Barnabas Cuffe saß mit einer Tasse Tee auf einem Stuhl und las im Tagespropheten. Ein seltsames Bild.
Als er hörte, dass jemand das Büro betrat, legte er die Zeitung sogleich weg. Und als er erkannte, um wen es sich bei dem unangekündigten Besucher handelte, sprang er auf und stürzte um den Tisch herum.
"Mister Malfoy. Welch eine Ehre Sie hier zu begrüßen. Es ist mir wirklich eine ausserordentliche Freude. Bitte, setzen Sie sich. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?", ratterte er herunter.
Lucius ging gar nicht auf die Aufforderung des Mannes ein, sondern hob lediglich seine Augenbraue. Sofort verstand der Chefredakteur. "Mister Malfoy! Ich hoffe, wir haben Sie nicht in irgendeiner Weise mit unseren Artikel angegriffen. Bitte, Sir, ich werde jegliches in meiner Macht stehende tun, um jegliche Meldungen mit dem Namen Malfoy vorzubeugen."
"Das sollten Sie besser tun. Der neuliche Artikel von Rita Kimmkorn", angewidert sprach er den Namen aus, "hat keinerlei Anklang bei mir gefunden. Die Bezichtigungen, die Sie gegenüber Miss Sharpe und meiner Familie hervorgebracht haben, sind unverschämt. Sollte mir jemals wieder eine solche Meldung über Miss Sharpe oder mich zu Ohren kommen, will ich für nichts garantieren. Ist Ihnen dies verständlich?" Arrogant hob er eine Augenbraue, ein abfälliger Zug um den Mund.
"Natürlich, Sir. Selbstverständlich, Mister Malfoy."
Mit einem spöttischen Schnauben wandte Lucius sich um und verließ den Tagespropheten immer noch in Rage. Die Dreistheit des Tagespropheten hatte ihn seine Nerven und seine Zeit gekostet.
Doch langsam neigten sich die Ferien zuende und genau das war es, was ihm Freude bereitete. Bald, um genau zu sein bereits am kommenden Tag, würde die erste Sitzung des Schulbeirats im neuen Jahr stattfinden. Bereits an alle hatte er die standardgemäße Einladung schicken lassen, lediglich an sie nicht. Lucius wollte die Worte selbst an sie richten, eigenhändig unterschreiben, den Vogel selbst aussuchen und losschicken. Sie war ihm alle Zeit der Welt wert.
Er apparierte zurück ins Manor und setzte sich sogleich in seinem Arbeitszimmer an den Schreibtisch und zückte eine Feder. Elegant schwang er sie über das Blatt, seine beste Schönschrift auspackend, und verfasste die wenigen Zeilen an diese Frau, die ihm nicht mehr aus dem Kopf ging.
So richtig schämen tat er sich nicht. Die Ehe war arrangiert, Draco bekam nichts davon mit. Himmel, der Junge hatte die Feiertage über eine Grippe erwischt und trotz einiger Tränke seines Hausarztes hatte der Bursche im Bett bleiben müssen. Lucius war tatsächlich ein wenig enttäuscht gewesen, immerhin hatten sie dann nicht ihren alljährlichen Neujahrsflug machen können - eine Tradition, die er selbst eingeführt hatte.
Tradition, bei Merlin und Morgana, er könnte sie manchmal gegen die Wand schmeissen, die Traditionen. Zum Beispiel jetzt, in just diesem Moment. Wenn es diese unnützen, festgefahrenen Traditionen nicht gäbe, hätte er nie Narzissa heiraten müssen und wäre immer noch ein freier Mann. Und dass er Jane Sharpe für sich gewinnen konnte, davon war er überzeugt. Der enorme Kraftakt, der ihn erwartete, spornte ihn nur noch mehr an. Diese Frau hatte bis jetzt keine Ahnung, wer er wirklich war, wie er sein konnte. Und was für ein Charmeur er war.

SarinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt