Kapitel 9

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Lucius hatte den unangenehmen Arbeitstag schnell hinter sich gebracht und war nach Hause zurückgekehrt. Eine kurze Visite im Ministerium und ein Gespräch mit dem Minister hatte ihn ausnahmsweise mehr belustigt als in Rage gebracht.
Fudge war ein schwacher Mann und Lucius wusste nur zu gut, wie er sich das zunutze machen konnte. Heute jedoch hatte der alte Herr sich wahrlich aufgespielt. Noch immer hallten seine lächerlichen Worte in Lucius Ohren nach. Er hätte jetzt jemanden in seinem Interesse gefunden. Nicht einmal vollendete hatte er den Satz! Lucius war zwar neugierig, doch seine Leute würden sich ein wenig umhören. Zufrieden lächelte er. Momentan ging es in seinem Leben wieder deutlich bergauf.
Narzissa hatte sich für einige Tage verabschiedet und war nach Süditalien gefahren. Dazu kamen die erfreulichen Noten von Draco, ein abgeschlossener Vertrag und natürlich diese Frau. Diese Frau, die er bis jetzt nur zweimal getroffen hatte und die er trotzdem nicht mehr aus dem Kopf bekam.
Er hatte sich über sie erkundigt. Jane Sharpe. Eine wirklich spezielle Hexe, wie er zugeben musste. Herausragende Absolventin, doch in Ravenclaw. Eine Familie aus dem Bilderbuch und dennoch hatte sie sich losgelöst. Lucius fielen viele Frauen ein, die sie beneideten. Und noch mehr Männer, die sie sich nur zu gerne nehmen würden.
Er legte seinen Umhang auf den Stuhl neben seinem Bett und griff seinen Gehstock. Abwesend strich er über den edlen Kopf. Lucius verließ sein Schlafzimmer und ging hinab in die Bibliothek. Wie gewohnt hatten seine Hauselfen das Feuer entzündet und eine Tasse Tee stand zusammen mit dem Tagespropheten bereit neben der kleinen Sitzecke. Ein schmales Lächeln stahl sich auf seine Züge. Diese Ruhe war es, die ihm den Tag versüßte.
Lucius machte es sich im Sessel bequem und streckte seine Beine aus. Ruhe. Absolute Ruhe. Friedlich seufzte er und legte kurz den Kopf in den Nacken. Dann griff er nach der Tasse und nippte kurz daran. Ruhe. Er nahm den Tagespropheten und nahm das Titelblatt genauer unter die Lupe.
Wie immer war der Titel reisserisch - Sie ist zurück. Doch der Unterhaltungswert des Blattes war nicht von der Hand zu weisen. Erst auf den zweiten Blick erkannte er, was auf dem Bild unter dem Titel zu sehen war. Fast hätte er sich an seinem Tee verschluckt.
Keine andere Frau als die, die ihn nicht mehr losließ, prangte dort. Sie zusammen mit diesem dümmlichen Auroren Scrimgeour. Spöttisch schnaubte er. Auf der zweiten Seite war ein knapper Kommentar von niemand anderem als Rita Kimmkorn zu lesen. Kaum jemand löste mehr Hassgefühle in ihm aus als dieses Weibsbild.
Die Worte waren lächerlich. Zweimal las er den Text durch, ein schockiertes Lachen ausstoßend. Sie mit diesem... Ding? Kaum etwas abstoßender konnte er sich vorstellen! Sie war weitaus zu hübsch, intelligent und zudem zu... reinblütig für diesen Mann.
Seine gute Laune war ihm wahrlich vergangen. Er sprang auf und verließ eilig das Wohnzimmer.

Lucius hatte seinen Rundgang in den Lokalen gemacht. Hier ein kurzes Gespräch, da einige Kommentare fallen lassen. Die Nokturngasse war mit finsteren Gestalten überschwemmt und nicht wenige waren auf die Gnade eines reichen, einflussreichen Zauberers angewiesen. Genau solche Leute sammelte er auf. Man konnte nie wissen, wann sie ihm nützlich sein mochten.
Die Umgebung wurde immer dunkler, die Magie immer schwärzer, desto tiefer es ihn in die Nokturngasse zog. Jeder wich ihm aus, keiner blickte ihn an. Man wusste, wer er war und noch viel wichtiger: Man wusste, dass er jederzeit zu einer Bedrohung werden konnte.
Als nächstes betrat er einen kleinen Laden in einer Seitengasse. Wer diskret und ohne, dass jemand etwas mitbekam, einige Geschäfte abwickeln wollte, war hier genau richtig. Genauso geeignet war es hier auch, sich einen guten Feuerwhisky zu gönnen.
Die Luft war abgestanden und warm, das Licht gedimmt und die Geräusche gedämpft. Lucius betrat den Schankraum und sah sich kurz um. Nur wenige Zauberer in dunklen Gewändern und verdeckten Gesichtern lungerten in den Ecken herum und unterhielten sich leise im typischen Akzent der Unterklasse. Und noch jemand war da. Sie.
Er sah nur ihren Rücken. Schlank, weiblich, lange und schwarzbraune Haare. Er trat einige Schritte herum und betrachtete sie von der Seite. Ihr Profil war nicht makellos. Die Nase war kurz und gerade, das Kinn prägnant und der Mund einladend. Nicht einmal der Gedanke, was sie in einem solchen Pub tun mochte, kam ihm.
Lucius' Augen wanderten tiefer. Ihr Hals war hell und zierlich. Nur zu gerne würde er mit seinen Lippen an ihnen herabstreifen und seine Spuren hinterlassen. Mit seinen Gedanken wanderte auch sein Blick tiefer.
Die Robe versteckte sie gut, dennoch konnte Lucius noch ihre wohlgeformten Brüste erahnen. Er wusste in diesem Moment einfach, dass sie perfekt waren. Dass sie sich perfekt in seine Hand schmiegen würden. Und dann diese Hüfte, das Becken, ihr Hintern und diese Beine. Sie war keineswegs perfekt und dennoch begehrte er sie wie ein Schuljunge.
Erst als ein Husten ihren Körper schüttelte, konnte er seine Augen lösen. Mit plötzlicher Klarheit nahm er ihren abwesenden, leicht verschwommenen Blick wahr, selbiges galt für das Glas Feuerwhisky, was sie in der Hand hielt. Es war seltsam, doch er war nicht belustigt, wie er es sonst von betrunkenen Frauen war. Wenn sie sich gehen ließ, war etwas vorgefallen. Sofort fiel ihm der Artikel aus dem Tagespropheten ein.
Lucius ließ sich kurzerhand auf den Hocker neben ihr fallen und meinte in bester Manier: «Geben Sie mir die Flasche Feuerwhisky!»
Der alte Hausherr kam sofort seinem Wunsch nach und aufmerksam verfolgte Lucius sein Tun. Auch wenn er den benebelten Blick auf sich spürte, wandte er sich dennoch nicht zu ihr. Sie sollte ihn ansprechen. Eine Sekunde schoss ihm ein sanftes Stöhnen seines Namens durch die Gedanken.
Sein Blick ruckte zu ihr hinüber. Jane Sharpe saß, hing mehr auf ihren Stuhl und betrachtete ihn mit eindeutiger Abneigung. Kurz leckte sie sich über ihre Lippen, ehe sie sich wieder ihrem Drink zuwandte.
Mit wachsendem Missfallen musste Lucius feststellen, dass sie nicht aus sich herauskommen würde. Seufzend nahm er einen kleinen Schluck des billigen Whiskys und verzog trotz des schlechten Geschmacks keine Miene. Stattdessen folgten seine Augen aufmerksam ihren fahrigen Bewegungen. Sie war randvoll.
„Miss Sharpe." Ihr Name ging fließend über seine Lippen.
Sie seufzte tief. Zunächst stellte sie das Glas ab, griff dann nach ihrem Mantel auf dem Tresen und wandte sich dann an den Schankherrn. „Ich würde gerne zahlen." Der Zauberer nickte und beeilte sich, ihrem Wunsch nachzukommen.
„Sie verlassen mich schon?" Zum ersten Mal wandte sich die Hexe in seine Richtung. Um dann gleich wieder den Kopf zu drehen und in ihren Mantel zu schlüpfen. „Und wenn ich Ihnen sagen, dass ich das nicht zulassen werde?"
„Dann, Mister Malfoy,", ihre Stimme war samten und eisern zugleich, „ist mir das herzlich egal." Sie erhob sich, leicht schwankend wie der Mast eines Schiffes, und reichte dem Hausherrn einige Münzen.
Ihre Schritte waren bedächtig und langsam, Lucius Augen folgten ihren Bewegung mit einer gewissen Spur an Belustigung. Wahrscheinlich sollte das ein edler Abgang werden, doch spätestens als sie stolperte, war es damit wohl vorbei.
Lucius sprang auf und packte sie sanft an der Hüfte, als sie einzuknicken drohte. Sein Atem ging gegen ihren Nacken und zufrieden stellte er fest, dass sich ihre Haare aufrichteten. "Das halte ich für keine gute Idee... Jane", hauchte er.
"Nennen Sie mich nicht so." Ihre Worte waren schwach und ihr Gewicht, dass noch immer gegen seine Brust drückte, belehrte sie beide eines besseren.
"Jane. Ein schöner Name." Er zog sie wieder auf die Beine und führte sie vorbei am Tresen zu einem kleinen Tisch in der Ecke.
"Mmh." Schwach nickte sie, während sie wohl versuchte, nicht bei jedem Schritt gegen ihn zu torkeln.
"Für eine schöne Frau", fügte er an. Ein dominantes Lächeln hatte sich auf seine Züge geschlichen.
"Sei'n Sie ruhig", lallte sie mittlerweile. Der Alkohol ergriff wohl wirklich die Oberhand über ihren Körper.
"Nana. Setzen Sie sich erst einmal." Er drückte sie auf die Bank.
"Ich will nicht." Keinen Muskel bewegte sie, während er um den Tisch herum ging und sich ebenfalls auf die Bank rutschen ließ.
"Miss Sharpe...", begann er.
"Ach, jetzt sind wir wieder bei Miss Sharpe?", fuhr sie ihn ungehalten an. "Was ist aus dem Jane", sie äffte seinen Tonfall nach, Gänsefüsschen andeutend, "geworden?"
"Wir können auch gerne wieder zum Du wechseln, Jane." Er zwinkerte ob ihres ungehaltenen Gemüts. Sie war mehr nur als eine Puppe. Sie war eine Frau mit einem eigenen Kopf. Und was ihn besonders reizte - sie wollte ihn nicht. Sie schien unerreichbar. Lucius würde ihr zeigen, dass sie es nicht war.
"Das... das habe ich nicht gemeint. Es ist eher so...", sie stockte und hob den Finger. Wild schwankte er durch die Luft. Ein unfassbar weibliches Kichern kam über ihre Lippen. "He! Warum bewegen Sie sich so?" Plötzlich wechselte ihre Miene und das Knurren, was jetzt ihren Mund verließ, war bestialisch und jagte Lucius einen Schauer über den Rücken. "Sie sind ein solches Arschloch."
"Wie kommst du zu der Annahme?" Er lehnte sich über den Tisch und griff sanft ihre beiden Hände. Sie waren kalt und er konnte sich nicht verwehren, leicht über ihre zarte Haut, ihren weichen Handrücken zu streichen.
"Sie sind ein Todesser, Mörder, vermutlich Vergewaltiger, korrupt und menschlich gesehen abstoßend", zählte sie fast schon gelangweilt die Liste auf.
"Und deine Familie ist besser, weil...?" Spöttisch zog er die Augenbraue hoch. Sie hatte recht - zumeist - und wirklich verletzt war er auch nicht. Er hatte andere Vorzüge und er würde ihr schon noch klar machen, welche es waren.
"Ist sie nicht", knurrte die Hexe, entzog ihm ihre Hände und lehnte sich zurück. Kurz sah sie auf und Lucius war überrascht. Ihr Blick hatte sich geklärt, jegliche Trunkenheit war verschwunden und für einen kurzen Moment erkannte er etwas in ihr, was er ihr gar nicht zugetraut hatte. Sie war verletzt. Ihre Miene war genauso schnell wieder kalt und abweisend geworden.
"Beruhigend." Auch er verlagerte sein Gewicht nach hinten und betrachtete sie aufmerksam.
Nach einigen Minuten des Schweigens durchbrach die Hexe die Stille: "Was machen Sie hier?"
"Ich gehe einigen... Geschäften nach. Sie?" Lucius verschränkte die Arme vor dem Körper.
"Das ist nicht wichtig." Lügen konnte sie wirklich nicht.
"Und wenn es nicht wichtig ist, warum betrinken Sie sich dann hier in der Nokturngasse?" Er nahm einen Schluck von dem Whisky-Flasche, die der Hausherr ihnen gebracht hatte.
"Weil Hogwarts noch weniger dazu geeignet ist." Sie streckte die Hand nach der Flasche aus.
"Sie leben in Hogwarts?" Ehrlich überrascht blickte er sie an. Er bezweifelte, dass sie nicht bei ihrer Familie leben konnte. Was auch immer dort vorgefallen war, Lord Sharpe würde sie ganz sicher nicht verbannen. Immerhin war sie seine Erbin.
"Ja." Knapp nickte sie.
"Warum?", hakte er trotz ihrer Absage nach.
"Weil es sich so ergeben hat." Sie schüttelte sich kurz, als die Tür aufschwang und kalter Wind zu ihr wehte. Der Winter war in England eingetroffen und die Temperaturen sanken nachts oft unter den Nullpunkt.
"Sie frieren", stellte Lucius fest.
"Keineswegs." Trotzig blickte sie ihn an.
Ergeben nickte er. "Und warum leben Sie jetzt in Hogwarts?"
"Sie wollen doch nur wissen, was ich mache, oder? Keine Sorge, das Ministerium hat keine Razzien für Ihre Villa angesetzt!", fuhr sie ihn an.
"Razzia?" Plötzlich machte es Klick in seinem Kopf. "Sie sind gar nicht mit diesem Trottel Scrimgeour zusammen sondern Aurorin!"
In diesem Moment hätte Lucius bewusst werden sollen, dass man nicht mit dem Feuer spielte. Ihre Aufgabe war es, Männer wie ihn zu jagen und vor Gericht zu führen. Keineswegs würde sie sich jemals ihm hingeben. Und dennoch konnte er die Finger nicht von ihr lassen, denn das leichte Seufzen, dass über ihre Lippen kam, ließ sein Blut in Wallung bringen.

SarinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt