Kapitel 19

292 18 0
                                    

Die Lage in Hogwarts war seit dem Vorfall um Colin Creevy ruhig geblieben, fast zu ruhig. Jane verbrachte viel Zeit mit Recherche und hatte die Aufsicht über Harry nur noch am Wochenende zu übernehmen. Bis jetzt hatte sie vielerlei Dinge herausgefunden, doch wenn sie ehrlich war, bezweifelte sie stark, dass die Märchen, die sich einige Autoren da konstruiert hatten, auch wirklich der Wahrheit entsprachen.
Valentinstag war sie aus Hogwarts geflüchtet und nach Paris gefahren. Lockhart hatte sie nämlich beim Frühstück ganz beiläufig von seinen Plänen in Kenntnis gesetzt und nur die Vorstellung, sich dann im Schloss zu befinden, widerte sie förmlich an.
Die Sitzungen waren ereignislos, langweilig und meistens musste sie länger in die Gewölbe laufen, als die eigentliche Sitzung dauerte. Lucius Malfoy war... weder nett noch nicht nett. Er war höflich, doch eine plötzliche Distanz war wieder zwischen ihnen entstanden. Zu Beginn war Jane froh gewesen, doch nach einigen Wochen langweilte sie sich richtig und wartete nur darauf, dass er irgendeinen Kommentar abgab, über den sie lachen konnte.
Ein lautes Klopfen riss sie eines Abends von ihrer Lektüre fort. Jane stand auf und öffnete die Tür. Finster dreinblickend stand ihr Severus Snape gegenüber. "Kommen Sie", knurrte er lediglich.
Eilig folgte Jane ihm in den Krankenflügel. Sie konnte bereits ahnen, was geschehen war. "Wie schlimm ist es?", fragte sie ihn.
"So wie die anderen. Jedoch..." Er vollendete den Satz nicht, denn sie hatte den Flügel erreicht. Kreidebleich stand Minerva vor einem neu belegten Bett und sprach mit zwei Schülern. Potter und sein bester Freund Weasley. Auf einem weiteren Bett konnte Jane eine zweite Schülerin ausmachen, die wohl aus Ravenclaw stammte. Schwer schluckte sie. Eine ihres eigenen Hauses.
"Er wird diese erneuten Ereignisse nutzen." Severus hatte die Worte leise gesagt, sodass nur sie sie vernommen hatte. Sofort wusste Jane, von wem er sprach.
"Was wird er tun?"
"Albus." Jane wurde übel. Wenn Dumbledore nicht mehr in Hogwarts war, standen ihre Chancen unendlich schlecht.
"Ich-"
"Sie können ihn nicht umstimmen, Jane. Niemand kann das", unterbrach Severus sie.
"Aber irgendetwas müssen wir doch tun?" Hilflos sah sie den Tränkemeister an. "Die armen Schüler! Wenn das so weitergeht..." Sie vollendete den Satz nicht, aus Angst, die schreckliche Wahrheit auszusprechen.
"Sprechen Sie mit Scrimgeour. Ich bezweifle, dass das hier in seinem Interesse ist."
Sie nickte leicht, in ihrem Gehirn fing es bereits an zu rattern. Sie würde einen Brief schreiben und gleich am kommenden Tag ins Ministerium reisen und ihren Chef aufsuchen. Selbst der Minister müsste mittlerweile verstanden haben, dass es sich keineswegs um einen albernen Schülerstreich handelte.

Rufus Scrimgeour hatte ihren Brief noch am gleichen Abend beantwortet und so kam es, dass sie sich am nächsten Morgen im Lokal Eberkopf traf. Der Schankraum war zwar abstoßend und weder Jane noch Scrimgeour fühlten sich so wirklich wohl. Doch die Diskretion war in dieser Hinsicht höher zu werten.
Der Tisch, den sie gewählt hatten, war in einer zusätzlichen Nische. Das erste, was Jane machte, als sie eintraf, war einen Muffliato über den Tisch zu legen. Anerkennend nickte der Leiter der Aurorenzentrale, der mit einem schwarzen Hut versuchte, sein Gesicht zusätzlich zu verdecken.
"Miss Sharpe."
"Sir", nickte sie höflich.
"Ich möchte mich vielmals bei Ihnen entschuldigen, dass ich an der Aurorenversammlung nicht die Zeit gefunden habe, sie richtig einzuführen. Es war keineswegs meine Absicht, dass Sie sich unwohl fühlen mussten."
Überrascht sah Jane ihn an. Leise lachte der Auror. "Miss Tonks hat mir am nächsten Tag den Kopf ordentlich zurechtgerückt."
Auch sie musste jetzt grinsen. "Sie ist wirklich sehr nett. Ich hoffe, Sie haben ihr nicht übel genommen, dass-"
"Keineswegs. Miss Tonks ist engagiert, energisch und bemerkt häufig Dinge, die keinem anderen aufzufallen scheinen", lobte Scrimgeour die Anwärterin. "Aber nun zum eigentlich Anlass für unsere Unterhaltung." Auffordernd sah er sie an.
"Ich... die erneuten Fälle in Hogwarts sind eine Katastrophe. Der Minister erklärte mir, ich solle keinen Finger rühren, doch angesichts der neuen Ereignisse..." Sie beendete den Satz nicht.
"Ich verstehe. Nun", er senkte seine Stimme, "meiner Meinung nach ist der Minister in seiner Aufgabe eher - ungeeignet. Ich habe daher eine Bitte an sie. Oder nennen Sie es Auftrag. Damit kann sicherlich auch Albus Dumbledore mehr anfangen. Denn ich liege wohl richtig in der Annahme, dass Sie mit ihm zusammenarbeiten?"
Kurz wollte Jane es abstreiten, doch dann wurde ihr klar, dass dafür kein Grund bestand. Es war nichts verbotenes, keineswegs. Außerdem hatten viele Menschen eine sehr hohe Meinung vom Schulleiter und dass er seine Hände irgendwie immer im Spiel hatte, sollte mittlerweile auch jedem klar sein. Knapp nickte sie also.
"Ich möchte, dass Sie sich über die Aussage des Ministers hinwegsetzen und Nachforschungen anstellen."
Jane schmunzelte kurz. "Das tue ich bereits, Sir", erklärte sie ehrlich.
"Sehr gut, wirklich sehr gut. Sie sind mehr als gut geeignet für diesen Auftrag. Ich bin froh, Sie dabei zu haben. Irgendwann werden das auch noch die anderen verstehen." Aufmunternd nickte er ihr zu. "Was hat Ihre Recherche bis jetzt ergeben?"
Schwer seufzte Jane. "Bis jetzt - leider nicht besonders viel. Die Kammer wurde vor fünfzig Jahren bereits geöffnet, damals wurde eine Schülerin ermordet. Es wurde damals Hagrid, der jetzige Wildhüter von Hogwarts, verhaftet, die Anklage wurde jedoch fallengelassen. Und wenn Sie mich fragen, ist eine Anschuldigung seiner Person einfach nur lächerlich und haltlos und entspringt einem Hass auf alles Unnormale."
"Das heisst, Sie haben keinerlei Vermutungen?" Nachdenklich sah der Auror sie an.
"Es ist gut möglich, dass ein...", kurz zögerte Jane ob ihrer Vermutung, "ein Todesser sich sein Kind zunutze macht, um die Schule zu... reinigen." Angewidert spie sie das Wort aus.
"Sie meinen Lucius Malfoy?"
"Nein, das macht keinen Sinn. Er ist nicht alt genug, um die Kammer beim ersten Mal geöffnet zu haben und sein Vater kann es auch nicht gewesen sein..." Jane runzelte die Stirn. Es fielen ihr viele Namen ein, die ein Interesse an einer solchen Aktion hätten, doch nur wenige, die dazu imstande waren und zudem die Verbindung zu Hogwarts besaßen.
"Miss Sharpe, ich muss mich entschuldigen, aber die Pflicht ruft wieder. Informieren Sie mich, sobald Sie wichtige Informationen erhalten. Und selbstverständlich nur inoffiziell." Kurz grinste er fast schon.
"Natürlich, Sir. Danke vielmals, dass Sie sich die Zeit genommen haben." Zum Abschied schüttelte sie ihrem Chef die Hand, ehe er den Eberkopf verließ und draußen disapparierte.
Nachdenklich starrte Jane für einige Minuten an die Wand. Sie mochte Scrimgeour, er war so anders als der Minister. Ehrlich, energisch und vor allem war er gegen Todesser und ihre Machenschaften. Erfrischend, wo sie ansonsten im Ministerium bis jetzt nur Duckmäuser getroffen hatte.

Die Woche erreichte ein neues Ausmaß an Katastrophe, als Jane am Samstagabend einen Brief erhielt. Die weiße Eule klopfte spät an ihr Fenster, als sie eigentlich schon dabei war, sich bettfertig zu machen. Genervt nahm sie die kleine Rolle entgegen und zog sie auseinander. Nur ein einziges Wort stand dort in elegant geschwungener aber nicht mehr ordentlicher Handschrift.
Schulbeirat-Sitzung
Es war keine Bitte oder Aufforderung, es war ein Befehl. Genervt seufzte Jane. Dass Lucius Malfoy sie nicht einmal in Ruhe ließ. Anstelle nun also in ihr Nachthemd zu schlüpfen, griff Jane erneut ihre Robe aus dem Schrank und zog sie über. Ihre frisch gewaschenen Haare trocknete sie notdürftig mit einem kleinen Zauber, ehe sie sich aufmachte zu dem ihr mittlerweile bestens bekannten Saal.
Die Tür war ausnahmsweise bereits geschlossen. Jane klopfte nicht, sondern stieß sie schwungvoll auf und trat ein. Überrascht blieb sie sogleich stehen. Der Raum war leer, der Tisch unbesetzt. Lediglich er saß da, hatte sich zu ihr umgedreht und sah sie nun nachdenklich an.
"Sie sind zu spät, Miss Sharpe. Wo Sie doch am nächsten wohnen." Arrogant sah er sie an.
Ohne überhaupt auf seinen Kommentar einzugehen, meinte sie: "Warum das hier?"
"Lesen Sie selbst." Er reichte Jane ein Schreiben.
Immer größer wurden ihre Augen, als sie die Zeilen durchlas. Blut stieg ihr in die Wangen und wanderte weiter in die Ohren. Fuchsteufelswild hob sie den Blick und fauchte: "Wie können Sie es wagen?"
"Ich brauchte Ihre Unterschrift gar nicht mehr, wie Sie sehen." Er war aufgestanden und deutete nun selbstgefällig auf die dreizehn Unterschriften unter dem Schreiben.
"Ohne ihn sind die Schüler aufgeschmissen, Lucius!", fuhr sie ihn an.
"Konnte er bis jetzt etwas dagegen tun? Nein? Wie schade für ihn." Er lachte hämisch.
"Sie sind ein solcher Arsch. Wieviel haben Sie ihnen gezahlt? Wieviel?"
"Das", gefährlich nah beugte er sich zu ihr, "geht Sie rein gar nichts an."
"Und ob es das tut! Ich bin auch ein Mitglied hier im-"
"Sie stimmen also dagegen? Welch eine Überraschung." Gelangweilt seufzte er, schlug eine Akte auf, die auf dem Tisch gelegen hatte, und schrieb dort ihren Namen auf. Als einzige, die gegen die Suspendierung von Albus Dumbledore gestimmt hatte.
Niedergeschlagen setzte Jane sich. "Warum haben Sie nicht versucht, mich auch zu bestechen?" Sie sah ihn plötzlich todmüde an.
"Fragen Sie mich das wirklich?" Er zog eine Augenbraue hoch.
"Haben Sie Dreck in den Ohren oder was?" Noch war ihre Wut nicht verraucht.
Lucius ging gar nicht auf ihre Beleidigung ein, sondern lächelte fast schon, als er sagte: "Sie sind nicht bestechlich, Jane. Einer Ihrer hervorstechendsten Charakterzüge."
Das Kompliment hatte etwas einer Drohung. "Und Sie wollen jetzt sicher sagen, dass mir das zum Verhängnis wird, nicht? Dass Sie gerade meine Unbestechlichkeit nutzen werden, um mich zu erledigen. Ist es nicht so?"
"Jane, ich habe kein Interesse daran, Sie zugrunde zu richten. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe ein Treffen mit dem Minister und dem Schulleiter zu führen." Mit dem Wink seiner Zauberstabs hatte er alle Akten eingesammelt und stolzierte aus dem Saal hinaus.
Erschlagen blieb Jane zurück. Erschöpft legte sie das Gesicht in die Hände und murmelte leise: "Was mache ich denn jetzt nur? Was mache ich denn nur?"
Solange Albus in Hogwarts gewesen war, hatte Hoffnung bestanden. Alle hatten sich gefürchtet, doch zugleich hatte jeder die Gewissheit gehabt, dass Dumbledore sich um alles kümmern würde und die Lage im Griff hatte.
Müde stand Jane auf und wanderte in ihre Wohnräume zurück. Sie bemerkte gar nicht, wie zwei schwarz gekleidete Männer sie bis zu ihrer Tür wie Schatten begleiteten. Severus hatte auf Lucius gewartet, um ihn über die Dummheit seiner Tat in Kenntnis zu setzen. Dass nun sein Freund unbedingt noch der Aurorin folgen wollte, ließ ihn schmunzeln. Die Begründung, sie sähe so müde aus, war noch absurder. Unwillkürlich musste er sich fragen, was in Lucius' Kopf vorging. Irgendwann würde dieser es ihm schon mitteilen.

SarinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt