Sarin

Kapitel 20

Zwei Briefe erreichten Jane einige Tage später. Der eine auf herkömmliche Weise, der andere wurde ihr von einem Hauselfen überbracht. Bereits auf den ersten Blick hatte sie festgestellt, wer der Absender war und den Brief vorsichtshalber in ihrer Robe versorgte. Der andere jedoch war offiziell und sie öffnete ihn gleich beim Frühstückstisch. Jane entgingen nicht die neugierigen Blicke ihrer Kollegen, allen voran Minerva.
Jetzt, wo Albus nicht da war, hatte sie den Posten übernommen. Immer noch war Jane wütend auf Lucius Malfoy, doch zugleich wusste sie, dass sie nichts anderes zu erwarten gehabt hatte. Er war und blieb nunmal egoistisch, auf seinen Vorteil bedacht und einfach abstoßend.
Sie las den Brief durch, ehe sie einen Blick auf die Unterschrift war. Doch sie wusste bereits nach wenigen Zeilen, von wem er war.

Sehr geehrte Miss Sharpe

Es ist mir eine große Ehre, Ihnen mitzuteilen, dass Sie ab dem Sommer von Rufus Scrimgeour einer anderen, weitaus wichtigeren Aufgabe zugeteilt werden. Die Aurorenzentrale hat Sie als geeignet anerkannt und Sie werden voraussichtlich bis zum Sommer in den aktiven Stand einer Aurorin versetzt.

Ganz herzliche Gratulation meinerseits.

Ein weiteres Anliegen hat mich erreicht. Vor wenigen Wochen wurde ich von gewissen Eltern, die nicht namentlich genannt werden möchten, darauf hingewiesen, dass infolge der Ereignisse in Hogwarts eben jene einer genauerer Untersuchung bedürfen.
Aufgrunde Ihrer aktuellen Arbeitslage möchte ich Sie bitten, alles in Ihrer Macht stehende zu tun, um die Vorfälle aufzuklären und einen Schuldigen zu finden. Hogwarts ist trotz seines, nun zum Glück suspendierten, Schulleiters immer noch die Wiege unserer Gesellschaft und es bedarf oberster Priorität, für die Sicherheit der Schüler zu garantieren.
Ich bin überzeugt, mich auf Sie verlassen zu können.

Hochachtungsvoll
Minister Cornelius Fudge

Wortlos legte Jane den Bogen zurück in den Umschlag und steckte ihn ein. Mittlerweile überraschte sie bei diesem Mann wirklich nichts mehr. Ein verzogener Sack, der allem, was der Tagesprophet druckte, wohl Glauben schenkte. Oder es noch besser gleich so in den Druck gab. Dazu kam seine notorische Unfähigkeit, sich durchzusetzen.
Jane konnte nur Merlin und Morgana danken, dass gewisse Eltern die Notbremse gezogen hatte, wahrscheinlich infolge der Suspendierung Albus'. Sofort fiel ihr der zweite Brief ein, von ihm.
"Ich muss mich entschuldigen", erklärte sie den Lehrern, als sie aufstand, um sich in ihre Wohnräume aufzumachen. Minerva und Severus nickten lediglich, die anderen waren zu tief in Konversationen vertieft, um ihr Gehen überhaupt mitzubekommen.
Sobald sie ihr Wohnzimmer erreicht hatte, zückte sie den Brief und riss den Umschlag auf. Die Nachricht war um einiges kürzer als die des Ministers und auch um einiges präziser formuliert. Janes Augen überflogen nur so die Zeilen.

Liebe J.

Diese Nachricht erreicht dich hoffentlich in Bälde. Infolge meiner Suspendierung verbringe ich Zeit unter Muggeln. Mir ist die Kontaktaufnahme mit einem Mitglied des Kollegiums verboten, also auch mit dir. Jedoch möchte ich dich um ein Treffen bitten. Wäre das Café, in dem ich dich damals das letzte Mal nach dem Krieg getroffen habe, in Ordnung? Sagen wir um 15 Uhr?
Schreibe doch bitte auch deinem Großvater. Ich weiß, es widerstrebt dir. Er könnte jedoch brisante Informationen zur Kammer besitzen. Meines Wissens nach war die erste Öffnung genau zu seiner Schulzeit, nicht?

Wir sehen uns
A.

Wieder wusste Jane nicht, was sie sagen sollte. Keine Empörung dieses Mal, sondern schlicht Schock. Ihrem Großvater schreiben. Nach dem Fiasko vom ihrem letzten Treffen. Widerwillig schüttelte sie sich und zauberte sich einen Tee aus der Küche. Irgendetwas brauchte sie jetzt, um sich festzuhalten.
Ihrem Großvater schreiben. Sie bezweifelte, dass das überhaupt etwas bringen würde. Und zugleich wusste sie, dass es eine der wenigen Möglichkeiten war, an Informationen aus erster Hand zu kommen. Albus wusste sicher mehr, als er zugab. Doch wenn er so etwas vorschlug, war auch er ratlos.
Wie in Trance griff Jane nach Briefpapier und Feder. Die Worte kamen ihr leichter von der Hand, als sie sollten. Doch das Gesicht von den frisch versteinerten Schülerinnen trat ihr vor Augen. Ihnen war sie es schuldig.