Kapitel 15

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Jane hatte während der ganzen Sitzung kaum etwas von ihrem wirklich Inhalt mitbekommen. Zu sehr war sie in Gedanken versunken. Jetzt, da sie zurück in Hogwarts war, begann sie sich wirkliche Sorgen zu machen.
Die Kammer des Schreckens trug in ihrem Namen schon ihr wahres Sein. Es war ihre Pflicht, ihr Wunsch, dieses Treiben zu stoppen. Doch sie hatte kurz mit Albus gesprochen. Er wollte nicht, dass sie irgendetwas tat. Sie war sein Stein im Brett, dem Ministerium. Keinesfalls durfte sie irgendetwas gegen deren Willen tun, so sagte er es.
Jane stand dem kritisch gegenüber. Selbstverständlich, die Gefahr wuchs immer weiter. Alleine die Öffnung der Kammer zeigte, welche Strömungen immer mehr Überhand in der Gesellschaft ergriffen. Es durfte nicht passieren, dass Kinder verletzt wurden, nur weil sie das Ministerium nicht verärgern sollte.
Doch Albus hatte eine Warnung ausgesprochen. Er. Kurz hob sie den Blick.
Seine Nähe ist ein Geschenk und eine Gefahr. Sei wachsam.
Lucius Malfoy. Die Gefahr war offensichtlich. Todesser der üblen Sorte. Alleine sein Name reichte als Erklärung aus. Sie fürchtete ihn nicht. In einem Duell konnte sie zwar nur raten, wer überleben war, doch darauf würde es nie hinauslaufen.
Das Geschenk... nur in einer einzigen Weise konnte man diese Aussage verstehen. Sein Einfluss und seine Macht, seine Nähe früher zu Voldemort war unangefochten. Wenn sie ihn in ihrer Nähe behalten könnte... es waren ungeahnte Möglichkeiten, die sich da auftaten.
Jane wurde im Verlaufe der Sitzung klar, dass genau dies eben jenes war, was Albus mit seiner Aussage zu erreichen war. Sie sollte seine scheinbare Vertrauensseligkeit ausnutzen und sich dadurch Zugang zu Informationen beschaffen. Wenn sie ehrlich war, bezweifelte sie jedoch stark, dass Lucius ein solch einfältiger Mensch war.
Sicher, sie würde ihn nicht vergraulen. Als Aurorin sollte sie den Feind in jeder Hinsicht auf Tuchfühlung behalten und da sie zusätzlich zusammen im Schulbeirat saßen, blieb ihr keine andere Möglichkeit über, wenn sie nicht vom Minister selbst hochkant hinausgeworfen werden wollte.
"Sie können gehen. Sie alle. Außer Ihnen, Miss Sharpe." Sie zuckte zusammen, sank auf ihren Sitz zurück und hielt den Blick gesenkt. Die Stimme von Lucius Malfoy hatte überhaupt nicht erfreut geklungen.
Wie durch Watte hörte sie seine Worte nach einigen Sekunden. Sofort unterbrach sie ihn. "Wegen des Kleids. Es ist vollkommen unangebracht. Es tut mir wirklich sehr Leid, Mister Malfoy."
Ihre Gedanken waren verwirrt, niemals sonst hätte sie so mit jemandem wie ihm gesprochen. Doch nur die Überlegung, ob sie jemanden schamlos ausnutzen sollte, jagte ihr einen Heidenschreck ein. Sie war nicht wie ihr Großvater. Gerade so wollte sie nicht sein. Sie tat alles, solange sie nicht so wie er würde. Und eben eine Tat dieses Kalibers war genau nach seinem Geschmack.
"Das war keineswegs der Grund." Sie hob ihren Kopf und sah ihn verwirrt an. "Sie sehen hinreißend aus." Jane hielt für einen Moment überrascht die Luft an. Sie hatte wirklich mit allem gerechnet, Schimpf, Ärger, Beleidigungen, einem bissigen Kommentar, jedoch sicherlich nicht mit einem Kompliment. Verlegen biss sie kurz auf ihre Lippe und versuchte krampfhaft zu verhindern, dass ihre Wangen sich rot verfärbten. Bei Merlins Bart, sie war kein Teenager!
Sie wollte etwas erwidern. Plötzlich lächelte Lucius sie an. Es war kein spöttisches, gemeines, höflich aber eigentlich hinterlistiges Lächeln. Zum ersten Mal sah sie wirklich in seine Augen. Sie funkelten und blitzten in dem schummrigen Licht und ein seltsamer Ausdruck war in sie getreten.
"Wollen Sie mit mir essen?"
Verdattert sah sie ihn an. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Die Worte kamen ihr viel zu leicht über die Lippen, als wäre es gar nicht sie, die sprach. "Gerne, Sir."
Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. "Sie kommen mit?"
"Ja, also...", setzte sie an, als er plötzlich seine Hand ausstreckte.
"Miss Sharpe, es wäre mir eine Ehre, mit Ihnen zu dinieren. Gestatten Sie, Lucius." Zögerlich ergriff sie seine Hand, ihre Finger schmiegten sich perfekt hinein und eine plötzliche Hitzewelle überrollte sie. Lucius Malfoy, der Mann mit dem Herz aus Eis, hatte wundervoll warme, weiche und vor allem lange Finger.

Sie waren irgendwohin appariert, Jane hatte keine Ahnung, wo sie sich befanden. Doch es war elegant, hatte keineswegs den Anschein, überhaupt magisch zu sein. Lediglich die schwebenden Tabletts anstelle von Kellner verrieten etwas über die eigentliche Wahrheit des Lokals.
Lucius hatte sie an einen Tisch in einer ruhigen Ecke geführt, wo sie geschützt vor ungewollter Aufmerksamkeit waren. Der Mann am Einlass hatte ihnen zugesichert, dass er Rita Kimmkorn tunlichst fernhalten würde.
"Eine schreckliche Frau", lachte Jane leise auf, als sie die zornige Miene des ehemaligen Slytherins sah.
Abfällig schnaubte dieser. "Sie sagen es. Eine solche Hexe... eine Schande für die Gesellschaft." Sogleich glätteten sich seine Züge. "Verzeihen Sie. Dieser Abend soll für Sie erfreulich sein und sich keineswegs mit solchen Nebensächlichkeiten beschäftigen. Bitte, setzen Sie sich."
Er rückte ihr den Stuhl heran, auf den Jane sich mit aller Klasse, die sie irgendwann einmal gelernt hatte, sinken ließ. Als auch er sich gesetzt hatte, lächelte sie ihm kurz dankend zu. Wie von Geisterhand erschienen plötzlich die Karten auf dem Tisch.
"Sie trinken Wein?", fragte Lucius sie.
"Gerne." Erneut schenkte sie ihm ein höfliches Lächeln, ehe sie den Blick auf die Karte senkte. Merlin, exquisites Essen! Die Seite mit allerlei französischen Absonderlichkeiten übersprang sie schnell. Auch wenn sie in Paris gelebt hatte, hatte sie keineswegs Geschmack an den traditionellen und elitären Gerichten gefunden.
Wenn man einmal von der Tatsache absah, dass ihre Begleitung Lucius Malfoy und sie selbst Jane Sharpe war und sie in einem magischen Luxusrestaurant aßen, wäre es ein perfektes Date. Ein Gentleman, elegant, edle Kleidung, guter Geschmack und sie mittendrin. Vielleicht konnte sie für wenigstens einen Moment abschalten, so wie Gabi es ihr aufgetragen hatte. Die Verlockung war groß.
Nach einigen Sekunden hatte sie die Entscheidung gefällt. "Jane?" Fragend sah er sie an, die Ruhe selbst.
"Für mich gerne das Entrecôte. Und vorweg..."
"Ich empfehle die weiße Tomatencremesuppe und den Lachssalat", riet Lucius ihr.
Neckisch meinte sie: "Dann hoffe ich mal, dass Ihr Geschmack mich nicht enttäuscht. Was nehmen Sie?"
"Das gleiche." Das in der Luft schwebende Tablett, welches Jane erst jetzt auffiel, schien wohl zu verstanden haben, denn es machte sich davon in Richtung Küche.
"Woher kennen Sie das Restaurant?", fragte Jane ihn, ehrlich neugierig auf die Antwort.
"Der Name Parkinson ist Ihnen wohl ein Begriff? Man empfahl es mir. Es ist sehr... diskret."
"Für einen Mann in Ihrer Position sicher sehr angenehm." Sofort biss sie sich auf die Zunge. "Es tut mir leid, ich wollte nicht implizieren, dass..."
"Oh nein, tun Sie sich keinen Zwang an. Sie sind die erste Frau, mit der ich hierher komme." Ernst sah er sie an.
"Warum?", rutschte ihr prompt die nächste Bemerkung von den Lippen.
"Weil ich bis jetzt nie das Interesse hatte, mich länger als eine Viertelstunde mit meiner Begleitung zu unterhalten. Aber bei Ihnen..." Ertappt stockte er. Just in diesem Moment erschienen auf magische Weise die Weingläser. Sofort griff er nach einem und nahm einen kräftigen Schluck.
Belustigt betrachtete Jane sein Tun. "Bei mir ist das nicht der Fall? Nun denn, Lucius. Sie wollen Konversation betreiben? Bitte." Sie griff ebenfalls nach ihrem Weinglas und nippte daran. Bei Morgana, der Elfenwein war himmlisch. Sie musste sich davor hüten, auf leeren Magen allzu viel zu trinken. Vor allem angesichts ihrer niedrigen Toleranz.
"Haben Sie eine Beziehung mit Rufus Scrimgeour?"
Ein lautes Husten schüttelte ihren Körper, als sie sich verschluckte. Geistesgegenwärtig wandte sie einen Zauber an, um ihre verstopfte Luftröhre zu befreien. "Wie bitte?"
"Verzeihen Sie, die Frage musste einfach sein." Schelmisch lächelte er, fast schon zufrieden.
"Beruhigend, dass ich nicht die einzige bin, die den Tagespropheten trotz seiner zweifelhaften Berichterstattung liest", scherzte Jane, während sie ihr Kleid unter dem Tisch glattstrich. Sie war vollkommen verunsichert, doch wollte sie sich davon nichts anmerken lassen.
Als der Gruß aus der Küche erschienen war, sprach Lucius: "Sie glauben gar nicht, was da hinter den Kulissen los ist. Rita Kimmkorn wird gehasst."
"Sie scherzen!", lachte Jane auf. "Allein ihr ist es doch zu verdanken, dass der Tagesprophet wenigstens noch gelesen wird. Ernst wird er zwar nicht mehr genommen, aber das überrascht ja nicht mehr."
"Nein wirklich! Ich war während der Festtage beim Tagespropheten, um auf die... Unangemessenheit der Meldung über Sie und mich hinzuweisen. Sie verzeihen mir das doch hoffentlich."
"Wirklich? Natürlich, danke vielmals." Beeindruckt musterte Jane den Mann ihr gegenüber. Ob er wirklich Lucius Malfoy war? So ganz sicher war sie sich jetzt endgültig nicht mehr. Doch sie mochte ihn, also würde sie sich nicht beschweren.
"Immer gerne, Jane. Nun, mir schickte der Vorsitz nachträglich noch eine Entschuldigung. Und auch an Sie würde ein Brief ins Schloss Chartres... natürlich, Sie leben in Hogwarts. Entschuldigen Sie bitte."
Jane winkte ab. "Der Tagesprophet hat wirklich ein zweifelhaftes Talent dafür, Fehlinformationen zu einem einzigen Netz an Lügen zu verflechten. Ich will gar nicht wissen, was während meiner Absenz alles geschrieben, behauptet und vermutet wurde."
"Wo waren Sie all die Jahre über?", wechselte Lucius prompt das Thema.
Die Salate wurden serviert und vorsichtig probierte Jane einen Bissen. Lecker sah es allemal aus und dazu schmeckte es noch köstlich. "Und, habe ich Sie enttäuscht?" Lucius zwinkerte kurz.
"Bis jetzt nicht." Jane erwiderte die Geste.
"Und wo waren Sie?"
"In Paris. Ich habe... studiert. Wie ein Muggel gelebt." Mit leicht verengten Augen beobachtete sie die Reaktion ihres Gegenübers. Die Bestandsaufnahme.
"Was haben Sie studiert?", fragte er, ohne den Blick von seinem Salat zu heben.
"Psychologie." Auch sie nahm erneut einige Bissen.
"Was ist das?"
"Es... vereinfacht gesagt habe ich mich mit dem menschlichen Geist und den Verhaltensweisen beschäftigt. Meine Aufgabe ist es, Personen, die an psychischen Erkrankungen leiden, zu helfen."
"Also eine echte Psychologin." Er nahm einen Schluck Wein.
Überrascht sah sie ihn an. "Sie wissen, was ein Psychologe ist?"
"Natürlich. Ich lese viel. Und keine Sorge, ich weiß in der Tat auch, was Psychologie als solche ist." Ein weiteres Mal zwinkerte er.
"Aber warum haben Sie dann..." Mit einem leisen Ploppen verschwanden die mittlerweile leeren Teller.
"Sie sind niedlich, wenn Sie von etwas begeistert sind." Todernst sah er sie an.
"Ein zweifelhaftes Kompliment", lachte Jane. "Als erwachsene Frau als niedlich bezeichnet zu werden..."
"Wie alt sind Sie?", fragte er direkt heraus.
"Eine dreiste Frage, meinen Sie nicht? Jünger als Sie."
"Wenn Sie älter wären, hätte Sie sich erstaunlich gut gehalten", frotzelte er zurück.
"Sie geben erstaunlich viele wenig schmeichelhafte Komplimente von sich, Lucius. Überwältigt?" Spöttisch hob sie die Augenbraue.
"Keineswegs. Jane, ihr Alter?"
Ehe sie antwortete, nahm sie einen erneuten Schluck Wein. Sie fühlte sich wohl, angeheitert, lebendig. Eine leichte Rote musste sich mittlerweile auf ihre Wangen geschlichen haben, doch es war ihr gleichgültig. Wer auch immer Lucius Malfoy verhext hatte, ihm war zu danken.
Zweimal tippte er mit dem Finger auf den Tisch, seine Ungeduldigkeit widerspiegelnd. Ein beinahe gehässiges Grinsen schlich sich auf Janes Züge. "Und warum wollen Sie das wissen?"
"Weil ich Sie kennenlernen möchte, Jane."
Pünktlich zu ihrem ersten Rotwerden erschien auch die weiße Tomatencremesuppe. Schnell nahm sie einige Löffel, wobei sie die beinahe unerträgliche Hitze in ihrem Mund in den hintersten Teil ihres Kopfes verbannte.
"Das...", setzte sie an.
Er schüttelte den Kopf. "Sie sind eine wunderbare Frau, Jane. Lassen Sie uns nicht über die Betrüblichkeiten des Lebens sprechen, sondern weiter... das hier, was auch immer es ist, genießen."
"Wie würden Sie es denn nennen?", sprang sie auf den Themenwechsel an.
"Zu einer anderen Zeit? Wenn wir beide nicht wir wären? Ein Date?" Fragend sah er sie an.
Ein sanftes Lächeln schlich sich auf ihre Züge. "Dann wollen wir diesen Abend wie ein Date genießen und uns morgen wieder giftig anfunkeln, ja?"
"Das können Sie wirklich gut. Das giftig Anfunkeln. Da bekomme ich es fast mit der Angst zu tun." Er schmunzelte.
"Sie sind aber auch nicht schlecht. Der Gehstock imponiert schon ziemlich." Erneut trank Jane ein wenig Wein.
"Haben Sie nicht überlegt, sich auch einmal einen zuzulegen? Es stünde ihnen sicherlich." Lucius hob seinen Stock, der bis jetzt gegen den Tisch gelehnt hatte, und reichte ihn ihr über den Tisch.
Zögerlich griff Jane danach. Unschwer konnte sie sich vorstellen, dass dieser Gehstock nicht einfach ein Gehstock war. Der Zauberstab musste ihm Kopf stecken. Kurz war sie versucht, ihn herauszuziehen und ihn anzusehen, doch sie ließ es bleiben. Dass er ihr alleine den Stab reichte, war ein solcher Akt von Vertrauen. Da brauchte sie nicht unnötig neugierig sein.
"Vielleicht irgendwann einmal? Ich glaube, mir fehlt dazu noch das Alter."
"Und da wären wir wieder! Wie alt sind Sie, Jane? Wann haben Sie Geburtstag?"
"Na gut. Aber lachen Sie mich nicht aus!", drohte sie ihm lachend. "Ich bin dreißig. Letztes Jahr hat mich die Zahl erwischt."
Ungläubig sah er sie an. "Dann haben Sie sich doch nicht so gut gehalten."
"Aua!", stieß sie belustigt und verletzt zugleich aus. "Jetzt sind aber auch Sie dran!" Die Tomatensuppe verschwand ebenfalls.
"Sie wollten es so. Ich habe die zweifelhafte Ehre, dass sich dieses Jahr schon wieder die erste Ziffer ändert." Schwer seufzte er, die Stirn in Falten gelegt.
"Schon sechzig, Lucius? Sie Armer", zog sie ihn auf.
"Jetzt werden Sie mir nicht unverschämt!", lachte er auf. "Mmh, das duftet ja himmlisch."
Lautlos war das Hauptgericht vor ihnen auf dem Tisch erschienen. Das Entrecôte, begleitet von Salzkartoffel und einigen Stangen grünem Spargel verströmt einen aromatischen Geruch. Vorsichtig griff Jane nach ihrem Besteck und widmete sich gleich zuerst dem Fleisch. Sie schnitt langsam eine dünne Scheibe ab. Das Messer glitt durch das Entrecôte hindurch, als bestünde es aus Butter. Ein träumerisches Lächeln stahl sich auf ihre Züge. Der erste Biss war der wahre Himmel. Es zerschmolz ihr fast auf der Zunge und Jane musste für einen Moment die Augen schließen. Ein geniesserischen Seufzen kam ihr über die Lippen.
"Habe ich Sie enttäuscht?" Auf einmal war jeglicher frotzelnder Unterton aus der Stimme ihres Gegenübers verschwunden. Mit beeindruckender Aufrichtigkeit sah er sie an, ein beinahe trauriges Lächeln auf den Zügen.
"Es ist perfekt. All das hier." Sie deutete um sich. "Danke vielmals für diese Möglichkeit, für dieses Date, Lucius. Irgendwann wiederholen wir das." Es klang wie ein Versprechen.
In plötzlicher Ruhe verlief das Essen. Es war keineswegs unangenehm, mehr hingen sie beiden ihren Gedanken nach und genossen den fantastischen Hauptgang. Erst als Lucius mit einem Klirren sein Besteck auf den Teller legte, sah Jane ihn erneut an. Auch sie tat ihren letzten Bissen, während sie fest in seine Augen blickte.
Ohne zu blinzeln erwiderte er es. Keiner der beiden bekam mit, wie der Hauptgang verschwand und für beide eine kleine Schale Sorbet mit Früchten garniert auftauchte. Der Koch hatte immer wieder für kurze Momente zu seinem Ehrengast gesehen und ihn ganz anders erlebt als jemals zuvor. Eine kleine Aufmerksamkeit würde die Stimmung wieder lockern, so hoffte er es zumindest.
Seine silbergrauen Augen leuchteten ihr entgegen. Keine Regung zeigte sich in ihnen, nur eine beständige Ruhe und Aufmerksamkeit. Ja, und eine Wärme, die sie ihm nie zugetraut hätte. Das Kerzenlicht spiegelte sich in ihnen wieder und mit einem Schlag wurde Jane sich der goldenen und schwarzen Sprenkel in seinen Iriden bewusst. Kaum merklich lehnte sie sich vor, um mehr zu erkennen.
Plötzlich blinzelte er und die Magie des Moments erlosch. Sie beide räusperten sich und Jane trank mit einem Zug ihr Weinglas leer. Sofort füllte es sich magisch wieder auf. Bis jetzt hatte sie es nicht zugeben wollen, doch der Alkohol begann ihr die Sinne ein wenig zu umnebeln. Sie fühlte sich gut und erheitert, trotz dem Ernst der Situation.
"Wir hatten kein Sorbet bestellt", meinte sie plötzlich überrascht.
Lucius ruckte hoch, als bemerke er erst jetzt, was er gerade aß. Doch er zuckte lediglich kurz mit den Schultern, ehe er wieder nach dem Löffel griff. Auch Jane probierte nun das Eis und war - erneut - überwältigt.
"Das ist das wohl mit Abstand beste Essen." Sie schmunzelte über ihre eigene Aussage. Wie kindlich sie klang.
Auch Lucius lächelte kurz, versank jedoch sogleich wieder in seine eigene Welt. Erneut versuchte Jane, die Ruhe des vergangenen Essen wieder herzustellen. "Woran denkst du?" Er schüttelte nur den Kopf.
Betrübt beendete Jane ihr Essen. Im Stillschweigen verließen sie das Restaurant, nach einer Rechnung wurden sie nicht gefragt. Wirklich überrascht war Jane nicht.
Sie hatte sich bei Lucius untergehakt und spazierte mit ihm die verlassene Strasse entlang. Noch immer hatte er kein Wort mehr gesagt. Aufmerksam beobachtete sie sein Gesicht, nahm jede Regung seiner Züge auf.
"Ich bringe dich zurück ins Schloss", brachte Lucius plötzlich hervor.
"Das ist nicht nötig", wehrte Jane ab.
"Doch." Ohne weiter auf eine Erwiderung zu warten, disapparierte er plötzlich mit ihr.
Als sie sich manifestierten, erkannte Jane, dass sie sich in Hogsmeade befanden. Sie löste sich von Lucius, hatte jedoch nicht mit seiner Sturheit gerechnet. Eng schlang sich sein warmer Arm um ihre Hüfte. Jane wusste in diesem Moment nicht, ob sie dankbar über ihren Mantel sein sollte, oder ob sie ihn einfach nur verabscheute und weghexen sollte.
Sie schlenderten langsam zurück ins Schloss. Auf einer Anhöhe machten sie kurz Halt. Ein leises Lächeln stahl sich auf ihre Züge, als sie erkannte, dass es der gleich Hügel war, an dem sie Lucius auch zuvor zurechtgewiesen hatte, er solle nicht so schnell laufen.
Er musste wohl das selbe gedacht habe, denn als er sie näher an sich zog, spürte sie eine leichte Vibration seines Brustkorbs. Sein Körper war warm, trotz der eisigen Nacht, und sie spürte die Muskeln durch Umhang und Kleidung hindurch. Kurz wollte sie sich enger an ihn kuscheln, doch unterließ es dann. Sie waren vielleicht auf einem Date gewesen. Doch es war vorbei, jetzt.
Jane löste sich von ihm und zog ihn weiter mit ins Schloss, die wunderschöne Landschaft im strahlenden Mondlicht nicht weiter beachtend. Die Tür des Schlosses schwang unhörbar auf und sie traten in die alten Gewölbe ein.
Zum Glück waren ihre Wohnräume nur einen Korridor entfernt. Zusammen, mehr oder weniger in Eintracht, wanderten sie den Flur entlang. Die Tür war halb versteckt neben einer Ritterrüstung. Vorsichtig legte Jane die Hand auf den Griff und murmelte leise das Passwort, sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass Lucius es vermutlich trotzdem hörte.
Der Alkohol griff ihren Körper immer mehr an und sie spürte, wie sie müde wurde. Ihr ganzer Körper sehnte sich jetzt nur noch nach ihrem Bett. Und am Morgen nach einer schönen Badewanne und einem Trank gegen ihre Kopfschmerzen.
Im Türrahmen hielt sie inne und drehte sich noch einmal zu ihm um. Sanft lächelte sie. "Das war ein wunderbarer Abend, Lucius. Ich danke dir vielmals."
Eine plötzliche Kühle lag in seinen Züge, als sei er verletzt. "Einen schönen Abend, Miss Sharpe." Ohne eine weitere Regung zu zeigen, wandte er sich um.
Die einzige Erklärung für ihre Reaktion konnte Jane im Alkohol finden.
"Lucius Abraxas Malfoy! Du bleibst jetzt auf der Stelle stehen", herrschte sie ihn zornig an. Überrascht hielt er inne und drehte sich zu ihr um. Fragend wanderte eine Augenbraue hoch. "Du bist so ein... Arsch!", giftete sie ihn an. "Erst bist du nett, ein Gentleman. Sodass man dich richtig anfängt zu mögen! Und dann das hier. Was soll das?"
"Wag es nicht, so mit mir zu sprechen", zischte er sie an.
"Sonst was?", fuhr sie ihn erbost an. "Willst du mich dann anschreien?"
Ungläubig stand sein Mund offen. Lucius trat erst einen, dann noch zwei Schritte auf sie zu. Wie in Trance hob er eine Hand und streckte sie nach ihr aus. Sie zuckte kein bisschen, als er bedächtig, als wäre sie aus Porzellan, ihre Wange berührte und langsam an ihr herabstrich. Seine warmen Finger hinterließen eine prickelnde Spur auf ihrem Gesicht und ein Schauer jagte ihren Rücken herunter.
Mit dem Daumen strich er federleicht über ihre Lippe und verharrte für einen Moment dort. Jane blickte auf und sah ihn an. Ihn, Lucius Malfoy. Sein Blick war abwesend. Als würde er gar nicht mitbekommen, was er tat.
Eine plötzliche Welle erfasste Jane. Sie warf alles über den Haufen, jegliche Prinzipien, Vorsätze, Versprechen. Alles, nur weil dieser Mann sie so ansah. Verflucht sollte er sein und sie gleich mit. Doch diese Dummheit musste sie begehen. Nur ein einziges Mal.
Jane packte Lucius am Kragen und zog ihn zu sich herab. Unsanft presste sie ihre Lippen auf seine. Ein Feuerwerk explodierte, als er sie an der Hüfte griff und eng an sich zog. Ungestüm presste er sie gegen sich, drückte schmerzhaft mit seiner Zunge gegen ihren Mund, sodass sie ihm Einlass gewährte.
Janes Hände krallten sich in seine langen, seidigen Haare. Dieser Kuss. Er ließ sich nicht denken sondern fühlen. Seine weichen Lippen, seine starken Hände, alles. Merlin, sie wusste nicht, wo oben und unten war. Genießerisch hatte sie die Augen geschlossen und stöhnte einmal leicht auf, als seine Hand an ihren Hintern wanderte. Vorsichtig kniff er sie. Erregung machte sich in ihr breit. Ihre Finger waren fahrig, ruckelten an der Brosche, die den lästigen Umhang zusammenhielt.
Sie wollte Sex mit Lucius Malfoy haben.
Einem Ehemann, einem Todesser, einem Vater.
Sie stieß ihn von sich, lehnte keuchend an der Wand. Er stolperte rückwärts, die Haare wirr, ebenfalls außer Atem. Er wollte wieder auf sie zutreten, nach ihr greifen, ihren Körper in Besitz nehmen.
"Ich kann das nicht", flüsterte Jane heiser.
Sie stürzte in ihre Wohnräume und verriegelte die Tür hinter sich.
Was nur, oh bei Merlin und Morgana, oh um Himmels Willen, was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie musste wahnsinnig sein. Schwer bebte ihre Brust. Sie rutschte langsam an der Tür herab.
Womit nur hätte das geendet?

SarinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt