Erinnerungen und Träume

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Du beißt dir auf die Unterlippe, um dich nicht wieder von deinen Gefühlen überwältigen zu lassen. Bevor du kleinlaut eine Antwort gibst, atmest du tief durch: „Das... ist persönlich..." Levi scheint keinen Gefallen an deiner Antwort zu haben.

Er setzt sich auf den Sessel neben deinem Krankenbett und blickt dich direkt ins Gesicht. Unbehagen macht sich in deinen Körper breit. Doch... auch ein anderes Gefühl. Ein Gefühl, dass dein Herz zum pochen veranlasst. Der Corporal lehnt sich zurück und sieht dir direkt in deine (a/f) Augen: „Ich habe Zeit. Aber wie lange Jäger, Arlert und Ackermann aushalten, ist die andere Frage." Wie?! Sie müssen noch IMMER trainieren?! Ihnen zuliebe erbarmst du dich: „Sobald... mein Bruder zur Welt kam, tat er alles für ihn. Mich und meine Schwester hat er vernachlässigt..." - „Also hasst du deinen Bruder auch?" - „Nein... Warum sollte ich?"

„Immerhin hat er die ganze Aufmerksamkeit von eurem Vater bekommen."

Du musst schmunzeln: „Dafür kann er doch nichts... Daran ist allein unser Vater schuld..!"

Levi nickt.

Nach einer kurzen Pause fährst du fort: „Meine Mutter hingegen hat uns alle gleich behandelt, weswegen wir sie alle liebten. Doch dann..."

Stille. Der Hauptgefreiter unterbricht diese aber schnell: „Was 'dann'...?" - „Was man nicht auf dem Bild sieht ist, dass sie zu diesem Zeitpunkt schon schwer krank war..."

Unsicher, ob er es wagen solle, fragt Levi trotzdem: „Was... hatte sie?"

„Ich weiß es nicht genau... Aber es war eine seltene Krankheit...", du schüttelst deinen Kopf, missachtest dabei deine Kopfschmerzen.

„Und dein Vater hatte sie nicht retten können..." Was Levi nicht weiß: er liegt falsch.

„Doch, er hätte..." Ein stechender Schmerz in deinem Herz macht dir das Atmen schwer.

Levi sieht dich geschockt an.

Nun erläuterst du mit einem wütenden Unterton: „Ihm lag mehr daran, die Krankheit zu erforschen, bevor er meine Mutter, seine Frau, das Leben rettet... Er hat es soweit getrieben, dass sie dann ein paar Monate nachdem das Bild aufgenommen wurde gestorben ist..."

„Das... tut mir leid..." Verwundert siehst du in die abwesenden Augen deines Gegenübers. Du hättest nie gedacht, dass ER sich mal für etwas entschuldigen würde. UND du hättest nie gedacht, dass man mit IHM ein so intimes Gespräch führen könne...

„Muss es nicht... Nur meinen Vater müsste es... tut es aber nicht!", deine Hände krallen sich in deiner Bettdecke fest und du presst deine Augenglieder zusammen. Zaghaft spürst du, wie etwas warmes, weiches deine rechte Hand umschließt. Zurückhaltend schielst du nach unten und... tatsächlich! Es ist Captain Levis Hand! Du bemerkst du glühende Wärme auf deinen Backen und siehst schnell zur anderen Seite.

„Also das ist der Grund, warum du deinen Vater hasst...", stellt Levi fest.

„Nicht ganz...!", rutscht es dir heraus.

„Wie... meinst du das?", fragt der Mann, der gerade deine Hand hält. Du stößt einen tiefen Seufzer aus: „Ab dem Moment, wo wir nur noch zu viert waren... veränderte sich unser Vater. Während er bei der Arbeit und in der Öffentlichkeit auf normal tat, wurde er Zuhause immer... ahm... angsteinflößender." - „Hm?"

„Nun ja... Er... er fing an bei mir und meiner Schwester... zu... zu...", du bekommst kein Wort mehr heraus und brichst unter den Erinnerungen zusammen. Levi zieht dich zu ihm. Behutsam, dass er nicht deine Verletzungen schmerzen bereitet. Als ob ihr euch schon jahrelang kennen würdet, hält er dich in seinen Armen und versucht dich zu beruhigen. Dein Körper wird immer wärmer und das zittern hört ebenfalls allmählich auf. Im Moment ist dir alles egal und klammerst dich an sein Oberteil. Du fühlst dich geborgen - und beschützt, weshalb du auch deine Geschichte weiter erzählst.

„Er führte... Experimente an uns durch..." Du merkst, wie ein Schock Levis Körper durchfährt: „Wa-warum habt ihr es niemanden erzählt?!" - „Es hätte uns sowieso keiner geglaubt... Und... Das ist unter anderem der Grund, warum ich zum Militär ging..." Du spürst Levis Kinn auf deinen Kopf senken: „Du bist also geflohen..."

Du nickst.

„Aber... unter anderem?", fragt er nach.

„Ich interessierte mich schon immer für die Welt außerhalb der Mauern. Zum leid meines Vaters... Sein Plan wäre es gewesen, mich mit einen Schnösel zu verheiraten. Aber meine... Mutter... hatte mich akzeptiert wie ich war...", wieder kommen dir die Tränen. Doch auch wegen einen anderen Grund: „Ich... Ich habe meine Schwester einfach bei diesen... diesen Monster! zurück gelassen...! ...Wer weiß, ob sie... noch lebt..." - „Warum sollte sie nicht?"

„Weil ER ein Ungeheuer ohne Herz und Seele ist! Er hat uns eine Injektion nach der anderen gegeben und uns dazu gezwungen Tabletten zu schlucken!", bricht es dir hervor. Kurz stockst du: „Dabei... bin ich... das Monster ohne Herz und Seele...!" Levi denkt er habe sich verhört: „Wie?"

„ICH BIN DAS MONSTER! ICH HABE MEINE GESCHWISTER ZURÜCK GELASSEN!", schreist du voller entsetzen. Levi drückt dich weiterhin zu seiner Brust und tätschelt deinen Kopf: „Schsch... du bist nicht das Monster, sondern dein Vater... ganz allein dein Vater..."

Den Rest bekommst du nicht mehr mit.

~

„Mutter...?", fragst du ungläubig. Doch die Frau, die vor dir stand, antwortet nicht. Sie dreht sich einfach um und geht fort.

„Mutter!", schreist du nun und versuchst ihr hinterher zu laufen. Doch es schien unmöglich. Die Entfernung blieb immer gleich, egal wie sehr du dich auch anstrengst.

„Mutter...", wimmerst du nun und lässt dich auf die Knie fallen. Plötzlich hörst du eine vertraute Stimme: „Du bist schuld... allein DU!"

„Schwester!", du siehst dich suchend um, doch alles sieht gleich aus: Bäume weit und breit.

„DU bist das Monster, (V/N)! DUU!!", die Stimme deiner Schwester wird immer lauter. Du kneifst dir deine Augen zu und hältst deinen Kopf mit den Händen: „Nein... NEIN!"

„DU BIST SCHULD!! NUR DU BIST DAS MONSTER!!!" Es kommt dir so vor, als würde die Stimme direkt vor dir sein. Blitzschnell schlägst du die Augen auf und erleidest den Schock deines Lebens. Deine Schwester ist direkt vor dir: Blutverschmiert und mit deformierten Gesicht. Überwältigt kippst du nach hinten: „E-es tu-tut mir leid... Schwesterchen...!" - „DU BIST NICHT MEHR MEINE SCHWESTER!", schreit dir das kleine Mädchen an.

In diesen Augenblick fühlst du einen schon bekannten Griff um deinen ganzen Körper. Wissend, worauf du dich gefasst machen kannst, drehst du vorsichtig deinen Kopf nach hinten. Und deine Vermutung wurde wahr. Ein Titan führt dich zu seinen Mund.

„STIRB, (V/N)!!", schreit deine Schwester in einen grässlichen Ton.

Und so geschieht es auch: Der Titan löst den Griff um deinen Körper und das erste, dass du spürst, ist die eklige, glitschige Zunge des Menschenfressers.

„Es... tut mir leid... Schwesterherz..."

Drunk Love (AoT FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt