29.

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Alex Wohnung war nicht gerade ordentlich, aber ich fühlte mich trotzdem sofort wohl. Im Gegensatz zu Maxwell zog ich meine Schuhe aus und stellte sie fein säuberlich neben die anderen Schuhe, die sich hier häuften. War wohl so ein 187 Ding mit den Schuhen. Meine Jacke hängte ich an die Garderobe, ehe ich den beiden Männern ins Wohnzimmer folgte. Alex gab sich keine Mühe, noch schnell für Ordnung zu sorgen. Stattdessen zündete er sich eine Kippe an und machte es sich auf der schwarzen Eckcouch gemütlich. Maxwell hatte auch schon Platz genommen und baute sich erst mal einen Joint.

Ich setzte mich neben Alex und begutachtete schweigend den Couchtisch, der von Müll und benutztem Geschirr übersäht war. Ich wollte nicht das erste Wort ergreifen, schließlich wusste ich nicht mal, was ich sagen sollte. Alex rauchte derweil in Ruhe seine Zigarette fertig.

Ein vibrierendes Geräusch unterbrach die Stille. Alex holte sein Handy hervor und warf mir einen ernsten Blick zu.

„John.", war das Einzige, was er sagte.

Zu meinem Erstaunen ging er nicht ran, sondern schaltete auf Flugmodus, nachdem das Vibrieren aufgehört hatte.

„Was hast du jetzt vor?", stellte Alex die Frage, die auch mir im Kopf herum schwebte.

Angespannt kaute ich auf meiner Unterlippe und zuckte nur die Schultern. Etwas, das ich in den letzten Tagen recht häufig getan hatte.

„Am besten, ihr redet erst mal in Ruhe miteinander. Das lässt sich bestimmt alles klären."

Anstatt zu antworten, starrte ich stumm auf meine Knie. Ich konnte Alex besorgten Blick auf mir spüren und mir tat es fast leid, ihn da mit rein gezogen zu haben.

„Falls alles schief geht, kannst du auch erst mal hierbleiben."

Ich fühlte, wie mir die heißen Tränen in die Augen schossen. Alles Blinzeln brachte nichts und so lief das salzige Nass still meine Wangen hinab. Ich hatte den gesamten Mittag keine einzige Träne vergossen, obwohl ich so wütend und enttäuscht gewesen war. Ausgerechnet jetzt brach es aus mir heraus und ich konnte es nicht einmal verhindern.

„Hey, so schlimm wird's schon nicht sein."

Alex hatte unbeholfen einen Arm um mich gelegt und versuchte mir so gut es ging in mein gesenktes Gesicht zu schauen.

„Na toll, jetzt heult sie auch noch.", murmelte Maxwell spöttisch von der anderen Seite der Couch.

Ihn hatte ich beinahe vergessen.

„Halt einfach deine Fresse und misch dich nicht in Angelegenheiten ein, die dich nichts angehen.", keifte ich ihn mit brüchiger Stimme an und stierte böse in seine Richtung.

Maxwell hob nur amüsiert die Augenbrauen und musste sich ein Lachen sichtlich verkneifen.

„Was willst du eigentlich von mir, heh? Was habe ich dir getan?"

Meine Frage war durchaus ernst gemeint, denn ich verstand nicht, warum er als einziger ein Problem mit mir hatte. Ich hatte ihm nichts getan, ihn nie anders behandelt.

„Ich traue dir nicht, hab ich doch schon gesagt. Du trittst plötzlich in Johns Leben und mischst hier alles auf. Du passt weder in Johns Leben, noch zu 187. Kaum bist du da, gibt's Chaos und Theater."

Meine Atmung hatte sich immer noch nicht ganz beruhigt und ich musste mir immer wieder über die Augen wischen. Es traf mich, dass ausgerechnet einer von Johns Freunden so etwas zu mir sagte. Hatte dieses Mädel vor dem Tattoostudio doch recht gehabt?

„Digga, geht's noch? Jara muss doch nicht zu 187 ‚passen', darum geht's hier nicht. Wenn du mal deine Augen öffnen würdest, würde dir vielleicht die Ähnlichkeit zwischen John und ihr auffallen. Weniger optisch, aber von der Art her. Und sei mal ehrlich, welchen Grund hat dir Jara gegeben, an ihrer Ehrlichkeit zu zweifeln?"

Alex war ebenfalls ernst geworden und hatte sich an Maxwell gewandt.

„Keine Ahnung man, aber wir kennen sie doch kaum."

„Du hättest genug Möglichkeiten gehabt, das zu ändern. Ich vertraue Jara und hab sie gern. Und ich hab keinen Bock, dass du immer wieder gegen sie gehst. Hör endlich auf damit."

Gerührt und dankbar schaute ich zu Alex. Seine Worte taten unglaublich gut und ich fühlte mich das erste Mal seit Stunden nicht mehr komplett fehl am Platz. Er lieferte sich mit Maxwell ein stummes Blickduell. John hatte mir erzählt, dass die beiden sich recht nahe standen und viel Wert auf die Meinung des jeweils anderen legten. Maxwells Miene wurde nachdenklich und sein Blick wanderte nun von Alex zu mir.

„Was soll ich denn bitte machen, damit du mir glaubst?"

Es klang schon fast verzweifelt, aber mir fiel nichts mehr ein, womit ich Maxwell womöglich umstimmen konnte.

„Lass gut sein. Vielleicht hab ich echt überreagiert und in dir grundlos etwas negatives gesehen. Fangen wir noch mal von vorne an, okay?"

Versöhnlich streckte er mir seine Hand entgegen, die ich erst mal nur verwirrt anschaute. So einfach sollte das jetzt gewesen sein? Ein paar Worte von Alex und alles war gut?

„Tut mir leid, was ich alles zu dir gesagt habe. Das war nicht fair.", legte Maxwell nach, weshalb ich nun doch seine Hand ergriff.

„Na, geht doch. Ich weiß wirklich nicht, wo euer Problem lag."

Alex hatte sich zurück gelehnt und die Füße auf den Couchtisch abgelegt.

„Aber zurück zur eigentlichen Frage. Was ist jetzt mit dir und John?"

Meine Laune sank sofort wieder in den Keller. Ich lehnte mich ebenfalls zurück, erreichte mit den Füßen den Couchtisch allerdings nicht so lässig wie Alex, weshalb ich sie kurzerhand zu mir auf die Sitzfläche zog.

„Könnte ich wirklich erst mal hierbleiben? Spätestens übermorgen muss ich sowieso zurück nach Frankfurt."

„Hast du schon ein Bahnticket gebucht?"

Ich verneinte Alex Frage. Darum müsste ich mich tatsächlich noch kümmern. Die Zeit hier in Hamburg war so schnell vergangen, dass ich noch keinen Gedanken an meine Rückreise verschwendet hatte.

„Du haust morgen aber nicht einfach ab, oder?"

Maxwell schaute mich abwartend an.

„Hm, nee. Einfach so kann ich aber gar nicht abhauen, weil ich meine ganzen Sachen noch bei John habe."

„Ey Jara, nix da mit abhauen. Du und John bekommt das schon wieder hin."

Alex wirkte durchaus überzeugt von seinen Worten.

„Vorschlag: ich rufe John zurück und sage ihm, dass du heute Nacht hier schläfst und morgen redet ihr dann in Ruhe miteinander. Von mir aus auch hier, wenn du nicht mit ihm allein sein willst."

Nicht ganz überzeugt willigte ich in Alex Vorschlag ein. Ich wusste zwar, dass ich keine Minute schlafen würde, aber das brauchte Alex ja nicht zu wissen. Er sollte sich nicht auch noch unbegründet Sorgen machen, falls er das nicht sowieso schon tat.

Long Long Way (Bonez MC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt